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Full text of "Das Studium der hebräischen Sprache in Deutschland vom Ende des XV. Bis zur Mitte des XVI ..."

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I 



Das Studium 

j^EBRÄrSCHEN ßpRACHE 
Peutschland 

VOMplNDE DES XV, BIS ZUR/V^tTTE DES X V [. fl AHRHUNDERTS. 
^IIDWIG pEIGEP^ 



Breslau 1870. 

^CtlUETTEf^'äCHE fiuCH H A MDLUNG 
fi ^KUTSCH. 



STANFORD UN1VER51TY LIBRARIES 



Tlic Tfliibf-Baroii Collfction 
o|")fwisli Hislorji and Ciiinire 

Given in memoty of Dr. ZjgmiiiiT S. Täubt 
und Lola Popjw Taute 



Das^ 



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EBRÄISCHEN SpRACHE. 



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EBRÄISCHEN SpRACHE. 



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Das Studium 



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Hebräischen Sprache 



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BUTSCHLAND 



VOM Ende des xy. bis zurMitte des xyi. Jahrhunderts. 



yoN 



Ludwig Geigei\. 



Breslau 1870. 

SCHLETTEF^SCHE BUCHHANDLUNG 

ji. pKUTSCH. 



Inhalt. 

Seit«. 

Vorbemerkung VII 

1. Verhältniss des hebräischen Sprachstudiums zu der geistigen und 

religiösen Bewegung der Zeit 1 

2. Die Vorgänger Keuchlin's 18 

3. Johannes Eeuchlin 23 

4. Johannes Boschenstein und Matthäus Adrianus . 41 

5. Die Schüler des Elias Levita. — Sebastian Münster und Paul Fagius 55 

6. Die Universitäten 89 

7. Die Schulen - ... 123 

8. Schluss 129 

Nachträge 132 



Vorbemerkung. 



Hiine Geschichte der wissenschaftlichen Ausbildung der 
bräischen Sprache, ihrer Grundzöge, ihrer Regeln, will ich 
3ht geben. Dazu ist der Stoff zu gering, zu wenig Originales, 
3 geschaffen wurde, fast nur häufiges Betreten des einmal ein- 
schlagenen Weges, ohne rechte Entwickelung und Veränderung. 
IS ist auch nicht, was eine Betrachtung der allmählichen Aus- 
3itung hebräischer Sprachkenntniss in Deutschland so überaus 
ieressant und lehrreich macht ; was das Interesse weckt, das ist 
ilmehr der enge Zusammenhang, in dem das Studium der 
bräischen Sprache mit den geistigen Sichtungen der Zeit, mit 
iraanismus und Reformation, steht. 

Dass ich mich nicht mit einer Aufzählung der Männer be- 
ugt habe, die sich in dieser Beziehung ausgezeichnet haben, 
ädern über ihr Leben Manches, bald mehr, bald weniger, mit- 
theilt habe, wird, wie ich hoffe, keiner Entschuldigung bedürfen, 
irncke sagt einmal (Einleitung zu Sebastian Brants Narren- 
liff p. IX. A. 1) in Betreff einzelner Humanisten, dass „ihre 
ibensschicksale gleichsam eme Verkörperung ihrer geistigen 
Tätigkeit sind*'; dasselbe gilt auch von einem Theile der 
inner, deren Studium auf eine Erforschung und Verbreitung der 
ibräischen Sprache gerichtet war. Aber von dem Fehler, 
ies Mannes, von dessen Leistungen zu reden ist, Leben und 
hicksale zu erzählen, so wenig sie auch mit dessen wisseuschaft- 
her Thätigkeit in Zusammenhang stehen, hoffe ich mich frei- 
halten zu haben. 



Vin Vorbemerkung. 

Die Betrachtung erstreckt sich nur bis zu Ende des soge- 
nannten ßeformationszeitalters, ohne enge Festsetzung von Grenz- 
jahren; die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ist von der ersten 
völlig abhängig. Von Bedeutung wird die Zeit erst dann, wenn 
am Ende des 16. und Anfang des 17. der ältere Buxtorf eine 
neue Aera hervorruft. 

Zum grossen Theil ist die Arbeit in Paris entstanden. Was 
die Schätze, auch die handschriftlichen, der dortigen kaiserlichen 
Bibliothek boten, habe ich eingesehen. Von deutschen Bibliotheken 
habe ich die hiesige, die Darmstädter, Heidelberger, Bonner und 
Göttinger, Einiges aus der Münchener und BöcMngs Sammlung 
in Bonn benutzt. Das daraus Gewonnene schien mir hinreichend, 
um ein Bild zu geben. Schriften, die ich nicht selbst gesehen, 
habe ich meist nur dann anführen zu müssen geglaubt, wenn 
ich Kenntniss von ihnen aus Büchern schöpfen konnte, in denen 
auch der Inhalt besprochen wurde, oder sie in zeitgenössischen 
Schriften, wie Neanders Erotemata U.A., angeführt fand. Denn 
bibliographische Verzeichnisse wollte ich nicht liefern. 

üebrigens kann ich auch für diesen Theil der Arbeit auf die 
Angaben von Steinschneider im Catalogus librorum hebraeorum 
in bibliotheca Bodlejana, Berolini 1852 — 1860, verweisen. Von 
Werth wäre es für mich gewesen, wenn mir dessen Schrift: Biblio- 
graphisches Handbuch über theoretische und praktische Literatur 
für hebräische Sprachkunde, Leipzig 1859, die ßecension über die- 
selbe von Gildemeister in der Zeitschrift der deutsch -morgen- 
ländischen GeseUschaft, Bd. XIV, Leipzig 1860, S. 297—308, 
und Steinschneiders "T^SlDn» Hebräische Bibliographie. Blätter 
für neuere und ältere Literatur des Judenthums, 8 Bde., Berlin 1858 
bis 1865, früher bekannt geworden wäre, als nachdem meine Arbeit 
abgeschlossen und zum grössten Theil gedruckt war. So konnte 
daraus nur Einiges in den Nachträgen berichtigt und ergänzt werden. 

Frankfurt a. M., 2I.Novbr. 1869. 

Der Verfasser. 



I. 

Verhältniss des hebräischen Sprachstudiums zu der 
geistigen und religiösen Bewegung der Zeit. 

Man nennt nicht mit Unrecht die Zeit des ausgehenden 
15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts die Periode der 
Wiederbelebnng der Wissenschaften. Aus langem Schlafe 
K¥nrde mit den übrigen auch die hebräische Sprache wieder 
stns Licht gezogen. Die Bücher der Bibel, die in dieser Sprache 
geschrieben waren und die auch die Kirche als heilige ver- 
ehrte, waren bisher nur in der lateinischen Uebersetzung und 
Ewar auch nur den Geistlichen bekannt, denn den Laien waren 
die zu lesen verboten. Die Kenntniss der Sprache blieb bei 
den Juden; sie, das ganze Mittelalter hindurch gedrückt und 
gehetzt, gelangten in Deutschland nur zu geringer wissen- 
schaftlichen Ausbildung und schriftstellerischen Thätigkeit in 
derselben. 

Die Christen begehrten ihre Unterweisung nicht. Die 
TJnwissenschaftlichkeit des Zeitalters, das in einem barbari- 
schen Latein genügenden Behelf erblickte, war zu gross, um 
Sehnsucht nach der „heiligen^' Sprache zu erwecken ; dazu kam 
der Hass gegen die Juden : man wollte von Denen, die man im 
Leben verachtete, auch wissenschaftlich keine Förderung er- 
fahren. Man brauchte das ganze Mittelalter hindurch — in 
Deutschland fireitich am wenigsten, da besass man andere, 
^rksamere Mittel,' mehr in Frankreich, Italien, Spanien — 
das Hebräische meistens zur Bekehrung der Juden. Da wur- 
den Disputationen veranstaltet, auf der einen Seite die Juden, 
die ängstlich jedes Wort ihrer Schriften zu vertheidigen ent- 

Qeiger, Studium. 1 



^ Verhältniss des hebräidcbeii Spraclistiidiiuni 

schlössen waren, trotz Kerkerqualen und Scheiterhaufen, auf 
der anderen üebergetretene, die ihre im Schosse des Judeu- 
thums gewonnene Kenntniss der Sprache zum Angriff gegen 
ihre früheren Glaubensgenossen verwertheten. Lernte je ein 
Christ Hebräisch, so geschah es durch Yermittelung, mit Hülfe 
solcher getauften Juden, ohne dass es wirklich einer zu tieferer 
und genauerer Kenntniss gebracht hätte. 

Jeder, der die Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts 
kennt, weiss, dass trotz allen freien Sinnes, der hier erwachte 
und gepflegt wurde, der Hass gegen das Judenthum noch zu 
den Dingen gehörte, die man als Erbe des Mittelalters über- 
kommen hatte. Aber eines war geschwunden: die Un- 
wissenschaftliohkeit. Wie befreit aus Fesseln und Banden 
stürzte man sich auf Alles, was man erhaschen konnte, jede 
Wissenschaft wurde gepflegt, jede Kunst geübt, jede Sprache 
gelernt. Eine gewaltige Reaction trat fast in allen Dingen 
hervor, so auch hier. Mit Eifer und Ernst wurde die hebräi- 
sche Sprache betrieben, ihre Denkmale erforscht, hier glaubte 
man nun den Quell aller Offenbarung gefunden zu haben. 

Die lateinische Sprache war die gelehrte Umgangssprache; 
sie mnsste Jeder kennen, der auf wissenschaftliche Bildung 
Anspruch machen wollte; am Anfange der Periode, die uos 
hier beschäftigt, war das Griechische hinzu gekommen •- 
man bezeichnete sie kurzweg mit utraque lingua; jetzt wai 
das Studium des Hebräischen mit in die Reihe aufgenommen 
worden, trium linguarum peritus zu sein, galt als ehrendi 
Bezeichnung, die gern Jeder sich erwarb. Man hatte am Endt 
des 15. Jahrhunderts angefangen auch in den Schulen Grie- 
chisch zu lehren, jetzt trat das Hebräische als Unterricht»- 
Gegenstand hinzu; collegia trilinguia gehörten nun zu den be-l^ 
liebten Einrichtungen: ich erinnere nur an das Collegiiui||^ 
Buslidianum, um das sich Erasmus viel Mühe gab^. '- 

Und nun wurde es auch auf den Universitäten anfge*| 
nommen. Als Petrus Mosellanns 1518 in Leipzig Griechi 
zu lehren anfing, da ermahnte er in dem Schreiben, mit d 
er seine Eröfinungsrede dem Herzog Georg von Sachsen 
schickte: nun möge er auch, nachdem er für andere Leh 






i) 



^) Näher darauf wird bei Matthäus Adrianus einzugehen sein. 



II- 



zu der geistigen and religiösen ^wegang der SSeii. 3 

gesorgt, einen senden, der das Hebräische, die heilige Sprache, 
lehren könne, damit Niemand etwas vermisse, was 
zu einer wohl eingerichteten Universität gehöre^); 
und im Verlaufe der Rede meint er, es gebe keine wissen- 
schaftliche Beschäftigung, die nicht aus der Kenntniss der 
Sprachen, namentlich des Griechischen und Hebräischen, För- 
derung erhalte, ja jede bleibe mangelhaft und dunkel, wenn 
eine von diesen fehle ^). Man kann sagen, die Verehrung 
steigerte sich mit jedem Tage. Seinen Jüngern flösste der 
Meister — wem ist es nicht bekannt, dass dies Reuchlin war? 
— immer mehr Fleiss zur Erlernung der Sprache und mit der 
Erlernung immer grössere Hochachtung und Liebe ein. 

Es sei erlaubt ein Beispiel zu bringen. Georg Wicel — 
als eifriger Gegner Luthers bekannt — hoffte 1532 etwa als 
Professor der hebräischen Sprache nach Erfurt berufen zu 
werden. Er hatte eine Rede bereits ausgearbeitet „zum Lobe 
der hebräischen Sprache'^ ; da der Ruf nicht an ihn kam , so 
gab er die Rede im Druck heraus ^). Die hebräische Sprache 



1) 1. Aug. 1518 De variarum linguamm cognitione (über die Bede selbst 
vgL Schmidt: Petrus Mosellanus Leipzig 1867, S. 30 ff.) Postremo cum ex Cle- 
mentina sanctione didicisses, in publicis scholis trium linguarum doctores foven- 
dos, ne hie tuae Aeademiae quicquam deesset, iam in tertium annum utriusque 
lingnae professores et sumptu tuo foves, et autoritate taeris. Nee dubita- 
muB, quin brevi, ubi per aliquam occasionem licuerit, et sanctae, hoc est 
Hebraicae linguae magistrum tua celsitudo nobis sit procuratura, ut 
posthac nemo quicquam, quod ad instruotissimum gymnasium 
attinet, sit hie desideraturus. 

8) D 2 (Baseler Ausgabe 1519 p. 27) nullam esse literariam professio- 
mem, quae non cum ex aliarum linguarum, tum vero maxime Graecae et 
Hebraicae cognitione lucem accipiat, tum nullam disciplinam non fore man- 
cam et tenebrosam, si altera harum desit. Ich will nicht verschweigen, dass 
Andere in diese Werthschätzung — namentlich in das Betonen der Noth- 
\7eBdigkeit dieser Kenntniss — nicht einstimmten. Rudolf Agrikola sagt 
in dem Schriftchen De formando studio über die sacrae literae: quarum 
eognitio magis ad omamentum animi nostri, honestamque voluptatem, quam 
ad necessarium utique usum pertineat. Wicel in der gleich anzufahrenden 
^ede meint auch: partim ut quae non ita multum utilitatis afferat, partim 
qnae habeat plurimum difficultatis , nihil voluptatis aut gratiae. Das seien 
, die Gründe, quae abhorreant ab ea addiscenda. Aber er hält das freilich 
f&r unrecht. 

3) Oratio in laudem Hebraicae linguae. Autore Georgio Vicelio. 
HDXXXnil. 14 Bll. 80. (Aus der Müncbener Bibl.) Widmungsbrief an 

1* 



4 Verh&ltniss des Jbebraljchen Sprachstudiuinä 

— SO ist etwa der Grundgedanke — sei vor allen würdig 
mit Eifer betrieben zu werden, von Moses leite sie ihren Ur- 
sprung ab, Gott selber habe sie geredet, Christus und die 
Apostel hätten sieb ihrer bedient. Er wolle den classischen 
Studien nicht zu nahe treten, aber der heiligen Sprache müss- 
ten sie nachstehen. Ihre Kenntniss besitze Yortheile, kleine 
und grosse, zum Kampf gegen die Ungläubigen, zur Stützung 
des eigenen Glaubens, ja selbst zum Gebete'). 

Kann es uns da wundem, wenn bei diesem nicht etwa 
auf den einen Mann beschränkten, sondern fast unter dem 
ganzen Kreis der Humanisten und Reformatoren verbreiteten 
Enthusiasmus — von den bedeutenderen Gelehrten in der ersten 
Hälfte des 16. Jahrh. ist mir nur von Erasmus bekannt, dass 
er fast oder gar kein Hebräisch verstand 2) — auch eine 
Reaction sich zeigte, wenn sich ein Streben kundgab, die 
classischen Studien mehr in den Vordergrund zu stellen, ihnen 



Bcrnardus Gualtherus 20. März 1534: orationem . . . quam Erphurdiae, si per 
quorundum invidiam Rudimenta hebraica tradere licuisset, in Academia 
ante sesquiannium amplius publice habiturus fueram.. tibi dono. 

1) Um nicht die ganze Rede abzuschreiben, citire ich nur zwei Stellen: 
Quo nam dialecto egressae sunt dei Hebraeorum dulcissimae promissiones, 
blandissima solatia, iustissimae minae, denique potentissima quaeque verba 
ad patres Hebraeos, nisiHebraea?... und: Mirum dictu est, quanto vehemen- 
tius soletur atque veneretur precans hebraice, quam si quis graece aut latine 
precetur. Vim vividam addunt tibi voces sacratissimae , adeoque sonus iUe. 
Als Beweis, dass diese Meinung nicht vereinzelt blieb, vielmehr fast ein 
Jahrhundert noch fortwirkte, citire ich eine Stelle dos Bartholomaeus Sche- 
raeus in Itinerarium in Psalterium Davidis Hebracum. Witeb. 1612. : Anti- 
qua et prima omnium est lingua hebraea, est sancta et illabata, et statim 
in paradiso, et postea extra eum in rudi et nondum habitato mundo sonai« 
coepit, et vult accurate excoli ac conservari in yitam aetemam usque. 

2) De Hcbraicis literis nihil arrogo mihi, quas primoribus dumtaxat 
gustavi labris. Erasmus an Reuchlin in: Epistolae illustrium virorum ad 
Beuchlinum. Hagonoac 1519 s 3b. Den Grund, warum er es nicht gelernt 
habe, gibt er an: Coeperam et Hebraica attingere, verum peregrinitate se^ 
monis deterritus, simul quod nee aetas, nee ingenium hominis pluribus rebu» 
pariter sufficit, destiti. Angeführt bei Hess: Erasmus von Rotterdam L 
S. 107 Anm. * Vgl. auch Raumer: Geschichte der Pädagogik I, S. 95. Was 
andere bedeutende Humanisten anbetrifft, so überschreibt z. B. Thomas Vena- 
torius ein Gedicht an Pirckheimer : Bilibaldo Pirckheimer, Hebracae, Graecae 
ac Latinae linguae viro eruditissimo(Bilib.Pirckh. Opp. ed. Goldast Francof. 1610 
T^ 46); Mutian lässt sich von Heinrich Urban Reuchlins hebräische Grammatik 

m (Manuscript der Mutian'schen Briefe in der Prankf. StadtbibL Pol. 20 a). 



ZQ der geitrtigen vnd religiösen Bewegung der Zeit. 5 

den Platz wieder za erringeD, den sie wenige Jahrzehnte vor- 
her eingenommen hatten? Da ist eine bezeichnende Aensse- 
rang, die in klagendem Ton Heinrich Loriti Glareanus an 
Pirckheimer schreibt: wie die Kenntniss der griechischen 
Sprache wieder hergestellt werden könnte, das sehe er nicht ; 
schreien ja die Leute, Griechisch nnd Lateinisch zu studiren, 
sei nicht nothwendig, es sei genug, wenn man Hebräisch verstehe 
and Deutsch*); da beschwert sich Erasmus bei Melanchton, 
dass man öffentlich zu Strassburg und an anderen Orten lehre, 
man brauche jetzt keine Wissenschaften und keine Sprachen 
mehr zu lernen mit alleiniger Ausnahme des Hebräischen^). 

Das ist — wenn den Ausdruck zu gebrauchen gestattet 
ist — die Klage des untergehenden Humanismus; die Refor- 
mation war über ihn hinweggeschritten, in ihrem Gefolge hatte 
das Studium des Hebräischen neue Pflege gefunden. Denn 
neben der erwachenden Wissenschaftlichkeit war ein Haupt- 
grund zum Studium der Sprache die theologische Rich- 
tung der Zeit. Man ging auf die Bibel zurück, aus ihr nur 
wollte man Belehrung schöpfen, nur aus ihr konnte eine 
Widerlegung der gegnerischen Ansichten gegeben werden. 
Was Wunder, dass man nach der Ursprache verlangte, sie 
bei üebersetzungen in die Muttersprache zu Grunde legte. 

Es hat schon vor Luther deutsche Bibelübersetzungen ge- 
geben, keine hatte die rechte Zeit und das rechte Wort so 
zu treffen gewusst wie die seine. Allzubedeutend war Luthers 
Kenntniss des Hebräischen freilich nicht, bei der Bibelüber- 
setzung bediente er sich der Hülfe des hebräischkundigen Johann 
Forster, bei seinen Kommentaren musste ihm der jeweilige 
Professor der hebräischen Sprache in Wittenberg zur Hand 
gehen^). Aber an unzähligen Stellen seiner Schriften betont 
er die Nothwendigkeit hebräischer Sprachkenntniss. 

1) Pirckheimeri Opera ed. Goldast, Francofurti 1610, p. 314. Egout... 
graecae lingnae notitia restituatar, plane non video. Et tarnen hi magno 
boata clamitant non esse graece (sie) latinove studendum, sat esse, si hebraice 
ac'germanice sciamns. 

2) Angeführt bei Döllinger: Die Eeformation (Regensburg 1846) I. 
S. 437, Anm. 54. 

3) Ein hebr. Buch, das ihm Arasdorf geschickt hatte, übergibt er Auro- 
gallas: excedit enim vires meas, s. de Wette: Luthers Briefe II, S. 612, und 
schreibt seinen Inhalt nach dessen Angabe a. a. 0. S. 625. Er sagt einmal selbst 



6 Verh&ltniss des hebräischen Sprachstadium» 

Doch macht sich ein Umstand schon hier foemerklich. 
Dem Theologen war die Sprachkenntniss nicht mehr die 
Hauptsache. Er brauchte sie nur als Mittel, um mit ihr aus- 
gerüstet die Bibel verstehen, zu seinen Zwecken benutzen zn 
können. Da war ihm denn bedenklieh, dass, um die Bibel 
recht begreifen zu können, man sich nicht auf den Urtext be- 
schränken konnte, sondern die jüdischen Commentatoren, die 
Rabbinen, zum Studium mit herbeiziehen musste. Den Rab- 
binen ist nicht zu trauen, das ist ein Satz, der sich durch 
alle seine Erklärungen hindurchzieht. Er meint, sie haben 
die Schrift verdreht und gefälscht, um ihre Träumereien und 
Einbildungen zu erweisen. Er warnt daher vor ihrem Ge- 
brauch, ja er geht so weit, den Juden nur grammatische 
Kenntniss zuzuschreiben und auch diese nur in beschränktem 
Maasse^), Sacherklärung, Yerständniss des wahren Inhalts sei 
bei ihnen nicht zu finden, „ so müssen wir's thun, die Christen 
sind, als die den Verstand Christi haben, ohne wel- 
chen auch di« Kunst der Sprache nichts ist^y^ Schon 



von sich : Denn ob ich mich wol für einen vollkommenen Hebräer nicht hatte, 
so düncket mich doch gäntzlich etc. Walch: Lnthers Werke I, 901. In 
einem handschriftlichen Briefe Lnthers an Capito (die Notiz verdanke ich der 
gütigen Mittheilung des Herrn Notar Karsch in Hombach) prid. Cal. Maias 
1520 schreibt Luther, dass er mit Melanchthon nm hundert Goldgnlden 
hebräisch lerne. 

^) Man kann leichtlich sagen, dass die elt>räische Sprache noch m 
wieder aufgekommen ist, und die Juden nicht wissen können virtutem om- 
nium vocabulorum sicut res ostendit, viel weniger wissen sie vim Phrasis, 
figurarum et idiotismorum. Luthers Werke ed. Walch III, 2865 fg., namenfr 
lieh vgl. auch II, 2246. 

2) Walch XIV, 19. Dafür, dass sich die Grammatik der ErkenntnisB 
der Sachen unterordnen muss, eine bezeichnende Stelle Walch I, 1511 und 
de Wette, Luthers Briefe V, S. 89 — 93. Warnung vor den Rabbinen ent- 
halten, ohne dass ich die Beispiele häufen will, Walch III, 2899, I, 546 ff. 
Wen erinnert nicht der Satz »So sehen wir, dass die Grammatici . . . theo- 
logische Sachen nicht verstehen c an das Wort der Kölner Dunkelmänner: 
Non mirum si Jurista (Reuchlin) non attigerit theologicas subtilitates. 
Stellen gegen die Rabbinen, wie II, 1458 : »Es sind die verruchtesten Leute 
und werden vom Teufel gefangen gehalten und besessen« sind nichts seltenes, 
vgl. I, 2042 das. 1514 u. A. m. Beiläufig bemerke ich, dass der hier und 
im Folgenden zum Ausdruck kommende Hass gegen die Rabbinen ein be- 
wusster oder unbewusster Gegensatz gegen die Reuchlin'schen Ansichten ist. 
Reuchlin sagt (Augenspiegel Fol. XIII b, wo freilich zunächst die Frage zu 
erörtern war, ob die Commentare verbrennenswerthe Bücher seien oder nicht, 



ZQ d«r geistigen und religidsen Bew^vng der Zeit. 7 

die f rttheren Uebersetznngen hielt er AIt verderbt, die 70 Dol- 
ffletscher sind die ^^allerboshaftesten Leute gewesen, die den 
König Ptolemäum Fhiladelphnm nur zum Narren haben woU* 
ten^'; dass sie aaf Eingebung des heiligen Geistes übersetzt 
hätten, will er nicht ^uben ^). Er ist freilich in seiner Kritik 
nicht consequent genug. Bald giebt er den Rabbinen zu, die 
Grammatik spreche zwar für sie, aber „weil sie nicht wissen, 
quid rei, hilfet und fördert sie es ^nichts, dass sie wissen, 
qaid nominis'^ und erklärt es der Sache nach^), bald weist 
er sie nach der Grammatik zurecht. 

Der Grundzug dieser Methode findet sich aber nicht blos 
bei Luther, er ist ein durchgängiger bei der ganzen Theologie 
der Zeit, zunächst natürlich bei den Anhängern Luthers, bei 
den Reformatoren. Ich will in Beziehung auf ihre Stellung 
gegenüber den Babbinen nur auf zwei Punkte aufmerksam 
machen: Johann Forster oder Förster, mit dem wir uns später 
noch werden zu beschäftigen haben, gab 1557 ein hebräisches 
Lexikon heraus, er hielt es für nothwendig hinzuzufügen, nicht 
ans den Erdichtungen der Babbinen, aus den Schätzen der 
heiligen Schrift selbst sei es genommen^), und als einige 
Jahre darauf Yictorinus Strigelius ein in Gutachtenform ge- 
haltenes Urtheil über die Uebersetznngen der Bibel abgab, 
da hielt er die chaldäische f^r geeignet, die Nichtigkeiten der 
Jaden zurückzuweisen; die der Gegenwart angehörenden Ueber- 
setznngen aber, ausser der lutherischen, wie die Münsters u. A., 
die, meinte er, dürften nur von Hebräiscbkundigen benützt 
werden, weil sie oft mehr mit den Conmientarien der Babbinen 



das Gutachten sich aber von dieser besonderen bald zur Beantwortung der 
allgemeinen Frage erhebt): Ich sag auch vnd hab des meinen anseger, dass 
sich unsere doctores und lerer der hailigeu schrift zu verstentnus des texts 
inn der bibel saer und fast sollicher commenten, glosen, und usslegungen 
müssent gebrauchen, wöUent sie vor anfechtung fremds glaubens wol 

besten solUch commentarien kan und mag die christenUch kirch nit 

von banden lassen, dan sie behaltten die hebräische sprach in der ^gen- 
schaft Übung, dero die hailig schrift nit kan mangeln, besunder in alten 
testament. 

1) Walch VI, 1146 ff. 

2) Walch I, 493. 

3) Non ex Babinorum conunentis.. sed ex ipsis thesauris SS. bibliorum 
depromtum. 



3 Yttrhältiiitis des hebräischen SprachstncUoins 

als der Erklärer der wahren Kirche übereinstimmten 0* Aber 
dieser allgemeine Hass gegen die Babbinen ist nicht das 
Grundprincip, er ist nur ein Ansflass des Gedankens, von dem 
man beim Studium der hebräischen Sprache geleitet vmrde, 
des Gedankens, seine Theologie, die man — es würde lächer- 
lich erscheinen, wenn man nicht so gedacht hätte — allein 
für die berechtigte hielt, in der Bibel bestätigt zu finden. Da 
mussten die rabbinischen Gommentare, die ihrerseits die Grand- 
lehren des Judenthums vertheidigen wollten, ein Hindemiss 
bilden, — man stiess sie weg. 

Und wie die Beformatoren, so brauchten auch ihre Gegner 
die hebräische Sprache zur Stütze ihrer Theologie. Eine Bede 
Georg Wicels ist schon erwähnt: sie mag auch in dieser Hin- 
sicht berührt werden. Auch er glaubte aus der heiligen 
Schrift Beweise ftlr die Wahrheit seiner Theologie zu ziehen^ 
aber er warnte vor den täglich neu erstehenden Erklärem 
der Schrift, nur wenn man mit genügender Kenntniss der 
Sprache versehen sei, könne man die Schrift ohne Gefahr 
bei^utzen^). Aber nicht bloss ein rechtes Yerständniss der 
Bibel erschliesse diese neugewonnene hebräische Sprachkennt- 
niss, sie bringe erst die rechte Sicherheit über die Wahrheit 
des christlichen Glaubens hervor. Wie im Allgemeinen, so 
im Besonderen, wie dem Christen überhaupt Beweise ftir sei- 
nen rechten Glauben, so gebe sie dem Prediger in seinen 



1) De yersionibns Bibliomm Jndicimn. 

Chaldaica versio est luculenta paraphrasis textus Ebraici et prodest ad 

refutandas cavillationes recentium Judaeorura Reliquae versiones nt 

D. Münsteri, Castalionis et similes, etsi non sunt contemnendae , tarnen qnia 
interdum magis congrunnt cnm Babbinomm Commentariis quam cum narra- 
tione interpretum verae ecclesiae, magno iudicio et non nisi a peritis linguae 
sanctae legendae sunt. 

Victorinus Strigelius anno 1565, 26. Sept. Lipsiae , angeführt ba 
Olearius, Scrinium antiquarium, Arnstadt 1698, p. 177 sq. 

2) Die Stelle, die, nach einer lobenden Erwähnung des in allen Fächern 
der Wissenschaft sich zeigenden löblichen Eifers, bezeichnend genug mit den 
Worten eingeleitet wird »Theologiae sola friget schola« lautet: Cotidie exo- 
riuntur novi scripturae interpretes quorum quisque pro suae partis commodo 
sacras literas transfert, in quibus lustrandis nisi catus (sie! wahrscheinlich 
cautus) fueris, ilico in errorem praec^ps eas oportet. Si munitus sis huius 
linguae scientia, pergrassari yales absqtie ullo insidiosi serpentis periculo. 



z« der geistigen and religiösen Bewegung der Zeit. t) 

Reden Stütze and Unterlage, mache geschickt zum literari- 
schen Kampfe, namentlich gegen die Juden. Und wer die 
Sprache nicht kenne, Alles müsse er glauben, was ihm auf- 
gedrungen werde. 

Doch kann man nicht sagen, dass in der katholischen 
Partei dieselbe Uebereinstimmung der Ansichten herrschte wie 
in der evangelischen. Wicel gehörte zu denen, die einer Re- 
form der Kirche innerhalb des katholischen Glaubens nicht 
abgeneigt waren, — die strengeren, z. B. Joh. Eck, unterschie- 
den sich von ihnen auch in der Ansicht über das Hebräische. 
Ein Gegner Ecks, Andr. Osiander, hatte bei einer Gelegenheit, 
die wir nicht weiter verfolgen können, behauptet, „Gott habe 
nicht gewollt, das der Juden buecher verbrent wurden der 
Christenheit zu gut, darmit durch hebräische sprach die Chri- 
sten wider zum rechten verstand jhrs glaubens möchten 
kommen'^ Das läugnete Eck, denn da der rechte Verstand 
des Glaubens seiner religiösen Auffassung nach gar nicht ver- 
loren war, so bedurfte es keiner Wiedergewinnung desselben. 
Auch sei die Sprache flir die christliche Kirche keine heilige, 
die Evangelien seien nicht in ihr geschrieben, mit Ausnahme 
des Briefes an die Hebräer und des Evangeliums Matthäi ; die 
Kirchenväter hätten sich der Sprache nicht bedient, und wäh- 
rend es wohl eine lateinische, griechische, indianische, arabi- 
sche, wendische Messe gebe, habe von einer hebräischen 
Messe noch Niemand gehört. Interessant ist aber namentlich, 
wie er das Argument gegen die Reformatoren wendet und 
ihnen, die von dem Werthe der hebräischen Sprache so viel 
redeten, vorwirft, dass sie dieselbe durchaus nicht in der Weise 
pflegten, wie sie es 4ihun müssten, im Gegentheil „allain zu- 
weilen zu einem hoffertigen bracht und unnützen. Spiegel- 
fechten" gebrauchten 2). Der Vorwurf ist freilich ungerecht- 



1) Das im Text Gesagte steht zerstreut an vielen Stellen der Rede, 
eine führe ich an: Non umqnam vidisti Hebraeum aenei muri instar invic- 
tnm stare in conflictu, quoties ad huius linguae praesidium occurrerit? Qui 
posset homo Christianus de Judaeo victoriam reportare, nisi praesidiis sanctae 
linguae? 

2) Die ganze Auseinandersetzung findet sich ziemlich ausführlich in 
Ecks Schrift : Ains Juden buechlins Verlegung. Ingolstat MDXXXXI. P 4 b bis 
Q 2b. 



10 Verh&ltmss des hebräischen SpraGhstadiiims 

fertigt. Das ist zwar richtig, das» die Reformation di« Eennt- 
niss der hebräischen Sprache nicht wieder ins Leben rief. 
Das war früher geschehen: zu dieser schöpferischen Thätig- 
keit hätten die Beformatoren, deren ganzes Streben mehr ein 
den Wissenschaften ab- als zugeneigtes ist, weder Sinn noch 
Zeit gehabt. Aber da das Stadium ihren Zwecken diente, er- 
griffen sie es, und in der theologischen Btthrigkeit, die sich 
in Folge der Beformation in Deutschland entfaltete, wurde 
das Studium ein allgemein verbreitetes. 

Wenn Eck und die strenge katholische Partei, deren 
Haupt er war, in dieser Weise keineswegs die hebräische 
Sprache als heilige ansah, ihr nicht dieselbe Verehrung an- 
gedeihen liess, mit der die Beformatoren sie gepflegt hatten, 
— so zeigt sich diese verschiedene Betrachtungsweise auch 
in etwas Praktischem. Wir haben gesehen, Luther hatte der 
Babbinen Commentare verachtet, aber er übersetzte die Bibel 
nach dem Urtext; Eck^hmte ihm im Ersten nach, aber er 
verdolmetschte die Bibel „wie die gesungen, gelesen, ge- 
braucht und angenummen ist je und je von der haiigen latei- 
nischen kirchen^^, es kümmerte ihn nicht „wie es in Jüdisch, 
Kriechisch oder Ghaldaisch laut^^, denn auch die Juden stimmten 
nicht überein. Auch selbst im Aeusserlichen wollte er sich 
nur der Annahme der Kirche fügen, und die biblischen Namen 
nicht in ihrer hebräischen Fassung: Ghava, Hanah, Cham, 
Galgal, sondern in der lateinischen Form bringen 0. 

Freilich schon vor dem theologischen Kampfe, der seit 
Luthers Auftreten mindestens andeiiihalb Jahrhunderte fast 
vollständig den Geist des deutschen Volkes beherrschte, war 
diese Ansicht aufgetreten, die hebräische Sprache zum Be- 
weise der Wahrheit des Christenthums zu benutzen. Das ist 
freilich keine in Deutschland erstandene Bichtung, sie wurde 
aus Italien hierher verpflanzt. Man grub in den Schätzen des 
Judenthums, man wollte, da man nun der fast verloren ge- 
gangenen Kenntniss der Sprache wieder theilhaftig geworden 
war, auch Alles in sich aufnehmen, was in ihr vorhanden 
war, — so stiess man auf die Kabbalah. 



3) Einleitung in die Bibelübersetzung 1536 abgedruckt bei Wiedeniann: 
Dr. Johann Eck, Regensburg 1865, S. 618. 



za der geistigen und religiösen Bewegung der Zeit. 1 1 

Die Kabbalah^) — das Empfangene — ist die jüdische 
O^heimlehre, die als theoretische in den Worten und Vor- 
schriften der Bibel and des Talmuds einen tieferen als den 
gewöhnlichen Wortsinn zu finden glaubt, als praktische durch 
gewisse Formeln und Kttnste den Menschen Einfluss auf das 
Geisterreich und Gott selbst zuzuschreiben sucht. 

Sie hatte unter den Juden des Mittelalters zwar dem Cha- 
rakter der Zeit gemäss grosse Verehrung erlangt, aber unter 
den wirklich vnssenschaftlich Strebenden wenig Gönner ge- 
funden 

Dagegen wurde sie unter den Christen von Gelehrten er- 
fasst, die ein wirklich tiefer Forschergeist und Wissensdurst 
trieb. Zuerst in Italien von Johann Picus, Grafen von Miran- 
dula *), der in Florenz am Hofe des Lorenz von Medici lebte. 
Picus lernte sie durch einen von Constantinopel nach Italien 
eingewanderten Juden Jochanan Aleman kennen '). Picus hatte 
sich kaum ein wenig mit ihr bekannt gemacht, als er in ihr 
eine Begründung der christlichen Lehre zu erkennen glaubte. 
Er meinte die Dreieinigkeit, die Fleischwerdung des Wortes, 
die Ankunft des Messias, die Erbsünde u. s. w. in ihr wieder- 
zufinden, was Paulus und Dionysius gesagt, was man bei 
Hieronymus und Augustinus lesen könne , werde in allen 
diesen Schriften bestätigt. „Man denkt Plato und Pytbagoras 
zu hören, deren Lehren den christlichen so nahe verwandt 
sind, kurz die Juden können nicht mehr wagen ihre Glaubens- 
sätze als abweichend von den unsrigen darzustellen ^)". Darin 



1) üeber den Ursprung der Kabbalah, der hier nicht untersucht werden 
kann, hat Grätz, Geschichte der Juden Bd. VII, S. 442 — 458, eine ausführ- 
liche Auseinandersetzung gegeben, auf die ich verweise. 

a) geb. 1462, gest. 1494 MCCCCLXXXXIIII anno redemptionis nostrae. 
Dum ipse secundum et trigesimum aetatis annum impleret, Florentiaeque 
moraretnr, insidiosissima correptus est febre. Vita Joh. Pici de Mirandula 
per Jo. Franciscum Galeotti Pici filium vor des Ersteren Werken s. 1. 1504 
a inj b. 

8) 8. die hebräische Quelle bei Grätz a. a. 0. Bd. VIII, S. 254, Anm. 1; 
in der vita Jo. Pici finde ich dies nicht erwähnt. 

*) Vidi in illis (nämlich in den kabbalistischen Büchern) Religionem 
ncm tarn mosaicam quam christianam, Ibi trinitatis mysterium, ibi verbi 
incamatio, ibi messiae divinitates, ibi de peccato originali, de illius per 
Christum expiatione, de celesti Hierusalem , de casu daemonum, de ordinibus 



12 VerhäUniäs des hebräischen Sprachstndioiiui 

sind ihm auch die Späteren nachgefolgt und namentlich haben 
unter den christlichen Gelehrten Deutschlands solche kabba- 
listische Grübeleien Eingang geftmden. 

Durch Picus' Bemühungen war es wohl gelungen, dass 
Papst Sixtus IV. einige kabbalistische Bücher ins Lateinische 
übersetzen lassen wollte, und Picus erzählt, dass drei Bücher 
wirklich übersetzt wurden 0. Und Picus Einfluss ist es ferner 
zuzuschreiben, dass die Kabbalah Eingang in Deutschland 
fand durch Johann Beuchlin. Im Jahre 1494 erschien 
sein Werk: Capnion vel de verbo mirifico. Den Zweck dieser 
später so berühmt gewordenen Schrift gibt er in der Wid- 
mung an Johann von Dalburg , Bischof von Worms , dessen 
Freundschaft er seit lange genoss, und dessen Bibliothek ihm, 
wie früher, so auch bei diesem Werke gute Dienste geleistet 
hatte, mit den Worten an 2): er habe gewagt, auf den Bath 
und die Ermahnung trefSicher Männer gestützt, in die tiefen 
Dunkel der verborgenen Worte einzudringen, die Geheimnisse 
der ältesten Philosophie aufzudecken, und die Namen zu er- 
klären, mit denen Pythagoräer, Juden und Christen ihre hei- 
ligen Gegenstände bezeichneten^). 



angelorum, de purgatoriis, de inferorum poenis. Eadem legi quae apud 
Paulum et Dionysium, apud Hieronymum et Augustinum quotidie legimns. 
In his vero quae spectant ad philosopliiam Pythagoram prorsus audias et 
Platonem quorum decreta ita sunt fidei Christianae affinita, ut Augustinus 
noster immensas deo gratias agat, quod ad eius manus pervenerint libri 
platoiiicorum. In plenum nulla est ferme de re nobis cum Hebraeis con- 
troversia, de qua ex Ubris Cabalistarum ita redargui convincique non pos- 
sint, ut ne angulus quidem reliquus sit in quem se condant. Job. Picus in 
Oratio de hominis dignitate in den Opera J. P. Fol. 90 a. 

1) Hi libri Syxtus quartus Pontifex maxinms qui liunc sub quo vivimus 
foeliciter Innocentium VIII. proxime antecessit, maxima cura studioque curavit 
ut in publicam fidei nostrae utilitatem latinis literis mandarentur. Jamque 
cum ille decessit tres ex illis pervenerant ad latinos a. a. 0. - 

2) Er rühmt seine inennarabilem variarum literarum peritiam, cuios 
testis est bibliotheca illa tua, latinis, graecis et hebraicis voluminibus referta. 
Unus Germanie nostre thesaurus, quo sum uti solitus semper pro animi mei 
sententia. De verbo mirifico a 2 a. 

8) Tantas tenebras et tam obfuscata sacratorum immo secretorum ver- 
borum latibula ingredi, et quasi de adytis oraculorum et vetustissimae philo- 
sophiae penetralibus, exponere nostro saeculo, quantum memoria suppetit, 
uni versa ferme nomine^, quibus superiori aetate sapientes homines et mira- 
culosis operationibus praediti utebantur in sacris, sive pythagorica fueront et 



za der geistigen und religiösen Bewegung der Zeit. 13 

Die äussere Einkleidung der Schrift ist die, dass der 
Gegenstand an drei Tagen durchgesprochen wird, an deren 
jedem einer der Betheiligten das Hauptwort führt: Sidonius, 
ein Philosoph, zuerst flir einen Epikuräer gehalten, von dem 
man später findet, dass er keiner Schule angehört ^), Baruchias, 
ein Jude, und Capnion (die gräcisirte Form des Namens 
Reuchlin). 

Das yerbum mirificum ist, wie Gapnio am dritten Tage 
auseinandersetzt, JHSVH, nichts anders als das alttestament- 
liehe JHVH (d. h. die Consonanten des sog. Tetragrammatons, 
des Gottesnamens Jehovah) mit Hineinsetzung eines S^). 

Ein tieferes Eindringen in die kabbalistischen Ideen und 
eine grössere Durchbildung derselben verrathen die drei Bücher 
über kabbalistische Kunst, Leo X. gewidmet, die erst 1517 
erschienen sind^). 

Die äussere Einkleidung ist die , dass Philolans der Jttn- 
ger^, ein Pythagoräer, Marranus, ein Mahometaner, nach 
Frankfurt kommen, um sich mit dem Juden Simon, einem 
kabbalahkundigen Manne, zu unterreden. Dass Beuchlin sich 
nicht selbst unter den Unterrednern anfllhrt, hat seinen Grund 
sicherlich darin, dass in der Schrift mehrmals, so namentlich 
am Anfang des 2. Buches, auf den Renchlin'schen Streit Rück- 
sicht genommen wird, der damals noch immer an dem päpst- 
lichen Hofe Gegenstand der Verhandlung war, und R. nament- 
lich Philolaus und Marranus sich sehr heftig über die Kölner 



vetustioram philosophornm sacramenta, sive Hebraeorum Chaldaeorumque 
barbara memoracula, seu Christianornm devota supplicia» quae de illorum 
libris atqne lin^is in hoc opere prompta cernere licet, a. a. 0. 

1) Deinde inventus in nullius verba jurasse. a 2 b. 

8) Diese Idee wurde dann bildlich von Reuchlins Drucker Thomas 
Ansbelm Badensis ausgeführt, der von nun an über seinem Druckerzeichen 
in einigen Benchlinschen Schriften die Buchstaben JHVH mit dem hinein 
verschlungenen S führte. 

8) Joannis Reuchlin Phorcensis" LL. Doc. De arte cabbalistica libri tres 
Leon! X dicati. Am Schluss: Hagenau apud Thomam Anshelmum. Mense 
Martio MDXVII. Ich möchte nur beiläufig hier auf einen Umstand aufmerk- 
sam machen : Das Werk de verbo mirifico hat 3 Theile, 3 sich unterredende 
Personen, 3 Tage, an denen der Gegenstand durchgesprochen wird ; ganz die- 
selbe Gliederung hat de arte cabbalistica, die Budimenta hebraica zerfallen 
ebenfalls in 3 Bucher. Sollte hierin nicht auch eine Art Zahlenspielerei, der 
B. eine tiefere Bedeutung unterachob, gesucht werden? 



14 Verh&ltnia» des hebr&ischeii Spraclistiidianif 

und ihre Schlechtigkeit aussprechen lässt. Freilich ist, seiner 
ganzen Gesinnung nach, in dem Philolaus Reuchlin unschwer 
zu erkennen. 

Bleiben wir einen Augenblick stehen : Man sollte meinen, 
die beiden Riehtungen, die wir unterschieden haben, wären 
so entgegengesetzt gewesen, dass sie nur in verschiedenen 
Personen zum Ausdruck hätten gelangen können. Auf der einen 
Seite die tiefe Ehrfurcht vor der hebräischen Sprache , ihrem 
Alterthum, ja selbst dem Volke, das die alten Schätze ge- 
wahrt hatte; auf der anderen bittere Erregung gegen das 
letztere, als Veruntreuer ihres Gutes, Benutzen der gewönne* 
nen Kenntniss recht eigentlich gegen die Juden , um die 
Wahrheit des eigenen Glaubens zu beweisen. 

Und doch waren sie vereint. Es ist eben bemerkt wor- 
den, wie Beuchlin in seiner Kabbalistik einen Juden Simon 
als Redenden einführt. Da ist denn lehrreich zu sehen , in 
welcher Weise von ihm gesprochen wird. Seine Gelehrsam- 
keit wird gerühmt, die tief und gründlich, nicht blendend und 
glitzernd, zwar der farbenreichen Blüthen entbehrt, aber durch 
Früchte ergötzt Die ganze Nacht hätte ich bei ihm sein 
können, sagt einer der Fremden, so gross war mein Wunsch 
ihn zu hören, sein Antlitz zu sehen, und da muss der un- 
glückliche Sabbath dazwischen kommen. Das allein erschien 
ihnen störend, sonst gefiel ihnen Alles an diesem Manne. Und 
ein solcher Mann, gute Götter, ist ein Jude, von Juden ge- 
boren, ernährt, erzogen und unterrichtet, von einem Volke, 
das von allen Andern für barbarisch, abergläubisch, niedrig, 
verworfen upd fem von dem Glänze aller Wissenschaften ge- 
halten wird*). 

Kann es uns da wundem, wenn bei diesem Stande der 
Dinge die Gegner der wissenschaftlichen Richtung, die sich 
mit Eifer dem hebräischen Studium zuwendete, oder die per- 
sönlichen Feinde irgend eines Mannes, der sich mit dieser 



1) Die letzte Stelle zn Anfang des 2. Buches lautet: Dii boni, homo Ju- 
daeus, ex Judaeis ortus, alitus, educatus et edoctus, quae natio ubique gen- 
tium barbara, superstitiosa , vilis, abiecta et a splendore omnium bonarum 
artium aliena est habita. Näher auf das Verhältniss der damaligen Gelehrten 
zu den Juden einzugehen ist hier nicht der Ort. 



zu der geistigeH end religiöfieB Bewegung der Zeit. 15 

Sprache besebäftigte, ihn, am ihm empfindlichen Schaden oder 
EränkoDg zaznfügen, des Jadaisirens beschuldigten, wie der 
beliebte Aosdrack lautete? Man hat gesagt, und Reuchlin 
hat es selbst gelegentlich einmal ausgesprochen^), dass der 
ganze so berühmt gewordene Streit mit den Kölnern von 
letzteren nur angefangen wurde, weil man in dem durch 
Beuchlin angeregten und hauptsächlieb vertretenen hebräischen 
Studium eine Gefahr für sich erblickte. Mag auch die Ansicht 
sieh nicht beweisen lassen: manchmal schien es wirklich, als 
wenn die Geister in einer ähnlichen Strömung sich bewegen 
wollten. Es war nichts Seltenes, dass den Vertretern des 
Studiums der Vorwurf entgegengeworfen wurde, sie seien 
Juden der Gesinnung nach^); ja mau verstieg sich bei vielen, 
die ihre christliche Abstammung gut beweisen mochten , so 
weit, sie getaufte Juden zu schelten! Und doch, das Studium 
ging nicht unter, es wurde mit grösserem Eifer immer be- 
trieben. Denn eben, um in das Verfahren des Mittelalters 
hinein zu gerathen, die Sprache zu vernachlässigen, weil man 
das Volk nicht achtete, davor schützte einmal das Bedürfniss 
der Philosophen und Theologen und — was ich nicht gering 
anschlage — die Wissenschaftlichkeit des Zeitalters, das Wehen 
einer neuen Zeit, die sich überall ankündigte, auch hier. 

Ehe wir die einzelnen Personen betrachten, denen das 
Verdienst einer Neubelebung und allmählichen Ausbreitung 
des hebräischen Studiums gebührt, und ihre Leistungen, soll 
noch eine Bemerkung gemacht werden. Sie hängt mit einer 
obigen zusammen. Aus Hass gegen die Juden hatte man 



1) Doch sagt er freilich: Forte inter alia quod rae viderent hac aetate 
in Germaniam semina hebraicarum literaram . . . iecisse. Brief an Jacob Faber 
31. Ang, 1513. 

*) Die stärkste Aeussemng dieser Art erzählt Conrad v. Heresbach von 
einem Mönche: es will noch eine andere Sprache (neben der griechischen) 
anfkommen, die hebräische ; wer diese lernt, wird sicher ein Jude. Angeführt 
bei SdiÄurrer: Biogr. u. lit. Nachr. von den Lehrern d. hebr. Lit. in Tübin- 
gen, 8. 1. — Als eine Gefahr für den Eatholicismns betrachtet es später der 
Jesuit Gretser, der meinte: Ingolstadt sei dreimal in Gefahr gewesen den 
alten Glauben zu verlieren, 1) als man den Erasmus berief, 2) als Beuch- 
lin dort die alten Sprachen lehrte, 3) als man Melanchthon hinziehen 
wollte. Vgl. Heuser: Johann Eck in Dieringer: Katholische Zeitschrift für 
Wissenschaft und Kunst. 1846, I, S. 97. Anm. 1. 



16 Veriyiltniss des hebräischen Sprftchstiidiiiins 

frttber eine Beschäftigung mit ihrer Sprache yerachtet: jelast 
war man anderer Ansicht geworden; schon des Unterrichts 
der Juden sich zu bedienen schien verderblich : auch in dieser 
Beziehung war jetzt ein Fortschritt erkennbar^). Freilieh, es 
gab nicht allzuviel Juden in Deutschland. Die Verfolgungen, 
die bis in das sechszehnte Jahrhundert hinein daaerten, hatten 
gründlich unter ihnen aufgeräumt: nur in einzelnen Städten 
gab es noch grosse Gemeinden. Die, die sonst sich fanden, 
waren, wie Keuchlin klagt, theils unwissend, theils meinten sie 
es sei ein thalmudisches Verbot Christen zu unterrichten ^). Und 
dann, wenn auch unter den Christen die Abneigung von früher 
nicht mehr vorhanden war von den Juden zu lernen, allzn- 
bereitwillig that man es auch nicht, und als Beuchlin seine 
Grammatik schrieb, da konnte er in der Vorrede, in der er 
seinen Bruder zum Studium der Sprache ermunterte, mit Recht 
sagen: er solle es schon deshalb lernen, weil die jungen 
christlichen Theologei^ es nicht so gern von Juden, als von 
ihnen beiden, empfangen wollten*). 

Erschwerte so die Seltenheit der Lehrer das Studium, 
so waren auch anfangs die Lehrmittel von grosser Seltenheit. 
Die erste Bibel wurde bekanntlich erst 1488 gedruckt, und 



1) Die einzelnen Beispiele, wo Christen von Juden im Hebräischen 
unterrichtet wurden, werden an passendem Orte erwähnt werden. 

2) Reuchlin, Vorrede des 3. Buches der Eudimenta hebraica an seinen 
Bruder Dionysius: er habe ihn griechisch lernen lassen, nun nolui etiam 
huic decori tuo deesse, quin Hebraica nunc sacerdos addisceres, praesertim 
cum nostrates Judaei vel invidia, yel imperitia ducti Christianum neminem 
in eorum lingua erudire velint idque recusant cuiusdam Rabi Ami auctori- 
täte, qui in Thalmud ita dixit: Non explanantur verba legis cuiquam gen- 
tili eo quod scriptum est: qui adnuntiat verba sua Jacob, praecepta sua et 
iudicia sua Israel, non fecit similiter omni genti. 

8) Reuchlin sagt: Recte vero speraverim quoslibet religionis Christianae 
studiosos non tam libenter a JudaeiS quam abs te sacerdote et a memet 
ipso ista suscipere Eudimenta hebraica. Sehr begreiflich ist, dass, da man 
der Juden als Lehrer sich nicht gern bediente, und geborene Christen, die 
man als Lehrer hätte gebrauchen können, kaum vorhanden waren, man sich 
an die getauften Juden wandte. Als der Abt Leonhard im Klöster Otten- 
beuren einen hebr. Lehrer für seine Klostergenossen von Beuchlin verlangte, 
bat er gradezu um einen getauften Juden (8. Oct. 1508) : si quenquam noveris 
Hebraeorum fönte baptismatis renatum qui hanc provinciam subiret me per 
litteras certiorem reddas (Schelhom, Amoenitates historiae ecclesiasticae et 
literariae, Prankfurt 1738, p. 594). 



za der geistigen und religioaen Bewegung der Zeit. 17 

und es dauerte noch einige Jahre, bis sie nach Deutschland 
kam. £euchlin hatte seinen Bruder Dionysius nach Italien 
gesendet, um Griechisch zu lernen (1491). Johannes Streler, 
der* ihn begleitete, gab sich Mühe, eine Bibel für Beuchlin zu er- 
langen. Nachdem er Anfangs sein Suchen gar nicht belohnt sah, 
fand er eine unvollständige Bibel, die er nicht kaufen mochte; 
nach Neapel wandte er sich, um Erkundigungen einzuziehen, 
denn andere gedruckte Exemplare gebe es nicht ^). Als Conrad 
Pellikan im Jahre 1500 eine in Italien gedruckte hebräische 
Bibel zu Gesicht bekam, betrachtete er es flir ein grosses 
Glück 2), und noch fast 10 Jahre später, als Nikolaus Eilen- 
bog, ein Freund Reuchlins, auf dessen Antrieb Hebräisch 
lernte, wurde eine hebräische Bibel, die er zumBehufe seines 
Studiums von Conrad Peutinger lieh, wie eine grosse Kost- 
barkeit angesehen und demgemäss behandelt'). 

Aber schon am Anfang des Jahrhunderts fing es an anders 
zu werden. Thomas Anshelm zu Pforzheim, dann zu Tübingen, 
dann zu Hagenau, der Drucker der Reuchlin'schen Werke, 
hatte recht gute hebräische Typen. Blieb er auch einige Jahre 
vereinzelt, allmählich fanden sich Nachfolger, und wenn merk- 
würdigerweise noch in der 1518 erschienenen hebräischen 
Grammatik Böschensteins für die hebräischen Stellen ein leerer 
Raum gelassen und dieselben später mit der Hand ausgeMlt 



1) Streler an Reuchlin (1491) Epp. ill. vir. a 4b : BibHam hebraicam 
bactenus habere non possnm. (Anfang 1492) a. a. 0. E a.: Nullam adhuc 
possam habere bibliam hebraicam , nisi miam quae est Bononiae , quae tarnen 
caret aliquot quatemionibus, quam coemere nolo. Si tarnen posthac ad nos 
adveherentur aliqua, satisfacerem voluntati tuae. (29. Juni 1492) a 4b sq.: 
De Biblia hebraica ero certior, cum Holtzhuser venerit ex regno Neapolitano, 
alia non sunt impressa. 

2) Schnurrer a. a. 0. S. 3. 

3) Die Briefe, in denen darüber verhandelt wird, stehen als Anhang 
zu Peutingers Sermones convivales, hgg. von Zapf. Augsburg 1789. Der- 
selbe Nikolaus Eilenbog suchte noch im J. 1512 vergeblich eine griechische 
Bibel zu kaufen und wandte sich an Beuchlin: Yelim itaque ut siquam 
venalem noveris, Hteris me certiorem reddas. Epp. ill. vir. h 4. Da mag 
freilich mit in Anschlag gebracht werden, dass Eilenbog in Ottenbeuren, 
fem vom Büchermarkte, lebte. Schon vorher hatte sich sein Abt Leonhard 
in derselben Angelegenheit an Beuchlin gewandt. S. d. o. S. 16, A. 3, an- 
geführte Stelle. 

^ Geiger, Studium. 2 



18 Die Torgänger Beaclklüu. 

sind, so hat schon Förstemann *) bemerkt, dass in einer Rede 
Melanchthons , die ,vor der Grammatik in derselben Offizin ge- 
druckt wurde, sich hebräische Typen finden. Bald war es 
allgemein, und Vicel meint, jetzt seit der Erfindung der Buch- 
druckerkunst sei es ein leichtes auch hebräische Bücher 
überallhin zu verbreiten^). 

So war denn Alles vorhanden: die Sprache war — wir 
dürfen den Ausdruck gebrauchen — wieder entdeckt, das 
Bedürfniss war da, die wiedergewonnene Kenntniss zu erhalten 
und weiter zu entwickeln, Lehrer fanden sich und Lehrmittel 
wul-den in genügender Anzahl geboten und Schüler strömten 
in gi^osser Anzahl hinzu, um das Gebotene sich anzueignen. 



IL 

Die Vorgänger Reuchlins. 

Die ersten Anfänge sind freilich ziemlich unbedeutend: 
ich kann nur einige Namen nennen, ohne glänzende Leistungen 



1) Corpus Reformatorum ed. Bretschneider, I, col. 54, Anm. ** Der 
Drucker war Johann Grünberg in Wittenberg, der übrigens auch nicht lange 
vereinzelt blieb. Schon im folgenden Jahre meldete sich Melchior Lotter als 
Drucker nach Wittenberg, und sein Gesuch wurde von Andreas Carlstadt 
bei Spalatin, dem vielvermögenden Rathe des Churfürsten von Sachsen, unter- 
stützt, denn gloriam Wittenbergi futuram maiorem, si tam Graeca quam 
Hebraica imprimerentur. Der Brief findet sich bei J. G. Olearius : Scrinium 
antiquarium, Jena u. Arnstadt 1698, p. 49. Ob gleich damals dem Gesuch 
willfahrt ist, weiss ich nicht, jedenfalls finden wir nicht lange später den 
Lotter in Wittenberg. — Dass die hebräischen Drucke in Italien früher sind 
als die deutschen, ist aus oben S. 17, Anm. 1 zu entnehmen. Vgl. übrigens 
die genaue Nachweisung für die hebräischen Drucke bei de Rossi Annales 
hebraeo - typogräphici saec. XV. Der berühmte Drucker Aldus Manutius scheint 
keinerlei hebräische Drucke aus seiner Officin hervorgebracht zu haben; wenig- 
stens schreibt er nach Aufzählung einer Anzahl lateinischer und griechischer 
Schriftsteller, die bei ihm erschienen waren, an Reuchün: De hebraids non 
est Impressum quicquam (Venetiis 18. Aug. 1502), Epp. clar. vir. g 8b und 
unter der Aufzählung seiner berühmten Verlagswerke finde ich kein hebräi- 
sches. Vgl. Metz, Geschichte des Buchhandels, Darmstadt 1835, I, S. 281£ 

2) Die Früheren quin et librorum Hebraicorum copia caruerunt, non- 
dum videlicet reperta chalcogr^phiae arte , qua levi negotio plurimi libri cir- 
cumquaque diffunduntur. 



Die Vorgänger Bendüins. 19 

anzuführen, Namen von Männern, die man daher weniger ihrer 
Werke wegen, als um der Priorität willen als Vorgänger 
Reuchlins wird bezeichnen können. 

In Tübingen wird zuerst von Hebräisehkundigen berichtet^ 
die beiden Theologen Conrad Summenhart und Paul 
Scriptoris als solche bezeichnet, beide in ihrer Art treffliche 
Männer, von grosser Gelehrsamkeit, beide Theologen, aber Feinde 
der Scholastik , die sie , namentlich der letztere , mit unermüd- 
lichem Eifer bekämpften. Der erstere erzählt, dass er selbst 
mit mehreren anderen in Tübingen von einem Wilhelm Ray- 
mundi, Professor der JTheologie, einem in der lateinischen, 
griechischen, hebräischen, ja sogar chaldäischen und arabischen 
Sprache sehr bewanderten Mann, Unterricht in der hebräischen 
Sprache erhalten habe^). Aber beide haben die gewonnene 
Kenntniss nicht allzusehr zu verwerthen gewusst, wenigstens 
ist kein schriftliches Denkmal, worin sie dieselbe gezeigt 
hätten , auf uns gekommen , und sei es durch die Ungunst der 
Zeiten , sei es durch ihre Unlust oder Unföhigkeit zu erklären, 
sie haben keine Schüler ausgestellt, die ihren Namen flir die 
Zukunft bekannt machen könnten. 

Das muss nur ein wenig beschränkt werden, denn von 
einem wird allerdings berichtet, er habe, wenn auch nicht 
gradezu ihren Unterricht, so doch von ihnen Anleitung und 
Ermunterung empfangen. Hebräisch zu studiren: von Conrad 
Pellikan^). Es ist interessant, wie dieser dem geistlichen 
Stande angehörige Mann , der später in wissenschaftlicher und 
religiöser Beziehung eine nicht unbedeutende Rolle spielte — 



1) Schnurrer, Nachrichten von den Lehrern der hebräischen Lite- 
ratur in Tübingen . S. 2. Als erster Besitzer einer hebräischen Biblio- 
thek wird Johannes Behaini (Vater des Lorenz Behaim, Freund Reuch- 
lins und Pirckheimers) erwähnt, a. 1490 Joannes Beham ülmensis, primus 
omnium in Germania Hebr. Lexicon et libros aliquot Grammaticos a Judaeis 
comparavit , quibus Capnioni , Pellicano et aliis profuit. M. Crusius Annales 
Suevici (1595) pars III, lib. IX, cap. III, p. 489. Doch bemerke ich, dass 
bereits 1494 Reuchlin Dalburgs grossartige Bibliothek auch für's Hebräische 
rühmt, s. o. S. 12, Anm. 2. 

2) Das sagt er selbst in der Vorrede zu seiner Bibel, wo er von Sum- 
menhart sagt: quo nihil praestantius habuit ordo Minorum, den Scriptoris 
als Theologorum decus et Tubingensis scholae tunc columen bezeichnet, vgl. 
Crusius a. a. 0. p. 513. 



20 IHe Torginger Benchlins. 

er war ein Freund Zwingiis und anch Anhänger seiner reli- 
giösen Richtung — ^ danach strebte, sich eine Kenntniss der 
hebräischen Sprache zu verschaffen. Aller Hülfsmittel beraubt, 
ist das erste, was ihm in die Hand fallt (1499), ein Gommentar 
des Nikolaus de Lyra zu einigen Schriften des alten Testa- 
ments. Die hebräischen Wörter, die vorkommen , sucht er ver- 
mittelst der gegebenen lateinischen Uebersetzung zu verstehen, 
die einzelnen Buchstaben sich einzuprägen, so andere Worte, 
in denen sie wieder vorkommen, sich zusammen zu setzen. 
So geht er schrittweise weiter, mit unsäglicher Mtihe verschafft 
er sich eine gewisse Geläufigkeit im Lesen, erkennt, zum Theil 
durch Errathen, die Bedeutung der Worte, und hält sich ftlr 
vorbereitet genug im folgenden Jahre, nachdem er auch eine 
hebräische Bibel erlangt hatte, sich eine kleine Grammatik 
und ein Wörterbuch zusammenzustellen, freilich einstweilen 
nur zum Privatgebrauch, die indess bei seinen Freunden in 
zahlreichen Abschriften circuliren. Wie es aber mit seinen 
grammatikalischen Kenntnissen ausgeseäen haben mag, geht 
daraus hervor, dass er sich gar nicht erklären konnte, wieso 
im Hebräischen die Yerba so selten in der ersten Form des 
Präsens erschienen, die er ftlr die Grundform hielt. Beuehlin, 
den er 1500 Gelegenheit zu befragen hatte, klärte ihn erst 
auf, dass dies gar nicht die Grundform sei. 

So ist er nicht ganz unter die Vorgänger Beuchlins zu 
rechnen, da er auch sonst, wie es scheint, Belehrung von 
diesem suchte, wenigstens empfiehlt ihn Jodocus Gallus^an 
Beuehlin , er bittet diesen , ihn im Hebräischen zu unterrichten 
— liegt in dem Wunsch, den er beifügt, es wäre ihm lieber, 
wenn er im Griechischen seine Unterweisung begehrte, eine 
Spur von der Missachtung gegen die Sprache der Juden*)? 
Doch mag er unter diesen ersten Kennern seinen Platz finden, 
weil er von Anfang an seinen eignen Weg ging, und er der 
Erste unter den Deutschen war, der ein kleines Schriftchen 



1) Jodocus Gallus Rubeaquensis (Ruffach, aus demselben Orte, aus dem 
auch Pellikan stammte und in dem er lange Zeit die Stelle eines Guardiais 
verwaltete) an Reuchlin, 28. Febr. 1501 : Conradam meum Pellicanum ut 
facis foveas oro sive hebraeas seu quod malo graecas literas ex te discere 
cupiat. (Epp. ill. vir. e üb sq.) 



Die Yorg&nger Benchlins 21 

ttber dasVerständniss der hebräischen Sprache veröffentlichte *). 
Für Eeuchlin, dem er doch nur Rath und Unterstützung, nicht 
vollen Unterricht und Einführung in das neue Studiengebiet 
verdankte, bewahrte er eine rührende Zuneigung. Er besuchte 
ihn während seiner letzten Krankheit im Bade Liebenzeil, und 
als Reuchlin gestorben war, da geschah es auf Pellikans 
Veranlassung, dass Erasmus seine bekannte Apotheose schrieb*). 

Weiter zurück als Pellikan-, der uns schon an die Grenz- 
scheide des 15. und 16. Jahrhunderts versetzt hat,- flihrt uns 
Sebastian Murrho aus Golmar, ein Schüler Dringenbergs 
in Schlettstadt, ein Freund Wimphelings und Beuchlins, dessen 
Kenntniss des Hebräischen uns gerühmt wird, ohne dass wir 
viel mehr als das Zeugniss der Zeitgenossen darüber besässen 3), 
führen uns zwei andere Männer, deren Namen bekannter sind: 
Johann Wessel und Budolf Agrikola. 

Agrikola ist einer der ausgezeichnetsten Humanisten ; seine 
Hauptbedeutung liegt in der Verbreitung der Kenntniss der 
griechischen Sprache, die er sich angelegen sein liess, in der 
Begeisterung, mit der er das classische Alterthum und dessen 
Schätze betrachtete, in der vielfachen Anregung, die er als 
Lehrer für alle Wissenszweige seinen Schülern zu geben ver- 
stand. Seine Kenntniss des Hebräischen war wohl nicht sehr 
gross, er hatte es ziemlich jung von Wessel gelernt; in seinen 
letzten Lebensjahren war er darauf gekommen, die fast ver- 
gessenen Studien wieder vorzunehmen. Verstehe ich seine 
Worte richtig, mit denen er diesen Entschluss an Reuchlin 



1) 1503 erschien von ihm De modo legendi et intelligendi Hebraea. 
Das Vorhergehende im Text stützt sich zum Theil auf Schnurrer a. a. 0. 
S. 3 ff. Seine späteren Leistungen werden weiter unten gewürdigt werden. — 
Trotz der Priorität seiner Leistung ist man doch gewohnt, Reuchlin und 
seinem Werke seiner Bedeutung wegen den ersten Rang einzuräumen. Schon 
Sebastian Münster, der, wie er selbst erzählt, ein Schüler Pellikans war, 
stellt es so dar in seiner Vorrede zum Opus grammaticum consummatum. 

8) Diese Nachricht giebt Pellikan selbst in seinem Chron. Msc. zum 
Jahre 1523, das ich sonst nicht kenne, diese Stelle nur aus S. Hess; Eras- 
mus von Rotterdam , Zürich 1790, I, S. 215, weiss : Inveni in Thermis Cel- 
lensibus prope Hirsaugiam sese lavantem infirmum D. Joannem Reuchlin . . 
enm ultimo vidi, nam statim diem obiit supremum . . Rediens autem Basileam 
et Erasmo narrans de obitu et colloquio, occasionem praestiti coUoquio illi: 
De apotheosi Reuchlini. 

8) Vgl. unten S. 25 und Anm. 1. 



22 Die Vorgänger BeacUuis. 

mittheilt und motivirt, so suchte er in dieser Kenntniss etwas 
Positives, das ihm bisher abging und dessen Mangel er er- 
kannte i). So wollte er denn die Tage seines Alters, wie er 
sich ausdrückt, obgleich er damals in den besten Jahren stand 
— freilich ereilte ihn kaum zwei Jahre darauf der Tod — der 
heiligen Sprache widmen und mit ihrem Studium das eifrige 
Lesen der göttlichen Gebote verbinden 2). 

Wir haben schon früher die Vermischung der Theologie 
und des hebräischen Sprachstudiums bemerkt, und war es bei 
Agrikola freier Mannesentschluss , dass er, die Gebiete seines 
Studiums fast ganz umändernd, sich dieser Richtung zuwandte, 
so war es bei Johann Wessel durch die von Jugend an 
feste Gestaltung seines Strebens bestimmt. Er ist einer der 
Bedeutendsten von den vielen geisteskräftigen Männern in 
Deutschland, die man sich gewöhnt hat als Vorläufer der Refor- 
mation zu bezeichnen. Die Befreiung aus den Fesseln der 
Scholastik im Leben und Glauben ist zum grossen Theile sein 
Verdienst, und wenn er auch vielfach noch in mystisches 
Sinnen sich vertieft, so ist seine ganze Auflfassung der Reli- 
gion eine freie und befreiende ^). — Seine wissenschaftlichen 
Kenntnisse waren viel umfassend , wenn sie auch vielfach ab- 



1) Der Brief (Nov. 1483) findet sieh Epp. iU. vir. i 3b sq. Der Anfang 
der zur Mittheilung etwas zu langen Stelle lautet : At ego qui mihi sterilem 
hanc arenam excolendam sumpsi nisi aliquid amplius quam vulgus solet coner 
quid erit quo a segniciae nomine haec mea studia defendam.... 

2) üeher Agrikola will ich eine Bemerkung des Paulus Jovius mit- 
theilen, nicht etwa, weil ich glaube, dass das in ihr Berichtete als wahr anzu- 
nehmen sei, sondern um an diesem Beispiele die Art der unter den Huma- 
nisten gebräuchlichen Lobpreisungen zu zeigen: Hausisti enim Hebraicas 
Graecasque literas usque adeo stupenda celeritate, ut nequaquam Groningiae 
in ultima Frisia, sed Hierosolymis Athenisque natus ac educatus a doctissimis 
crederere. (Erasmi Opera ed. Lugd. Bat. 1703 vol. I, col. 868.) Als Schüler 
des Agrikola im Hebräischen wird Celtis genannt in der zeitgenössischen von 
der societas literaria Ehenana herausgegebenen vita C. Celtis: Motus fama.... 
R. A. Heidelbergam adiit, ibique oratoriam et poeticam cum linguae graecae 
et hebraicae praegustamentis hausit. Von der besonderen Kenntniss Celtis' 
im Hebräischen ist nichts bekannt; in seiner Schrift De situ.. Norimbergae 
kommen einige hebräische Worte vor, ich erinnere mich nicht mehr, in 
welchem Zusammenhange. 

8) Eine ausführliche Biographie hat Ullmann gegeben: Reformatoren 
vor der Reformation (Hamburg 1842) II, S. 285—685. 



Johannes Benchlin. ^3 

hängig waren von seiner theologischen Richtung: ihr verdankt 
er auch die Kenntniss des Hebräischen. Ob er es während 
seiner Studienzeit in Heidelberg von Mönchen gelernt, die eine. 
Zeit lang im Morgenlande sich aufgehalten hatten, wie sein 
ältester fast zeitgenössischer Biograph berichtet ^), oder ob er 
es von getauften Juden gelernt, wie Spätere wollen, bleibt 
ungewiss. Schriftliche Denkmale seiner Beschäftigung mit 
dieser Sprache hat er nicht hinterlassen ; den Budolf Agrikola 
hat er darin unterrichtet, vielleicht auch Andere ^), 



m. 

Johannes Reuchlin. 

Schon in dem vorigen Abschnitt ist uns der Name Beuch-, 
lins an vielen Stellen begegnet. Die Erweckung des hebräi- 
schen Sprachstudiums und die ersten Schritte zu der Ausbildung 
desselben sind zu eng mit ihm verknüpft, als dass nicht bei 
jedem Schritt, den man thut, eine Spur von ihm sich zeigte. 
Bei dieser Lage der Dinge muss es gestattet sein über alle 
Fragen, die über Beuchlins Studien in dieser Sprache Licht 
verbreiten, sich klar zu werden und Untersuchungen zu führen, 
die an sich höchst geringfügig erscheinen, eine gewisse Be- 
deutung nur durch das Ziel erlangen, zu dessen Erreichung 
auch sie hinstreben. 

Die Frage nach Beuchlins Lehrern soll zuerst ihre Erle- 
digung finden. Die früher oft vorgetragene Behauptung, Johann 
Wessel sei sein Lehrer gewesen, hoflfe ich an anderen Orten 
genügend zurückgewiesen zu haben; Agrikola sagt gradezu, 
Wessel habe ihn von diesem Studium abgeschreckt^). Aus 
diesen Worten muss man allerdings noch ein zweites entneh- 



1) Hardenberg: a monachis qui viierantin transmarinis regionibus, an- 
geführt bei Ullmann S. 314, Anm. 4. 

2) Ueber Wessel und Reuchlin vgl. das Folgende. 

3) vgl. meine Abhandlung : Ueber Melanchtlions Oratio . . . Frankfurt 
1868. S. 47 . . . 52, unsere Stelle S. 50, Anm. 2. 



24 Johannes Benchlin. 

m 

I 

men, dass Beuchlin schon in den ersten Jahren seines Studiums^) 
Lust zu der Sprache gehabt hat, deren Erforschung er öidi 
in seinem späteren Leben fast ausschliesslich hingab. Und, 
wenn ich auch Mher nicht geneigt war dieses anzunehmen, 
ein Selbststudium Eeuchlins in' dieser Sprache muss behauptet, 
selbst eine gewisse Stufe, zu der Beuchlin durch eisernen 
Fleiss sich emporarbeitete, muss angenommen werden. Denn 
so sehr man auch die Worte beschränken will, mit denen 
Agrikola bereits im Jahre 1483 Reuchlins Kenntnisse im Hebräi- 
schen preist — und dass die Beschränkung gestattet ist, wird 
Jeder, dem die Art und Weise der Humanisten, bei ihren 
Lobsprüchen aus einer Mücke einen Elephanten zu machen, 
bekannt ist, zugeben — so viel wird immer übrig bleiben, 
dass Beuchlins Beschäftigung mit der hebräischen Sprache 
bereits für den Anfang der achtziger Jahre feststeht^). Denn 
weiter dürfen wir nicht zurückgehen, man darf als sicher an- 
nehmen, dass es auf den Universitäten von ihm nicht in den 
Bereich seiner Studien gezogen wurde. Grade für diese Zeit 
hat er so genaue und zuverlässige Berichte über die Gregen- 
stände seiner wissenschaftlichen Beschäftigung hinterlassen, 
dass er, falls das Hebräische damals dazu gehört hätte, gewiss 
nicht davon geschwiegen haben würde. Für die achtziger 



1) Denn er war zu Paris (nnd nur hier allein kann das persönliche, 
später, so weit man sieht, nicht fortgesetzte Znsammentrefifen mit Wessel 
stattgehabt haben, vgl. meine Abhandlung S. 47, Anm. 3), wo er sich 1473/74 
nnd 1477/78 aufhielt, 18 resp. 22 Jahre alt. 

2) Die Stelle Agrikolas lautet: Quin tu quoque, qui contraria 
sentis, nescio an acerrimis me facibus extimules, turpe namque fuerit mihi 
vel nolle id vel non posse percipere in hoc studiorum ocio, quod tu tantis 
tanque diversis districtus studiis discere potuisti. Sie folgt gleich nach den 
oben S. 22, A: 1, angezogenen Worten. Was die Worte: tu quoque, qui con- 
traria sentis, bedeuten , ist nicht ganz klar. Sie können dem Wortsinn nach 
bezeichnen, dass B. der Meinung Agrikolas, es sei für ihn gut und noth- 
wendig die hebräische Sprache und biblische Studien zu betreiben, nicht 
beistimme; aber das würde zu Reuchlins Denkart, wie sie uns wenigstens 
bald darauf bestimmt genug entgegentritt, nicht passen. Mir scheinen die 
Worte mehr darauf hinzuweisen, dass R. von der Einwirkung Wessels auf 
Agr.'s erwachende Neigungen nicht überzeugt war; er hatte selbst keine 
Anregung, im Gegentheil Zurückweisung von ihm erfahren: was Wunder, 
dass er glauben mochte , W. habe sich A. gegenüber in derselben ablehnen- 
den Weise verhalten. 



Johannes Benchlin. 25 

Jahre aber liegt noch ein anderes Anzeichen vor^ ans dem 
eine Stütze meiner obigen Behanptnng gezogen werden kann, 
dass Reuchlins Streben nach der Erlefrnung der hebräischen 
Sprache ein grosses , der Grad seiner Kenntniss aber in dieser 
Zeit nur ein geringer gewesen sein kann. An Sebastian Murrho 
hatte sich Keuchlin im Jahre 1487 gewandt, er möge ihm einen 
Pentateuch zu verschaffen suchen, aber in Uebersetzung. Viel- 
leicht wollte Keuchlin — das sei allerdings nur als Vermuthung 
hingestellt — sich das Verständniss des hebräischen Textes 
(den er handschriftlich besass?) dadurch aneignen. Aber 
Murrho konnte seinem Wunsche nicht entsprechen, er besass 
nur das 2. Buch Mose und gab ihm Nachricht davon, um seine 
Sehnsucht nach Moseö zu steigern ^). 

Aber alles dies sind Anßlnge und mussten solche bleiben, 
denn es fehlte Keuchlin das, was er später so vielen nament- 
lich im Hebräischen geworden ist: ein Lehrer 2). Und diesen 



1) Das im Text Gesagte kann ich nicht als sicher hinstellen. Der Brief 
Renchlins fehlt uns, der Brief Murrhos ist an sich nicht ganz verständlich. 
Die Stelle (ßpp. ill. vir. h 4) lautet: Moysen.. ad te missum, uti 
desyderas et quidem flagranter fecissem, si totus apud me 
interpretatus foret, sed quum solum Exodum haheam . . . Curabo optime 
Doctor, ut brevi Moyses neque tibi neque mihi desit. Partem libri tabellario 
hnic ostendi non quod me fingere putes, sed ut desyderium tuum in Moysen 
cre;3cere faciam. Diese handschriftlichen Stücke des Pentateuchs, die Sebastian 
Murrho besass, sind, wie es scheint, nicht erhalten geblieben. Ich finde 
eine Notiz, dass Conrad Leontorius dem Bruno Amorbach einmal einige Blätter 
des Pentateuch mit beigeschriebener wörtlicher deutscher Uebersetzung schenkte, 
die er . . von Sebastian Murrho hatte erhalten können. Fechter, Bonifacius 
Amorbach in Beiträge zur Vaterland. Gesch. Basel 1843. 2. Band, S. 179, 
Anm. 15. Der hier und schon oben (S. 21) erwähnte Sebastian Murrho 
nennt sich auf seinem Commentar zu Baptista Mantuanus: Hebraicae, 
Graecae, Latinaeque linguarum Interpres doctissimus. (Strassburg 1501 in 
40.) Vgl. Panzer: Annales typographici vol. VI, p. 27. 

2) Den Anstoss zu Reuchlins hebräischen Stu(Öen hat man gern in der 
Eabbalah gesucht und darin einen vorwiegenden Einfluss des Grafen Picus 
von Mirandula zn finden geglaubt. Inwieweit letzteres Wahrheit enthält, 
habe ich in meiner ob. a. Abh. S. 65, Anm. 5 zu zeigen versucht (vgl. auch 
oben S. 1^) ; dass ersteres falsch ist, geht daraus hervor, dass R.'s Beschäfti- 
gung mit der hebräischen Sprache in die, 80er Jahre hinaufreicht, die kabba- 
listischen Neigungen frühestens 1490 zu setzen sind. — Dass am Ende der 
80er Jahre Reuchlins hehr. Kenntniss nicht so hervorragend war, dafür mag 
auch femer bemerkt werden, dass derselbe Leontorius, der im Jahre 1494 



26 ' Johannes Beachlin. 

ZU finden war allerdings schwer genug. Denn in Wiirteniberg, 
wo er von 1481 an, nachdem er von seinem Aufenthalte ao 
verschiedenen Universitäten (Freiburg, Basel, Paris, Orleans, 
Poitiers) zurückgekehrt war, sich aufhielt, gab es kaum eine 
nennenswerthe Zahl von Juden und von diesen war keiner 
im Stande , Eeuchlins Sehnsucht zu befriedigen. Sein Wunsch 
ging erst in Erfüllung, als er im Jahre 1492 von Eberhard 
im Bart, dem er bereits seit 1481 als Eath diente, an den 
Hof Kaisers Friedrich HI. geschickt wurde. Dort fand er den 
Jakob Jehiel Loans, den Leibarzt des Kaisers, der bei diesem 
seiner. hohen Kunst wegen in Ansehen stand, aber mit d^ 
Kenntniss seines Berufes auch ein gediegenes Wissen in der 
hebräischen Sprache verband. 

Er wurde Eeuchlins Lehrer. Es lässt sich nicht läugnen: 
dieses erste Begegniss Eeuchlins mit dem jüdischen Arzte ist ein 
welthistorischer Moment. Eeuchlin war ein Kind seiner Zeit, er 
hat sich in vielen Dingen von den Fesseln, die der Zeitgeist 
einem Jeden auferlegt, nicht freizumachen gewusst, vielleicht 
nicht einmal zu befreien gesucht. Er hatte bisher wohl Juden 
gesehn; zogen sie doch überall in Deutschland umher, wo eine 
Handelsgelegenheit sie anzog, wo ein Bedtirfniss sie hintrieb. 
Aber in welcher Gestalt sind sie ihm erschienen! In sonderbarem 
Aufzuge, der sie schon äusserlich von der sie umgebenden Welt 
schied, mit einer eigenthümlich gemischten Sprache, die nur 
ihnen recht verständlich war, mit einem Geiste, der nur am 
Irdischen, an Gewinn und Handel zu kleben und für das J 
Höhere keinen Sinn zu haben schien. Hier trat ihm ein An- 
deres entgegen, ein Spross desselben Volkes , das ihm so ver- 
ächtlich erschienen war und seinen bisherigen Erfahrungen 
nach nicht wohl anders hatte erscheinen können, und dabei 
ein Mann, am Hofe geehrt, in Wissenschaften unterrichtet und 
in die Gemeinschaft der Gebildeten willig aufgenommen. Dass 
von diesem Augenblick an Eeuchlins Ansichten über Juden 



(Widmungsbrief an Jak. Wimpheling vor Eeuchlins De verbo mirifico) dessen 
Kenntnisse nicht genug zu rühmen weiss, in einem Briefe vom Jahre 1489 
nur von dem Griechischen und Lateinischen berichtet. 

1) Einige Bestimmungen über sie in dieser Zeit sind zusammengestellt 
bei Wächter: Würtembergisches Privatredit, Band I, S. 100 ff. 



Joluumes Beachlin. 27 

3h von den Vorurtheilen der Zeit losgerissen hätten, kann 
an nicht sagen; aber sie sind milder als die der meisten 
iner Zeitgenossen, and die Einzelnen aus dem Volke konnte 

ihrer Eigenschaften wegen achten, wenn er auch stets sich 
innerte, dass sie Juden waren. Es war schon viel, dass 

jede Gelegenheit ergriff, von Juden zu lernen, überall sie 
fzusuchen, freilich — vergisst er nicht hinzuzufligen — so 
3it es einem Christen erlaubt ist^). 

Seinem ersten Lehrer, von dem wir übrigens sonst nichts 
issen ^), bewahrte er treue Zuneigung ; mir ist wahrscheinlich, 
Lss er ihn in dem Juden Simon ^) hat zeichnen wollen. In 
Qem Briefe, den er ihm neun Jahre nach empfangenem Un- 
rrichte zusandte, versicherte er ihn seiner fortdauernden 
Qhänglichkeit ^). 

lieber den Unterricht selbst besitzen wir wenige Notizen, 
e uns über die Art und Weise desselben und über die Gegen- 
inde, die er umfasste, gar nichts mittheilen und auch über 
e Dauer desselben nicht rechtes Licht verbreiten. Dass er 
fl 25. Sept. 1492 begann, wissen wir aus einer uns von Mai 
fbewahrten Notiz Eeuchlins ^), am 18. Oct. erfolgte die Be- 
itigung des Esslinger Vertrages durch den Kaiser, deren- 
3gen Reuchlin nach Linz geschickt worden war ^). Es lässt 
$h annehmen, das9 Beuchlin, um seinem Fürsten von dem 
•folg seiner Gesandtschaft zu berichten, nach erlangter Be- 
itigung bald nach Stuttgart reiste ^), von da ist er aber wie- 
T nach Linz, wahrscheinlich im ersten Viertel des folgenden 
,hres, zurückgekehrt. Auch Loans war eine kurze Zeit ab- 



1) Einleitung zu seinem Buche : De accentibus et orthographia Fol. III b. 
Doctissimum quenque hebraicorum auctorare praeceptorem solitus, cum 

lis quoque Apellis congressus, quatenus homini Christiano phas esset. 

2) Denn was Grätz, Geschichte der Juden, IX. S. 55, sagt, ist nur 
irmuthung. 

3) s. 0. S. 14. 

*) Der Brief, hebräisch geschrieben 1. Nov. 1501, Epp. ill. vir. ma. 

5) Maius vita Reuchlini (Durlach 1687) p. 541. 

6) Chmel , Regesten Friedrichs IV, S. 793, Nr. 8855. 

7) Am 24. Oct. war er noch in Linz und erhielt daselbst vom Kaiser 
j Pfalzgrafenwürde. (Das Diplom abgedruckt in Epp. ill. vir. m 4b sq.) 



28 Johannes Renchlin. 

wesend gewesen, und ehe Renchlin nach Linz ging, hatte er 
sich bei seinem Freunde Petrus Bonomus erkundigt, ob sein 
Lehrer zurückgekehrt sei, dann ist er wohl bald nach Lim 
gegangen; beim Tode des Kaisers Friedrich HI. am 19. Aug. 
1493 war er dort. Staatsgeschäfte hatten ihn, so viel urir 
wissen, nicht hingezogen, sein Wissensdurst hatte ihn hinge- 
trieben 0- 

Man kann nicht sagen, dass Beuchlins erstes kabbalisti- 
sches Werk eine Frucht dieser hebräischen Studien ist, denn 
die dazu nöthige Kenntniss mochte er sich ganz gut ans den 
ihm in anderer Weise zugänglichen Büchern erworben habend 
und speciell hebräische Studien zeigt das Buch gar nicht. 

In seinem Erlernen der Sprache hatte Beuchlin aber mit 
diesem ersten bedeutenden Schritte nicht abgeschlossen. Wie 
weit er in den nächsten Jahren sich fortgebildet, lässt sieb 
nicht sagen; die bürgerlichen Unruhen, die bald darauf Wör- 
temberg ergriflfen und ihn zwangen das Land zu yerlassen, 
mögen ihn nicht sehr zu ruhiger Thätigkeit haben gelangen 
lassen. Von Heidelberg aus, wo er sich niedergelassen hatte, 
ging er 1498 im Auftrage des Churftlrsten von der Pfalz nach 
Rom, und bei dieser zweiten Gesandtschaft war es, wo er 
auch zum zweiten Male einen Lehrer ftlr's Hebräische erlangte. 
Es war wieder ein Jude: Obadja Sfomo aus Cesena, ein cla«- 
sisch gebildeter Mann, Arzt und Philosoph, der neben dem 
Unterricht in der hebräischen Sprache auch Reuchlins Eifer 
für die Kabbalah noch mächtiger angeregt haben mag ^). Auch 
über ihn spricht sich Beuchlin mit voller Befriedigung aiM 
und gedachte seines treuen Unterrichts, wenn er auch ihm 
nicht die Anerkennung zollte wie Loans, und Sforno, vielleicht 



1) Die Chronologie dieser Jahre kann nur nach der Reuchlin'schen Brief- 
Sammlung hergestellt werden und ist, da hier die Daten nicht immer zu- 
verlässig sind , schwierig. Ohne mich in das weitere Detail einaulassen, führe 
ich den Brief des Petrus Bonomus an, der vom 2. März 1492 datirt, aber 
gewiss vom 2. März 1493 ist ; die Stelle üher Loans schon bei Grätz a. a. 0. 
IX, S. 92, A. 1, dem die chronol. Schwierigkeit entgeht. Dass Beuchlin heim 
Tode des Kaisers zugegen war , sagt er in der Einleitung zur Defensio contra 
Calumniatores Colonienses (1513). 

2) s. 0. S. 14, Anm. 1. 

3) vgl. Grätz a. a. 0. IX, S. 50 und 94. 



\\ 



Johannes BencUin. 29 

anders als jener, sich seine Mühe hoch genug vergelten liess^). 
Ausser diesen beiden wissen wir keinen anzugeben, der Beuchlin 
im Hebräischen unterrichtet hätte; er mag noch hie und da 
von Manchen etwas aufgegriffen haben ^>, aber im Ganzen war 
er jetzt fertig, er konnte auf eigenen Füssen stehen, um in 
dem ganzen grossen Gebiete sich immer heimischer zu machen 
und das , was er mit Mflhe sich angeeignet hatte , auch andern 
mitzutheilen. 

Schon im Jahre 1498^) hatte er in Heidelberg begonnen 
zu unterrichten, es hatte nicht öffentlich geschehen dürfen, 
das hinderte die Wuth der Mönche. Es ist kein Zweifel: 
hätte Reuchlin nach einer Universitätsstellung verlangt, er 
hätte sie bald erhalten, aber er wollte sie nicht, er fühlte sich 
in seiner amtlichen Stellung behaglicher, die Mussestunden 
ungestört der Wissenschaft zu widmen schien ihm genug. 
Selbst als er seine öffentliche Stellung aufgegeben hatte und 



^) Melanchthon erzahlt in der Oratio continens historiam Capnionis, 
Beachlin habe pro singulis horis singulos atyreos bezahlen müssen. Mutian 
schreibt, er habe Doctori verpo pro unius dictionis, qnae obscura erat, enar- 
ratione X aureos gegeben (Strauss, Ulrich von Hütten, I, S. 190, A. 3). 
Reuchlin spricht nur von einem grave impendium. — Während dieses Aufent- 
haltes in Eom hatte Beuchlin auch vielfache Gelegenheit hebräische Bücher 
zu erwerben, handschriftiliche Notizen in einigen seiner Bücher weisen darauf 
hin; vielleicht bezieht sich darauf auch eine Stelle aus einem Briefe des 
Lorenz Behaim an Beuchlin vom 20. Juli 1515 (Epp. ill. vir. Cb): Tantus 
enim mens est in te amor, quem suavi amicitia tibi Bomae cum pariter 
iremus Hebraicos inter Judaeos libros perco^tando comparasti. In der Karls- 
ruher Hofbibliothek, befindet sich Kimchis Wörterbuch (Neapel 1490), das 
er damals kaufte, worin von Beuchlins Hand Folgendes eingeschrieben : Hunc 
libmm David Eimhei (!) cum commentarüs super quatuor emi ego Joannes 
Beuchlin Fhorcensis Doctor aureis tribus ren. Borne. Prid. Id. Junias Anno 
1498, ebenso das Targum Jonathan's u. a. 

2) So wollte er noch 1516 bei Johannes Potken in Köln sich im Chal- 
daischen vervollkommnen. Dieser schreibt an Beuchlin 13. Sept. 1516 (Epp. 
ill. vir. vi). Quod autem scribis, lata pro te sententia (nämlich im Streite 
Beuchlins mit den Kölnern) te Coloniam peregre iturum, ad meam in lingua 
quam edere coepi chaldiaeruditionem, plurimum gaudeo quod sententiam vel 
iam latam, vel propediem ferendam spero. Ob aus der Beise und dem Unter- 
richt etwas geworden ist, kann ich nicht finden. Petrus Galatin nennt Potken 
seinen Lehrer im Chaldäischen : an Beuchlin (Juni 1515) Epp. ill. vir. C 4. 

>) Für Beuchlins öffentliche Lehrtfiatigkeit auch im Hebräischen ver- 
weise ich ajif meinen Aufsatz in Langbeins Pädagogischem Archiv 1868. 
S. 481-493. 



30 Johannes BencUin. 

ihn der Herzog von Sachsen dringend bat an der Universität 
Wittenberg den hebräischen Lehrstuhl einzunehmen, schlug er 
ihn aus, und erst als ihm durch äussere Umstände sein Stutt- 
garter Aufenthalt verleidet war und er sich nach Ingolstadt 
begeben hatte, um dort in dem Umgange der Gelehrten die 
Buhe zu finden, nach der er sich sehnte, erst da nahm er die 
Stelle eines Universitätslehrers an und versammelte eine grosse 
Menge Zuhörer um sich , vor der er die Grammatik des Kimchi 
erklärte 0- Und noch einmal in seinem letzten Lebensjahre hatte 
er in Tübingen die hebräische Sprache gelehrt; hier, wo wir 
die ersten Spuren hebräischer Kenntniss in Deutschland be- 
merkt haben, bestieg Reuchlin als erster öffentlicher Lehrer 
den Lehrstuhl 2). 



I 



• 

1) Von Renchlins Schülern in Ingolstadt ist hauptsächlich Johannes 
Forster zn erwähnen, der nns später beschäftigen wird, ansserdem Johannes 
Eck, der bekannte unermüdliche Kämpfer für den Katholicismus. Derselbe 
hatte in ähnlicher Weise wie Reuchlin eine jede Gelegenheit benutzt, sich 
die Kenntniss der hebräischen Sprache zu verschaffen, er hatte während seiner 
Studienzeit in Freiburg bei dem Carthäuser Gregor Reisch, später bei Job. 
Böschenstein, dann bei Reuchlin gelernt, er hatte den getauften Juden Pater 
Staffelsteiner zu Rathe gezogen, selbst den Unterricht des jüdischen Gelehr- 
ten Elias Levita nicht gescheut. 26 Jahre hat er nach seinem eigenen Ge- 
ständniss der Beschäftigung mit dieser Sprache gewidmet, und ^r rühmt sich 
wohl mit Recht seiner Kenntniss derselben. lieber dieselbe geschrieben hat 
er nicht,, wenn man nicht ein von ihm angelegtes, handschriftlich in der 
k. k. Hofbibliothek in Wien vorhandenes Regestum super lexico hebraico 
Capnionis (1521) und eine ebenda befindliche Epitome super grammatica 
hebraica Farinarii vulgo Kimhi Ingolstadii tradita (nämlich von Reuchlm) 
et ab Eckio auditore accepta — was von den Grammaticalia hebraica et 
graeca, die sich gleichfalls da befinden sollen, zu halten ist, kann ich, da 
jede weitere Nachweisung fehlt, nicht sagen, — als selbständige Werke be- 
trachten will, nur in seinen Predigten und Bibelerklärungen sie vielfach be- 
nutzt. Vgl. die gründlichen Nachweisungen bei Dr. Wiedemann: Johann 
Eck, Regensburg 1865, S. 23—25, namentlich die Anmerkungen, und S. 615. 

2) Zu den Schülern in Tübingen gehörte Jakob Gruerius. Er schreibt 
an Nik. Eilenbog 29. Juli 1526: Sunt et mihi collectanea quaedam in ge- 
nesim, librum ruth et aliquot psalmos quae a Joanne Capnione, viro in re 
hebraea et primo et facile doctissimo, cum Tubingae hebraea et graeca 
publice profiteretur, ad calamum dictitans, magno cum labore excripsi, ex- 
cripta adhuc mecum habeo, ceu pignora et monumenta fidi mei praeceptoris 
Capnionis. Hamm si petieris olim copiam faciam quoque tibi. Dass Ellen- 
bog dieses Anerbieten nicht ausschlug, ist natürlich. Collectanea tamen quae 
Capnione illo doctissimo praeceptore studiosus auditor coUegisti ad me des 
precor. in die Sixti 1536. Die Briefe in Nie. Ellenbogii Epistolarum libri ES, 



Johannes Beuch! in. 31 

Aber während er in Stuttgart lebte, ohne ein Lehramt zu 
bekleiden, hat er Einzehie in die Sprache eingeführt. Wir 
haben schon oben gesehen, wie er dem Conrad Pellikan mit 
seinem Bathe behülflich war; dass er Johann von Dalburgs 
Lehrer im Hebräischen war, wird freilich ohne Beweis be- 
richtet. Aber gewiss ist es, dass Melanchthon, Beuchlins Gross- 
neffe, wie er überhaupt dem Alten ffir seine Bildung und Er- 
ziehung so viel verdankte, auch das, was er im Hebräischen 
kannte, von diesem gelernt hatte ^), und die Jünglinge, die, 
wie Melanchthon erzählt, in seiner Gemeinschaft gern und oft 
zu dem „greisen Vater" von Tübingen nach Stuttgart wall- 
fahrteten ^), mögen auch dazu Anregung von ihm erhalten haben. 
Und auch andere strömten ihm zu, Christoph Schilling aus 
Luzem*), ein Jüngling, dessen auch Cornelius Agrippa von 
Nettesheim rühmend gedenkt^); Johannes Oekolampad, der, 
nachdem er seine Studien in Heidelberg beendet hatte, nach 
Stuttgart eilte, um die Kenntniss des Hebräischen aus der 
Quelle zu schöpfen, aus der sie ihm am reinsten floss^); 
Johannes Cellarius , der die Verehrung ftir seinen Lehrer auch 
dadurch zeigte, dass er ihm ein Werk, das später noch zu 
besprechen ist, dedicirte und in einer Vorrede sein Lob in be- 
redtesten Worten aussprach®); Bartholomäus Caesar, dessen 
wir in anderm Zusammenhang nochmals werden gedenken 
müssen, der mit einer Empfehlung des Lorenz Behaim zu 



Hb. IV, ep. 47, 48, fol. 132 sq. (Cod. 8643 der Bibl. Imper. in Paris, vol. I). 
Schüler R.'8 in Ingolstadt ist ferner Jacob Ceporinus , später Prof. des Hebr. 
in Zürich (s. n.). Vgl. Ersehn. Gruber: Realencyclopädie, Sect. I, Th. 15, S.57. 

1) Camerarius in der vita Melanchthonis sagt es freilich nicht aus- 
drücklich, sondern nur (ed. Strobel, p. 70) Hebraicae linguae ... quam ado- 
lescens discere non negligenter inceperat. 

2y Davon spricht Manlius Locorum communiura coUectanea (Basil. 1563) 
nach Melanchthons eigenen Erzählungen an vielen Stellen. 

5) Reuchlin erwähnt ihn in dem Schlussworte des Werkes De accentibus 
et orthographia, bei dem er ihm einen kleinen Dienst leistete. 

*) Agr. ab Nettesheim Opera (1739) II, p. 733 : Legi ego nuper in fine 
operis integerrimi viri Johannis Capnionis intitulati de accentibus mentionem 
eiusdem €hristophori, gaudeoque permultum tam digno discipulo tam ex- 
cellentissimum contigisse praeceptorem. 

5) Herzog, Leben Oekolampads, I, S. 107. 

^ Isagogicon in hebraeas literas. Hagenoae 1518. 



32 Johannes Benchlin. 

Benchlin reiste, in der das bezeichnende Wort vorkommt, 
er ginge zu ihm, dürstend nach der Quelle der Erkennt- 
nisse); und viele andere, deren Namen nicht tiberliefert 
sind 2). 

Und konnte Benchlin mit dem mündlichen Worte nicht 
Belehrung geben, dann suchte er auf andere Weise den die 
Kenntniss der Sprache Begehrenden nützlich zu sein. Von 
vielen Seiten wandte man sich an ihn , er möge einen Lehrer 
ftir das Hebräische schicken. Es ist schon berichtet worden ^), 
wie der Abt Leonhard von Ottenbeuren darum bat (1508), 
hauptsächlich, wie es scheint, für den Nikolaus Eilenbog, einen 
in den Wissenschaften bewanderten Mönch seines Klosters. 
Benchlin konnte dem Wunsch nicht alsbald entsprechen, 1510 
war er im Stande einen hebräischkundigen getauften Juden 
zu schicken; nachdem dieser einen Monat hindurch unterrichtet 
hatte , musste er das Kloster verlassen. Ellenbog wandte sich 
an Conrad Peutinger, um diesen Lehrer mit Hülfe und Bath 
zu unterstützen^). Ab^ nicht blos in die Klöster drang die 
von Benchlin gegebene Anregung, auch in die militärischen 
Kreise. Hieronymus von Eudorflf, doctor et miles, Bath des 
Kaisers , Beamter seiner Hofhaltung , wie er sich selbst nennt, 
hatte sich vom Hofe des Kaisers auf sein Landgütchen be- 
geben. Er hatte Sehnsucht nach den heiligen Wissenschaften 
und hätte am liebsten Benchlin selber bei sich gesehn. Da 



1) In dem oben S. 29, Anm. 1 angeführten Briefe : At nunc quia tuus 
discipulus amicnsque mens Bartholomaeus Caesar ad tuam excellentiam , uti 
sitibundns, ad scientiarum fontem proficiscitnr. . . 

2) Eine Stelle Reuchlins über seine Schüler (Vorrede zu seinen Septem 
psalmi poenitentiales. Tübingen 1512) verdient angeführt zu werden: Cuius 
exercitii discipulos nonnullos nuUa tamen mercede sed gratuito feci 
participes, partim gratos qui praeceptori suo debitum honorem perquam reve- 
renter exhibent partim vero, ut acerbe audio, supreme ingratos 
quibus deum iudicem propono et nisi resipuerint vindicem opto. — Ob unter 
die Zahl der ersteren Simon Sunfeld zu rechnen ist? Jakob Ziegler schreibt 
an Erasmus : Codicem Cypriani ego vidi concreditum Simoni Sunfeldo, doctori 
Medicinae, homini Hebraea, Gracca et Latina lingua docto, et cui est ad 
Capnionem nostrum antiqua familiaritas. Rom. 16. Febr. 1522, Opera Erasmi 
(Lugd. Bat. 1706) vol. III, col. 1699. Epist. (Appendix) nro. CCCXX. • 

3) S. oben S. 16, Anm. 3. 

*) Der Brief in C. Peutingeri Sermones convivales ed. Zapf. Augsburg 
1789 nro. VII, p. 148 sq. 



Johannes Benchlin. 33 

das nicht anging, bat er um einen Lehrer, den Renchlin zu 
dieser Thätigkeit vorbereitet hätte ^). Und selbst die höchsten 
Kreise verschmähten es nicht seinen Beistand zu verlangen. 
Es ist erzählt worden, dass der GhnrTürst von Sachsen ihm 
den hebräischen Lehrstuhl in Wittenberg anbot; als er ihn 
^r sich ablehnte, bat er ihn wenigstens, einen andern, der 
ihm geeignet schien, für diese Stelle vorzuschlagen 2). 

Und auch in anderer Weise verlangte man seinen Bath. 
Wie er im Lateinischen und Griechischen, wie er in der Theo- 
logie als Autorität galt, an den man sich in zweifelhaften 
Fällen wandte , dessen Gutachten man bei schwierigen Fragen 
einholte, so wandte sich Peutinger an ihn, um zu erfahren, 
ob der 5. Mos. cap. 14 erwähnte pygargus nicht vielmehr py- 
gardus heisse, ob er eine Adlerart sei oder ein vierfüssiges 
Thier^), will Johannes Stoffler, de» bekannte Astrologe, wissen, 
ob bobel und bovel hebräische Worte sind % fragt ein Wolfgang 
praepositus in Ror über schwierige Stellen in Reuchlins Werk 
de verbo merifico an^), fordert ihn Johannes Amorbach auf, 
ihm bei seiner Ausgabe des Hieronymus für die Dinge, die 
Kenntniss des Hebräischen nöthig machen, behüMich zu sein ^), 
und Andere verlangen Anderes'). Alle diese kleinen Züge 
mögen nicht für mehr gelten, als sie wirklich sind : sie sollen 
nur dazu dienen, die Wirksamkeit Reuchlins, die in ihren 



1) An Eeuchlin 31. Jan. 1509 (Epp. ill. vir. i a.b.) Ich führe nur eine 
kleine Stelle an: Sed dulcissime, mi pater, cum caream docentis vivae vocis 
oraculo obsecro ut nnmn mihi mittas quem forte instituisti pro curahuiusce 
rei. Der Lehrer sol^auch reiten können, um ihn und sein Söhnchen auf 
Reisen zu begleiten; dafür soll er Unterhalt und Kleider bekommen und 
Gehalt, so viel ReuchUn für ihn verlange. 

2) Reuchlins Brief an den Churfürsten vom 7. Mai 1518, auf den in 
anderm Zusammenhang zurückzukommen ist. 

3) 12. Dec. 1512 Epp. ill. vir. e 4 sq. Reuchlins Antwort folgt gleich 
darauf. 

*) 8. Apr. 1502. Epp. ill. vir. i b sq. 

5) 1501. Epp. ill. vir. h 4. 

6) 27. Juni 1509 Epp. ill. vir. g 1 b sq. 

') Auch seine im Hebräischen ebenso gut als in anderen wissenschaft- 
lichen Fächern ausgestattete Bibliothek veranlasste zu Bitten, vgl. oben 
S. 17, Anm. 3. Georg Simler bittet dringend um einen hebräischen Psalter 
20. Juni 1509. Epp. ill. vir. i 2 a. 

I Cleiger, Stadium. ^ 



34 ^isaane» K^Oirälfs. 

grori^sea Zagen so bekannt ist. aneh för das Kleine nnd Ein- 
zelne zn beknehleB ^). 

Die grdaseren Werke und Arbeiten^ die er auf onserem 
Gebiete hinterlassen, sollen im Fol^end^i erwähnt werden. 
Znent erseUenen seine Bndimenta lingnae hebraieae, 1506, 
bebräisehe Grammatik nnd Worterbneh. Benchlin war sich 
bewnsst, damit einen nenen Weg zn betreten, nnd wie er am 
Sehfaiäs des Werkes die stolzen Worte Ton sieh aassprach: 
Ex^ monomentom aere perennios, so kehrt das Selbst-' 
bewnsstsein, als Erster anf diesem schwierigen P&de voran- 
zogehn, noch an vielen Stellen wieder*). Gleichsam znr Yer- 
theidigong, dass er das Werk nberhaapt ontemommen, fahrt 
er eine Constitation Papst Clemens' V. an, die die Besehäfti- 
gnng mit der hebräischen Sprache gestatte; nnd wie wen^ 
vorbereitet er die Leser seines Werkes glanbt, zeigt er da- 
dnreh an, da» er sie wiederholt ermahnt, das W^k nicht 
wie andere von der linken znr rechten, sondern von der 
rechten znr linken Seite zn lesen'). Er Aeilte das Werk in 
drei Theile: der erste nmfasste Erlänterongen aber Bnchstaben, 
Silben, Bedewendnngen, enthielt alle Worte von An£uig des 
Alphabets bis znm Bachstaben k; der zweite setzte das Wort- 
verzeichniss vom 1 bis znm Ende des Alphabets fort, indess 
nor die biblischen Ansdrücke, ohne die Sprache des Talmads 
nnd der Babbinen zn beracksichtigen nnd ohne anch ftür die 
ersteren Ansprach aaf Vollständigkeit za machen. Der letzte 
Theil handelte von der Grammatik; er sollte den, der ttber 



1) Wie sehr man nadi 'seinem Tode seinen Beistand yermisste, dafür 
mag Folgendes als Zengniss dienen. Nikolans Grerbelina^— ein Pfonheimer, 
wie Benchlin — schreibt an Johann Schwebel: Qnod adeo aTide stadia 
Hehraica sectaris recte atqne optime fäda, XJbi enim melins diyinmn spiri- 
tnm peicipies qnam in ea lingna qna primo hominem animare Toloit? Ego 
sane nnlla re egeo ad id stndinm, quam Capnionis opera. Nee 
est qnod plnrinm librorom copiam desideres, mea sententia: nam tota lesin 
▼eteri Testamento conferendo consistit. 1523 in : Centnria Epistolamm theolo- 
gicarom ad Johannem Schwebelinm. Zweibrücken 1597, nro 18, p. 49 sq. 

^ z. B. in der Vorrede zum 1. Bach: Qnod qanm ante me inter Latinos 
nemo fecisse appareat, spero inde gratiam haad mediocrem et apnd posteros 
landem absqne invidia non intermoritoram conseqni. 

3) In der Einleitung znm 1. Bach nnd am Schlnss des Werkes in eifi 
paar Versen, die anfangen : Canon. Non est liber legendas hie cea ceteri n.s.w. 



Johannes Benchlin. 35 

die Bedeutung der Worte unterrichtet sei, nun in den Stand 
setzen, in ihren Theilen kunstvoll gestaltete Sätze und Rede- 
wendungen zu bilden. Als Vorbild folgte er dem Sepher Michlol 
des Eimchi, einem Buche, das ihm beim Erlernen der Sprache 
gute Dienste geleistet hatte. Er hatte nach besten Kräften 
gearbeitet. Schätze des Wissens zusammengerafft; und geordnet 
und war von einem Geiste geleitet worden, der nicht starr 
an dem Ueberlieferten klebte , sondern sich von dem Falschen, 
was frühere Zeiten gelehrt hatten, zu befreien suchte. Grade 
das, meinte er, werde ihm wohl Feindschaft eintragen, dass 
er es oft gewagt die Uebersetzungen der Früheren zu tadeln, 
eines Hieronymus, dessen Schriften vom Papst Gelasius als 
1) eilig aufgenommen, eines Nikolaus de Lyra, der als treuer 
Erklärer allen Gläubigen bekannt sei. Aber dasselbe Becht, 
das. Hieronymus gegen die Uebersetzung der 70, das Lyra 
gegen die des Hieronymus, das Paul von Burgos gegen Lyra 
angewendet habe, das stehe auch ihm gegen jene zu, er ver- 
ehre sie auf's Höchste, aber die Wahrheit gehe ihm über Alles *). 
Seine Anstrengungen in dem Buche ^) wurden anerkannt. 



1) Die letztere, oft angeführte schöne Stelle lautet: Quanquam enim 
Bieronymmn sanctum veneror ut angelum, et Lyram colo ut magistrum, 
iamen adoro veritatem ut deum in der Vorrede zum 3. Buch. 

2) Eine neue Ausgabe veranstaltete Sebastian Münster, Basel 1537, 
^ber die später zu sprechen ist; einen Auszug des Lexikons gab Theodoricus 
Jfartinus Alostensis in seinem Dictionarium Hebraicum (o. 0. u. J. in 4^ 
IBibl. imp. Par. X, 99.) Er sagt selbst auf dem Titel: Eedegimus in 
Hnchiridion, lectores optimi, primitiva vocabula sive radices hebraicarum. 
^ctionum , quae a Cäpnione diligenter et diffuse tractantur, cuius ideo ubique 

ferme verba apposuimus, quod ingeniöse in alienis übris videri noluimus 

Das Buch enthält nichts als die Stämme mit den abgeleiteten Worten, alles 
impunktirt, daneben Angabe ihrer Bedeutung in möglichster Kürze, kein 
"Wort nimmt mehr als eine Zeile ein. Dann folgen unter dem Titel: Utilis 
^uaedam et succincta in Hebraeas literas introductio ganz kurze Bemerkungen 
über die Buchstaben und eine Tabelle des Verbums. Der Schluss des (janzen 
mag hier folgen: Non esse ignorandum statuo, vocabula in dictionario meo 
posita nihil existimari deberi nisi formas , typos , exemplaria et ideas nondum 
singularizatas, ideo nee opus esse punctis in dictionario nee vocabula necesse 
fore secundum notata illic puncta pronunciari. Deinde memineris velim, In- 
tegra verba res vel actiones significantia (non dico consignificativa) trito more 
temis literis constare praeter admodum panca, quapropter, si abundantiam 
videris, subtrahe, sin defectum, adde. Sunt itaque literae in principio vel ob- 
mutescentes aleph et iod vel deficientes nun, lamed, jod. In medio vero 

3* 



36 Jdbamiw Reoddn. 

TOD allen Benrtheilern der Zeit and Benchlins Leistnngen wird 
dies Werk als ein grundlegendes betrachtet. Bei diesem einen 
Werke blieb BeacUin nicht stehen, in rerschiedenen anderen 
hat er die Früchte seiner Beschäftigiing mit der hebräischen 
Sprache niedergelegt. An die Bndimenta schloss sich ein 
zweites an, das einzelne Theile der Grammatik näher erläu- 
tern sollte: über Accente nnd Orthographie. In drei Büchern 
sollte es die Kegeln für die Anssprache lehren, in dem ersten 
die des granmiatischen, im zweiten des rhetorischen, im dritten 
die des musikalischen Accents anseinandersetzen. Der soge- 
nannte grammatische Accent, die Betonung in der gewöhn- 
lichen Bede, wurde nach seinen verschiedenen Arten im Nomen, 
Adjectivnm nnd Verbnm gelehrt, jF&r die Begeln der Musik 
folgten einige Notenbeilagen, die das Gesagte deutlich machen 
sollten ^). 

Auch andere kleinere Werke sollen nicht übergangen werden. 
Schon im Jahre 1512 hatte er, im Anschluss an seine Budi- 
mente, wie um die hier nur theoretisch gegebenen gram- 
matischen Lehren praktisch auseinanderzusetzen, die 7 Buss- 
Psalmen herausgegeben, dem hebräischen Text eine wortgetreue 
Uebersetzung folgen lassen und daran Erklärungen ange- 
schlossen, die weniger dazu bestimmt waren, die Schwierig- 
keiten, die der Sinn bot, zu lösen, als die grammatischen 
Fragen bis in's Einzelnste zu erörtern^). Mit diesen Studien 
hing auch ein anderes Werkchen zusammen, das kurz erwähnt 
sein mag, eine Uebersetzung der Erklärungen des Athanasins 



I 



aleph, iod, wau, in fine autem aleph et he et si qua sit litera geminata. 
Hi sunt modi, quibns tales defectus reparare valebis. Pinis, (Dieses Stück 
wird als von Renchlin geschrieben angegeben.) 

1) Das Werk De accentibus et orthographia linguae Hebraicae . . libri 
tres erschien, dem Cardinal Hadrian gewidmet, Hagenau bei Tliomas Anshelm 
1518. — Dass die Angabe Köhlers (Beiträge zur Lit.- u. Kunstgesch., 2. Tb., 
Leipzig 1794, S. 3), Reuchlin habe ein hebr. Wörterbuch unter dem Titel 
Breviloquus herausgegeben, auf einer Verwechselung mit E.'s lateinischem 
Lexikon beruht, bedarf keines weiteren Beweises. 

2) Joannis Reuchlin .... in Septem psalmos poenitentiales hebraicos 
interpretatio. Tübingen, Anshelm 1512. Das Fehlen bibliographischen Details 
in diesem Abschnitt bitte ich damit zu entschuldigen, dass eine in Vo^ 
bereitung begriffene Biographie Reuchlins auch hierüber das Nöthige an- 
geben wird. 



i 



Johannes Reuchlin. 37 

LH den Psalmen; ohne Zuthat Beuchlin's (1515). Eine andere 
A^rbeit war die üebersetzung eines hebräischen Gedichtes, die 
silberne Schüssel des Joseph Ezobi in Perpignan, eines Hoch- 
seitsgedichts , das dieser für seinen Sohn Samuel verfasst 
hatte (1512^). 

In hebräischer Sprache selbst hat Benchlin nur sehr 
Weniges geschrieben ; die Anführung eines von ihm verfassten 
hebräischen Werkes beruht auf einer Verwechselung ^). Einige 
Briefe von ihm in dieser Sprache sind vorhanden, an seinen 
früheren Lehrer Jakob Loans, an den Leibarzt Leo's X., Bonet 
de Lates, in dem er um dessen Mitwirkung in seinem Pro- 
cesse gegen die Kölner, namentlich um die Geltendmachung 
seines Einflusses beim Papste bat, ein Promemoria in diesem 
Streite, das im Wesentlichen nur eine Umschreibung dieses 
Briefes ist ^). Ein anderer hebräischer Brief ist verloren, nur 
das Antwortschreiben des Jakob Margoles, Vorstehers der 
jüdischen Gemeinde in Begensburg, ist erhalten, aus dem 
hervorgeht, dass Beuchlin sich an ihn einiger kabbalistischen 
Werke wegen gewandt hatte*). 

Nach Betrachtung der Leistungen ^) sei es gestattet, einen 
kurzen Blick zu werfen auf die Art, in der die Zeitgenossen 
Beuchlin's Studien betrachteten. Und da kann man wohl 
sagen: sie strömten über von Lob. Es war ein ganz neues 
Gebiet, das Beuchlin ihnen erschloss, und wie sie sich gem 
seiner sicheren Leitung in demselben anvertrauten, so Hessen 
sie es an sich nicht fehlen, seine Verdienste ihm selbst und 
der Welt gegenüber in das richtige Licht zu stellen. So 



1) Vgl. F. Delitzsch: Zur Geschichte der jüdischen Poesie. S. 66. 

2) Serapeum etc. von R. Naumann, 1868, Nr. 13, S. 193 fg. Eben- 
sowenig, wie diese Schrift, dürfen Reuchlin die Tabulae XX. institutionum 
in linguam S. Basileae 1554. Compendium Grammaticae Hebr. Wittenberg 
1581, zugeschrieben werden, wie Herzog Athenae Rauricae p. 458 dies thut. 

3) Ueber den Brief an Loans, s. o. S. 27, Anm. 4. Die beiden letzten 
Schriftstücke hat Grätz a. a. 0. IX, Noten, S. XVII — XX. abdrucken lassen. 

*) Ueber diesen Brief (Epp. ill. vir. m b sq.) undatirt und die Ver- 
wirrung, die Grätz in Betreff des Briefschreibers angerichtet hat, vergl. 
Dr. M. Wiener in Frankel : Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft 
des Jndenthums, 1868, S. 345 sqq. 

5) Reuchlin's kabbalistische Werke sind oben (S. 12 — 14) bereits als 
eine Folge der hebräischen Studien im Allgemeinen zur Genüge gewürdigt. 



M«Ai \to H<wric)i Bchd dDcm XBim, dem man gegenwiAls eine 
m d<^ Kmuhuu!^ df^ Bchr&tscben selbst vor jedem Jadna berti 
^oh^t^ijr^ JM» VAT rinem Christen den Vorrang gcMiüer')/ 
uin^^ ^\x ,Mi ^1 Hk'T^Tmits ftei ktin solcher Mann aiHim. R^ 
k^Att^itO)^ x^^<^ üi IVni^chland . noch in Frankreicli, nochBtlirte, < 
hvdi^* Xic))l Mi\$ dio cricchiscbe Sprache habe er wiewlerke 
«vr^WLt^ «u^ d^r Kubaner Unncb Kikolans Basellins, awkiu g' 
di<^ hoto'iiiaclie' u^lie er nim ans dem Stanbe hervor. Miizuges* 
^lO^e Oe^le^hrt^njrMXKdnde mlisse ihm nnendlichen Dank sagflktor 
i\a ^T (>in^ »o)c))<' La;^ auf $eine Schnltem nehme, die Jiulil^ir^^^ 
uitt^dten «ich h<^$ch£mi nirficknehen , in der Kenntnis» ümka ^^ 
tigmi'sx Sprache hesi^^, die Theologen müssten ihm Mi^^^ 
Kraut reiehf^n, da er die heiligen Schriften in ihrem altal ^ 
iUanie habe auferstehen las;$en ^. Ihirch seine VertheidigmB^^^ 
dw jttdUehen Bücher je^n Pfefferkornes Angriffe galt er ill^^^^ 
dw Erretter der Lehre jener Bücher, ohne deren Kenntmntn 
una ewige Kacht nmhüUt^ ewige Verdammniss nns nmgibf). l^f^ 
K« gab nur Wenige . die nicht diese Bewunderung theilteD,! ei^ 
die nicht in die allgemeine Lobpreisung einstimmten, Am^c 
waren fast nur die K(!ilner Gegner Renchlin's, vor allem Johannli^ 
Pfefferkorn« Letiteren hatte Renchlin freilich empfindlidiL i 
genug gekränkt; er hatte ihm gesagt, er sei ein durchaus i^ 
HiiwiBBender Mensch und Tcrstünde kein Hebräisch. Das ver-lie 
gucbte ihm Pfefferkorn mit gleicher Münze zurückzugeben, jb 
gettohlin hatte ^) ehrlieh genug gestanden, er hätte denU 
ff b^lniud nicht erwerben und erlernen können; dieses Gestand- 1^ 
nißö 6^^^ Pfefferkorn begierig auf*), er sprach ihm Kenntniss I i 
der jüdischen Gesetze und Schriften kurzweg ab «) und er- 1 
Märte den Ruhm, den die Juden Renchlin als einem in ihrer I 
Sorftche und ihrem Schriftthum Erfahrenen zuerkannten, nicht ^ 
Ja fluf Beuchlin's wirkliche Verdienste gegründet, sondern 



1) Epp. ill' vir. fb. 

8^ 14. Sept. 1501 Epp. ill. vir. li ü a sq. 

8) Aegidius Viterbiensis an Reuchlin 1516. Epp. Ul. vir. B iii b sq. 

4^ Augenspiegel, fol. XLb. ., . , . x ^u 

5 Brantspiegell (Köln 1512) Dia: Aber in dem hat er war gereth 
das er keyn verstant des Thalmudts hab, 
6) Handt Spiegel (1511) a 2 b, 



Johannes Benchlin. 39 

als eine Folge der jüdischen Gewohnheit „wer sie berürapt, 
den bertimen sie wider, und wer jn dient, dem dienen sie 
wider ^)." Die natürliche Consequenz von Pfefferkornes Vor- 
wurf, Reuchlin verstände kein Hebräisch 2), war, dass er er- 
klärte, die unter seinem Namen ausgegangenen hebräischen 
Werke seien gar nicht von ihm; er habe sie sich von 
einem gelehrten Juden machen lassen, und nur seinen Namen 
dazugesetzt, „gleich als ob du werst ein grosser gelerter 
Doctor unnd lerer der Hebreyscher tzungen^)." Gegen diese 
Vorwürfe hat sich Reuchlin vertheidigt, aber wir erkennen 
den Ungrund der Beschuldigung an, auch ohne die Verthei- 
digung gehört zu haben. 

Er hatte sich gegen diese Anschuldigungen vertheidigt, 
weil die Beschäftigung mit der hebräischen Sprache ihm eine 
Herzenssache war. Er war stolz darauf, sie wiedererweckt 
zu haben, nicht weil er reichen Lohn dafür erwartete, sondern 
weil er im Stande gewesen, den Studien seiner Zeitgenossen 
eine neue Richtung zu geben. Zu dieser Leistung fühlte er 
sich gleichsam berufen; die Juden, die einzigen Lehrmeister 
der Sprache, seien bald ganz aus Deutschland verbannt, man 
müsse fürchten, dass mit ihnen die Kenntniss der hebräischen 
Sprache verschwinde und jede Gelegenheit aufhöre, sich die- 
selbe zu verschaffen^). Es war ihm die heilige Sprache; mit 
ihrer Erschliessung meinte er der Theologie einen wesent- 
lichen Dienst geleistet zu haben und beklagte sich bitter, 
dass das von den Kölner Theologen nicht anerkannt wurde 5); 
erst durch sie, lehrte er, könne man in den Stand gesetzt 
werden, die tiefe, verschlossene Wissenschaft der Philosophie 
zu ergründen*). 



1) a. a. 0. C 2b. 

2) Er sagt einmal, Eeuchlin verstände nicht soviel, „das du (Reuclilin) 
eyn Epistel auss dem Latein in die Hebreysche sprach oder auss dem He- 
breyschen in das Latein möchst übersetzen." Pf. Eyn mitleydliche claeg 
vber alle claeg etc. (1521) G 1. 

3) Eyn mitleydliche claeg F 4 b. 

*) De Rudimentis hebraicis, Einleitung zum 1. Buch. 

5) An Arnold v. Tungem, 28. Octbr. 1511. Epp. ill. vir. p iifg., ähn^ 
lieh in der Vorrede zu Septem psalmi poenitentiales 1, August 1512. 

6) Rud. hebr., Schluss des 3. Buches, 



40 Johannes Ueuchlin. 

Und dennoch, obwohl es sein Liebstes war, sich dem 
Studium dieser Sprache ganz zu weihen, erkannte er gar wol, 
welches Vorurtheil noch gegen die Beschäftigung mit dersel- 
ben herrschte, und als Pfeflferkorn ihm einmal vorwarf, er 
habe sich gern vor Fürsten und Herren seiner Kenntniss ge- 
rühmt, da hatte er nicht Unrecht, wenn er der Zurückweisung 
dieses Vorwurfs die Bemerkung hinzufügte, ein solches Prahlen 
„hett mir vil mer zu verclainerung gediennt, dann zu ainem 
lob^)." Und fast am Ende seines Lebens, 1518, als er sein 
zweites grösseres Werk dem Cardinal Hadrian zueignete, 
musste er es aussprechen: Nicht Durst nach Gold habe ihn 
dazu getrieben, die hebräischen Geheimnisse zu lernen, nicht 
eitle Ruhmsucht, im Gegentheil, er habe diese Studien ver- 
bergen müssen, weil man sie eines hochgestellten Mannes 
für unwürdig hielte 2). 

Dass dieses Vorurtheil für die Folgezeit ganz geschwun- 
den ist, das wird, wenn auch die Leistungen Reuchlin's jetzt 
nicht mehr mit derselben hohen Bewunderung angesehen wer- 
den, wie früher, stets das Verdienst ßeuchlin*s bleiben»). 

1) ReuchUn's Augenspiegel (1511) fol. XXXV b. 

2) Nulla me fames auri adegit ad hebraica mysteria discenda, nulla 
inanis gloria sitis, ea enim studia tum celanda vulgo erant, ut qnae in tanta 
dignitate constitnto viderentur indecentia. 

3) Wie sehr die Tübinger Universität Eeuchlin's Verdienste um's He- 
bräische zu schätzen wusste, zeigt Folgendes: Am 18. April 1728 bei Ge- 
legenheit eines Examens von 24 Studirenden veröffentlicht Decanus et col- 
legium Facultatis Philosophicae einen Anschlag (ein Folioblatt in der k. 
Stuttgarter Bibl. eingelegt in die Handschrift Hist. 560), in dem über die 
hebräischen Lehrer in Tübingen gesprochen wird. Tübingen sei in der Re- 
formationszeit den übrigen Universitäten überhaupt vorangegangen, in einer 
Zeit, wo hebraea legere propemodum haeresis erat. Das erste hebräische 
Buch, Psalmi poenitentiales VII, sei dort gedruckt (1512, der Anschlag gibt 
falschlich an 1522), sed etiam de constituendo et vocando Professore harum 
linguarum serium est actum. Quis vero vocaretur alius quam hujus litera- 
turae felicissimus Restaurator atque adversus ignarum et rudissimum istius 
aetatis Monachorum pecus fortissimus Vindex, incomparabilis Reuchlinus, vel, 
ut appellari amabat, Capnio, qui licet Juris Consultus, Comes Palatinus, 
Consiliariua Caesareus et maxime Würtembergicus atque ad summas saepe 
Aulas Legatus, tanto tamen linguae sanctae flagravit amore , ut eam maxima 
diligentia multoque pretio Vindobonae et Romae a Judaeis didic^rit, in 
scriptis suis doctissimis, lexico maxime, propagaverit, et cum in Bojorum 
Angelopoli, tum hie Tubingac A. MDXXI. primus publice fuerit professus. 



Johann Böschentitein und Matthäus AdrianuH. 41 



IV. 

Johann Böschenstein und Matthäus Adrianus. 

Das Vorurtheil, als sei ein Jeder, der sich mit dem Stu- 
dium der hebräischen Sprache abgebe, ein Jude, als weiche 
er von christlichem Wege, von christlichen Anschauungen ab, 
hat sich namentlich gegen die beiden Männer gerichtet, deren 
Lebensschicksale und Leistungen uns im Folgenden beschäf- 
tigen sollen. 

Matthäus Adrianus war ein geborener Jude aus 
Spanien. Ob er selbst bei der Vertreibung der Juden aus 
Spanien (1492) dies Land verlassen hat, oder von einer spa- 
nischen Familie stammt, lässt sich nicht entscheiden; Beuchlin 
nennt ihn einmal Hispanus^), das ist der Beweis für seine spa- 
nische Herkunft, dass er ein getaufter Jude gewesen, dafür 
liegen sichere Zeugnisse genug vor 2). Er hatte in seiner Jugend, 
wie jeder andere Genosse seines Glaubens, sich ohne Zweifel 
die nothwendigen Kenntnisse in der „heiligen Sprache" er- 
worben; aber sein eigentliches Studium sollte es nicht werden, 
er war Arzt und ist es ohne Zweifel auch sein Leben hin- 
durch geblieben; noch 1517 beglückwünscht Erasmus den 
kranken Peter Aegidius, dass er einen Arzt (Adrianus) zum 
Freunde habe^). 

Wann und wo Adrianus geboren, in welcher Weise er 
sein Leben zugebracht bis zu dem Augenblick, wo er uns 
zuerst begegnet, können wir nicht sagen ; auch von da an, wo 
wir die erste sichere Spur von ihm besitzen, können wir keine 
Annalen seines Lebens liefern^ wir sind auf fragmentarische 



1) Er sagt von einer Schrift Pfefferkorns (einer Uebersetzung des Ave 
Maria u. s. w. in's Hebräische), sie sei von Adriano Hispano iuste reprehensa. 
Reuchlin an die Pariser Fakultät 19. Juni 1514. Epp. ill. vir. v 3 b. 

2) Erasmus schreibt an Aegidius Busüdius: Adrianus genere Hebraeus, 
sed religione iam olim Christianus. Erasmi Opera ed. Lugd. Bat. vol. III, 
col. 353. u. a. m. 

3) Er. Opp. a. a. 0. Epist. CCXL. col. 236. 17. April 1517, 



Notizen angewiesen, die aller Orten haben angelesen wem'^^ ^ 
müssen. Nach Conrad Pellikans Weggang (1509? 1510?), m ^^" 
dem gelehrten Bnchdracker Johann Amorbach in Bufld V^^^ 
den Unterricht seiner Söhne im Hebräischen nnd ftr dicM^^^^ 
ausgäbe des Hieronymns nützlieh gewesen war, nahm Ao» ^^ 
bach den Adrianns in sein Haus auf. Er war von ReudB'^^^^ 
und Pellikan warm empfohlen. Wie er deren Bekamitsew^^ * . 
gemacht, darüber fehlen uns die Nachrichten; Pellikan bttSF^.^ 
im Hebräischen unterrichtet, und der Schüler rühmt den ' '^ 
ungemein: „Er habe von ihm mehr gelernt, als von 
einem Andern, und viele Nächte schlaflos mit ihm zngebracUf' V^ 
Sein Antheil an der Herausgabe des Hieronymns lässt r^^^^ 
nicht bestimmen, dass er aber im hebräischen Unterricht 
die drei Söhne Amorbach's, Bruno, Basilins nnd Bonifadn^^ 
Treffliches geleistet, beweisen spätere Zeugnisse '), auch wi8fla|^ 
wir, dass er mit ihnen weiter in freundschaftlicher Verbind 
geblieben ist^). Einige Jahre wird er wol in AmorbaeVi 
Hause oder jedenfalls in Basel geblieben sein; gegen 
Jahr 1513 wurde von ihm Wolfgang Fabritius Capito in deifj^^ 
hebräischen Sprache unterrichtet. Dass der Unterricht voi 
Erfolg begleitet gewesen, meldet Sebastian Münster, freilicklb. 



1) Für Adrians Stellung bei Amorbach vgl. Fechter: Bonifacins Amo^|.i 
bach in : Beiträge zur Vaterland. Gesch. Basel 1843. 2. Bd, S. 179 fg. 

2) Erasmu« rühmt die tres doctissiraos juvenes fratres Amorhacchios, 
Hebraicarum quoque literarum pulchre doctos, an den Cardinal Grimanns 
31. März 1515. £r. Opp. III. col. 143; vgl. auch Praeüatio in Angnstinnm 
(1529) coL 1249; ähnlich au Leo X. col. 154. In diesem Briefe, der Wid- 
mung der Ausgabe des Hieronymns an den Papst, bezieht sich aber die 
Stelle: Quod idem (nämlich die Verbesserung der vielen Fehler) fsLctam est 
et in Hebraicis: verum oux avsu Ör^a^to;, ut Graecum habet proyerbium, 
quod eas literas ipse primoribus modo labris degustarim (coL 153), wol auf 
Beuchlin, von dem es dann bei Aufzählung der Mitarbeiter heisst: Inter 
quos est eximius ille vir Joannes Beuchlinus Phorcensis, trium linguarum 
Graecae, Latinae et Hebraicae pene ex aequo peritus, ad haec in nuUo doc- 
trinae genere non versatus, ita ut cum primis certare possit. Unde merito 
virum hunc ceu phoenicem et unicum suum decus tota suspicit ac veneratur 
Germania (col. 154). 

Ikk ^) Bruno schreibt an Bonifacius (1519): Habes Matthaeum Hadrianum, 

^^quondam in litteris hebraicis praeceptorem nostrum, virum Optimum qui te 
^^pon secus ac filium amat. Fechter a. a. 0. 



Johann Böschenstoin und Matthäus Adrianns. 43 

nennt er den Adrianus einen difficilis praeceptor ^) ; ob das 
auf seine Lehrmanier oder auf seine Umgangsformen, die, wie 
wir noch sehen werden, allerdings nicht Jedem annehmbar 
schienen, sich bezieht, ist ungewiss. 

1513 wandte sich Adrianus — die Veranlassung dazu ist 
unbekannt — nach Heidelberg. Er lehrte hier Hebräisch bis 
1516, wie es scheint, ohne öffentliche Lehrthätigkeit, nur 
privatim^). Gewiss sind Viele von ihm während dieser Zeit 
zu diesem Studium angeregt oder in demselben gefördert 
worden, von dem später so bekannten Theologen Johann 
Brenz ist es sicher, dass er hier 1514 seinen Unterricht an- 
gefangen hat^), ebenso von Johannes Oekolampad^). 

So wenig wir wissen, welche Veranlassung ihn nach 
Heidelberg getrieben hat, so unbekannt ist es uns auch, was 
ihn zum Verlassen dieser Universität bewog. Wenn es richtig 



1) Sebastian Münster, Vorrede zu Opus grammaticum consummatum : 
Circa annum Christi 1513 Wolfg. Capito .... nactus copiani cuiusdam Judaei 
baptizati, Matthaei seil. Adriani, coepit et ipse sub difficili tarnen prae- 
ceptore, feüciter hebraicari. Wo der Unterricht stattgefunden hat, lässt sich 
freilich nicht bestimmen. Adrianus mag man sich bis gegen Ende 1513 in 
Basel denken; aber nach der Darstellung Baum's (Capito und Butzer, Elber- 
feld 1860, a. 12—17) ist Capito 1512—1515 in Bruchsal gewesen und erst 
im Mai 1515 nach Basel gekommen. Dagegen Folgendes geltend zu machen 
scheint bedenklich. In der Leydener Ausgabe der Briefe des Erasmus (vom 
Jahre 1706, Opera Tom. III), die wegen der Unzuverlässigkeit ihrer Brief- 
daten berüchtigt ist, findet sich ein Brief des Erasmus an Henricus Bovillus 
vom 31. August 1513 (col. 129, nro. CXLVIIL), worin er schreibt: Fabricius 
Capito in insignem Theologiae cognitionem in Basiliensis Ecclesiae CoUegium 
cooptatus, ubi publicum concionatorem agit. Danach müsste also die Be- 
rufung schon vorher, vielleicht gegen Anfang 1513, erfolgt sein. Erasmus 
fahrt fort: vir, praeter alias egregias discipliuas trium linguarum non vul- 
gariter peritus, graecae, latinae et hebraicae; domique vita tam integra, 
moribus tam piis, ut nihil unquam viderim incomiptius. Die Stelle würde 
ihrerseits zu dem Schlüsse führen, dass Capito schon vor dem Unterrichte 
Adrians ein tüchtiger Hebräer gewesen sei. 

2) Vgl. Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg. 1. Band. S. 370. 

3) Beyschlag, Leben des Brenz, p. 330. Einen Beweis seiner Kennt- 
niss legt er in einem Briefe an Pirckheimer ab, dem er schreibt: Veneran- 
dum certe ac pröpemodum divinum apud me BiHbaldi nomen nam tofe^ ^ßS 
t^K hhll (Proverb. XII, 8) abgedruckt bei Freytag: Epistolae virorum doc- 
torum (Leipzig 1831) p. 3. 

4) Herzog, Leben Oekolampad's (Basel 1843) I, S. 107, wo der Lehrer 
unrichtig Matthäus Adriani genannt wird. 



44 Johann Böschenstein und Matthäus Adrianus. 

ist, dass er schon 1516 Heidelberg verlassen hat, so sind wir 
wieder für ein Jahr ohne Nachricht: 1517 treffen wir ihn in 
Lüttich. Hier hatte er den Berselius, einen Freund des Eras- 
mus, zu grosser Zufriedenheit des Schülers einen Monat lang 
im Hebräischen unterrichtet; jetzt trieb ihn die Lust, den 
Erasmus kennen zu lernen, nach Löwen; Berselius gab ihm 
einen Empfehlungsbrief mit (17. September 1517), wünscht 
aber sehr, der Ueberbringer möge zu ihm zurückkehren^). 
Aber dieser Wunsch sollte nicht im Erfüllung gehen. Ein 
reicher Freund des Erasmus, Hieronymus Buslidius, war ge- 
storben und hatte in seinem Testamente zur Errichtung eines 
collegium trilingue eine Summe von mehr als 20,000 Franken 
vermacht ^); dem Erasmus war die Einrichtung desselben, die 
Wahl der Professoren übertragen worden. Schon am 26. Octbr. 
meldet Erasmus einem Freunde, ein vorzüglich gelehrter He- 
bräer, Matthäus, sei da 3). Er schickte ihn alsbald dem 
Aegidius Buslidius, dem Bruder des Verstorbenen, zu, dem er 
wol gefiel. Um ihn dem Buslidius zu empfehlen, konnte 
Erasmus kaum genug Worte finden: kein Anderer sei in der 
Kenntniss des Hebräischen mit ihm zu vergleichen, das meine 
nicht er allein, alle Gelehrten Deutschlands und Italiens be- 
zeugten dies. Er sei so gelehrt und in jeder Beziehung aus- 
gezeichnet, dass man seine Ankunft als eine günstige Schickung 
Gottes betrachten müsse; man dürfe ihn nicht loslassen, er würde 
ihn halten, und sollte er ihn auf eigene Gefahr annehmen ^). Zur 
Zeit, als er dies schrieb (Novbr. 1517), hatte Matthäus noch nicht 
seinen festen Wohnsitz in Löwen genommen^). Aber schon 



1) BerseHusDesiderioErasmo in Opp.Er.III. coL 1633 (Epist. CLXXXVIII 
appendix) 17. Sept. 1517. 

2) Er. Budaeo: Destinata enim sunt huic negotio plus viginti fran- 
corum millia. 22. Febr. 1518. Opp. III. col. 305 epist. CCCy. 

3) Thomae Lupseto Opp. III. col. 1638. Epist. CXCVI (Append.). 

4) Opp. III, col. 353, Epist. CCCXXXVIII. Das Datum, 18. Oct. 1518, 
ist gewiss falsch, es muss heissen 1517. 

5) Pro Hebraeo benigne comiterque accepto agerem tibi gratias, oma- 
tissime Buslidi, ni magis liberet gratulari tibi cui nitro obtigerit ille votis 
Omnibus exoptandus ad hoc negotii, quod haud dubii toti genti Buslidianae 
famam ac decus pariet nunquam intermoriturum, quodque studia omnia variis 
modis collapsa restituet. Neque deerunt in caetris Gynmasiis, qui pulcher- 
rimum hoc institutum aemulentur . . . Matthaeus nondum huc commigrayit. 



Johann Bödchenstein und Matthäus Adrianns. 45 

am 30. November war er da ; Erasmus meldet dem Grafen 
von Nenenaar, dass Matthäus, der Freund Reuchlin's, 
den auch er kenne, bei ihnen eingezogen sei ^), und theilt die 
freudige Botschaft von der Aufnahme seines Lehrers dem 
Fabritius Capito mit 2). Und an den vielen Stellen seines so 
ausgedehnten Briefwechsels vergisst er nie, so oft er unseres 
Adrianus Erwähnung thut, ihn mit einem ehrenden Beinamen 
zu versehen, seine Kenntnisse als nach seinem und anderer 
gelehrten Leute Urtheil ausgezeichnete zu preisen 3). 

Und wirklich schien anfönglich Alles vortrefflich zu gehn; 
wir kannten bisher nur zwei Sprachen, jetzt lernen wir drei, 
konnte Erasmus bereits am 6. März 1518 melden. Matthäus 
unterrichtet lediglich in seiner Spracht, eine hebräische 
Partei schaart sich um ihn, deren Führer Martin Dorpe ist, 
bald wirst Du ein neues Zeitalter anbrechen sehn^). Aber 
schon am 13. März, wo Erasmus dem Oekolampad mittheilte, 
dass Adrian auf Lebenszeit angestellt sei, und dass Alles 
zur Zufriedenheit von Statten gehe^), schreibt er auch dem 
Capito über ein Begegniss, das er seinetwegen mit ihm gehabt 
habe und das, wie es scheint, in Geldangelegenheiten zwi- 
schen Capito und Adrian seinen Grund gehabt hat. Mit der 
ebenso leicht vergänglichen, wie schnell auflodernden Freund- 
schaft des Erasmus war es nun vorbei, schon jetzt, meint er, 
Adrian werde wegziehn, wie das seine Gewohnheit sei, auch 
aus Middelburg sei er bereits früher wegen Schulden fortge- 
zogen ^); seine Geldgier tadelt auch Dorpius in einem etwas 



Omatissimo viro Domino Aegidio Buslidio . . Erasmus. Opp. Er. III. col. 
1653. Epist. App. CCCXXXII. 

») Er. Opp. III. col. 1644 Epist. CCX. (Append). 

2) 6. Decbr. 1517, a. a. 0. col. 1646. Ep. CCXV. 

3) z. B. col. 270 epist. CCLXXV., col. 319 epist. CCCXIV., col. 382, 
epist. CCCLXVIII., col. 1654 epist. (append.) CCXXXIV. 

4) Petro Barbirio Opp. III, col. 307. Epist. CCCVII. 

5) a. a. 0. m, col. 1675, epist. CCLXXn (append.) 

^ De Mattheo dicam quod rideas. Inviserat illc nos . . cgo ne mihi 
tam occupato molestus esset, mitto tuas literas ad illum scriptas: rcdit ab 
atrio minister, nnntians illum tribus duntaxat volle conyenire; annuo, ad- 
scendit, exhibet epistolam, rogat uti sibi praelegara, nam deesse conspicillam, 
lege semiperiodmn, et mox ad illum versus, non admodum blandum, inquam, 
exordium, praestat ut ipse perlegas; imo, inquit, cupio te ista scire; pergo 



46 Johann Böschenstein und Matthäus Adrianos. 

späteren Briefe, wo er zugleich als Grund der Unzufriedenheit 
des Adrianus die schlecTite Ausbezahlung des Gehaltes an- 
gibt^). Unterdess hatte sich Adrianus über den Brief des 
Capito keineswegs beruhigt, er zürnte gewaltig und sagte, er 
sei von Capito aufs Aergste beleidigt worden^). Lange hielt 
er es nicht mehr aus, freilich weder die Geldverhältnisse noch 
der kleinliche Streit mit Capito mochten ihn zum Weggehen 
von Löwen veranlasst haben, letzterer um so weniger, da 
Capito nicht an demselben Ort lebte — der wahre Grund ist 
wol in dem Gegensatz zu suchen, der auch den Erasmus von 
Löwen vertrieb, in dem die freiere humanistische Partei sich 
gegen die Anhänger der scholastischen befand. Sie hatten, 
wie berichtet wird, dem Adrianus von Anfang an Widerstand 
entgegengesetzt, mit der Zeit wurde das eher ärger als besser, 
und als Adrianus gar in einer öffentlichen Rede den h. 
Hieronymus als einen gewöhnlichen Menschen darstellte, er- 
reichte die Wuth seiner Gegner ihren Höhepunkt: einer der 
Professoren, der später als Gegner Luthers so bekannt ge- 
wordene Latomus, gab eine Schmähschrift gegen ihn heraus 
und Adrian musste Löwen verlassen^). 

Er wandte sich nach Wittenberg. Schon am 7. November 
1519 hatte sich Luther an Spalatin gewandt, ihm das Gesuch 
Adrians geschickt, in Wittenberg das Hebräische zu lehren, 
und zur Berücksichtigung empföhlen, und am 7. December 



iussus: cum duriora semper succederent, moneo ut solus ipse legat; ille orare 
ut legere pergam; perlego, ridens interim: ille longam incoeptat apologiam, 
clamitans omnia esse falsissima, imo te sibi debere. Ego, quoniam erain 
occupatissimus, rogo ut eam fabulam in aliud tempus differat. Ait se tibi 
respondisse: minatur sese, quae in tua Granimatica docuisti, reprehensurum 
omnia. Opinor hominem hinc discessurum ut solet: nam ex Middelburgo 
cum surarao tumultu discessit ob aes alienum. 

Opp. III. col. 1675. Epist. CCLXXII (App.). 

1) DorpiusErasmoinEr. Opp. III. col. 332. Epist. CCCXXIII. 14.Julil518. 

3) Erasmus Capitoni. Opp. III. col. 1682 nro. CCLXXXIX (Append.) 
19. Octbr. 1518. 

3) Das Letzte nach Köhler: Beyträge zur Ergänzung der deutschen 
Kunst- und Literaturgeschichte, Leipzig 1794. Th. 2, S. 14—17. Die Stelle 
über Hieronymus lautet: Homo erat H., multa nescivit, alicubi dormitavit, 
quaedam casu praeteriit — multa depravata sunt. 



Johann Böschenstein nnd Matthäus Adrianos. 47 

wiederholt er die Bitte 0. Bald waren die Unterhandlungen 
im Gange; für 90 oder 100 Gülden jährliche Besoldung war 
Adrian bereit, die Stelle anzunehmen. So leicht scheint der 
Churflirst aber sich nicht dazu haben verstehen zu wollen, 
und erst auf die dringende Mahnung Luthers, ihn wenigstens, 
um die Schande zu vermeiden, auf ein Jahr zu nehmen, sonst 
würde er nach Leipzig oder nach Frankftirt a. 0. gehen, er- 
folgte die Anstellung (16. April 1520 2). Ein sehr freundliches 
Verhältniss scheint trotz der grossen Mühe, die Luther sich 
gab, ihn nach Wittenberg zu ziehen, trotz der grossen Aner- 
kennung, die er seinen Fähigkeiten zollte, zwischen ihm und 
dem neuen Ankömmling nicht geherrscht zu haben; wenn 
Luther auch in verschiedenen Dingen ihm behülflich war, ihm 
zu seiner plötzlich geschlossenen Heirath (13. Januar 1520) 
alles Glück wünscht, so beklagt er sich doch ziemlich bitter 
darüber, dass Hadrian ihm ziemlich viel zu schaffen mache ^). 
Noch nicht vier Monate später war das Verhältniss vollständig 
gelöst: Adrian wüthet, schreibt Luther (3. Oktober), und sucht 
eine Gelegenheit, fortzugehn. Ich habe ihm nichts gethan, 
dennoch verfolgt er mich, will mich das Evangelium lehren, 
er der nicht einmal seinen Moses versteht *). Und kaum einen 
Monat darauf war die Feindschaft offen ausgebrochen, Adrian 
hatte sich der Lehre Luthers, dass nur der Glaube etwas ver- 
möge und die guten Werke ohne Kraft seien, widersetzt. 
Einen ganz ungelehrten Menschen in der Theologie nennt er 
ihn, vollständig unnütz und gleich zu entlassen 5), und wäh- 
rend er sich früher sehr bemüht hatte, den Adrian nach 



1) de Wette: Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedenken, I, S. 365. 
366. 373. Wenn bereits am 6. Deebr. 1519 Petrus Mosellanus von Meissen 
aus an Julius Pflug schreibt: »Churfürst Friedrich verschreibt jetzt Mat- 
thäum Hadrianum, den stattlichsten hebräischen Medicum unserer Zeit, aus 
Löwen nach Wittenberg,« Luthers Werke ed. Walch, Band XV. p. 1425, so 
ist entweder das Datum falsch, oder Mosellan berichtet etwas als sicher, 
worüber die Unterhandlungen kaum begonnen waren. 

2) de Wette, Luthers Briefe, I, S. 420. 440 fg. Die erfolgte Anstel- 
lung meldet auch Melanchthon an Johann Hess und Lange in Corpus Re- 
formatorum ed. Bretschneider vol. I, p. 161. 168. 

8) de Wette, I, S. 442. 445. 449. 454. 

4) de Wette, I, S. 492. 

6) 4. Novbr. 1520, de Wette, I, S. 522. 



48 Johann Böschenstein nnd Matth&us Adrianns. 

Wittenberg zu ziehn, verschafft er ihm jetzt (17. Februar 1521) 
gern die erbetene Entlassung, und freut sich, von diesem 
Menschen befreit zu sein^). 

So ist er aus Wittenberg fortgezogen, riiöglich dass er 
sich nach Leipzig gewandt hat, wie Luther vermuthete 2). 
Ein talentvoller Mensch, von vielem Wissen und freier An- 
schauung in Leben und Glauben, der es wol weniger seiner 
Unverträglichkeit zuzuschreiben hatte, dass er nirgends eine 
feste Stätte finden konnte, sondern den kleinlichen Nachstel- 
lungen, die ihm seine Gegner bereiteten, die es nicht zu ver- 
gessen schienen, dass er ein Jude war 3). 

Von seinen Schülern ist noch Sebastianus Nucenus zu 
erwähnen, der in Löwen bei ihm hörte und der uns noch 
später beschäftigen wird; von hebräischen Schriften findet 
sich nur eine Uebersetzung der Oratio dominica erwähnt^). 

Ungleich bedeutender als Adrian ist JohannBöschen- 
stein, der durchaus nichts gethan zu haben scheint, um den 
Hass zu verdienen, mit dem man ihn verfolgt hat. Man bat 
ihn häufig den zweiten Wiedererwecker der hebräischen 
Sprache genannt und ohne Zweifel verdient er nach Reuchlin 
einen hervorragenden Platz. Böschenstein ^) war 1472 in 
Esslingen geboren. Er lernte — ob in seiner Vaterstadt oder 
anderswo, ist nicht bekannt — von Juden das Hebräische 
und das hat wol hauptsächlich die Veranlassung gegeben, 
ihm vorzuwerfen, er sei ein geborener Jude. Wir lassen ihn 



1) de Wette, I, S. Ö60. 

2) Vgl. auch Wiedemann: Dr. Johann Eck, Regensburg 1865, S. 177, 
Anm. 62, der aber falschlich einen Brief auf Sylvius Egranus bezieht, der 
auf unsern Adrianus zu deuten ist. Egranus war noch 1527 mit Luther 
befreundet, nach Döllinger: Die Reformation, I, S. 132 fg. 

3) So schreibtMelanchthon an Spalatin (22. Febr. 1521): De Wittemberga 
hoc tempore nihil novi scribere possum. Nam de Adriano «J^EvSo/pfarcu, sive 
ipavis Hebraeo, ex aliis intelliges. Corp. Ref. I, p. 359. 

*) Vgl. Genaueres in meiner Bemerkung im Serapeum 1868, Nro. 13, 
S. 197, Anm. 2. Seine Intoductio ad Linguam Hebraicam, Basileae 1518 
in 80 und Haganoae 1519, in 40, erwähnt Wolff: Bibliotheca Hebraea IV, 
S. 273. 

5) Eine Biographie hat Köhler: Beyträge zur deutschen Kunst- und 
Literaturgeschichte, Leipzig 1794, 2. Theil, S. 1 — 23, gegeben. 



JohMin Böschensiein und Matth&us AdrUno«. 49 

selbst erzäI4eD ^). „Hat sich aber begeben , das ein gaistlich 
person mich dargeben, ich seye ain getaufften Jud, und mein 
vatter sey ain hochgelerter Raby undern Juden gewesen, da- 
nunb sey ich wider die Bilder und Gemäl, das man sy nit 
machen oder brauchen soll etc. Des muss ich mich (Gott 
verzeyhe mirs) verantwurten, nit von meinen wegen, sonder 
meiner fireundtschafft und meinen nachkumenden gepluet zu 
gut. Und ich sag also, mein lieber vater sälig ains gar alten 
geschlechts der stat Stain am Reyn underhalb Costenz ge- 
boren und herkommen, ist gut Heinrich Böschenstein und 
noch heut, auff Datum diser schrifft, meines vatters bruders 
sun gut Klöwe Böschenstain und Batt Böschenstain, noch 
disen tag zu Stain vischer seind, heuslich und Burgerlich da 
wonend. Das red ich nit darumm, ob ichjoch (wie der Bru- 
der von mir sagt) ains Juden sun were, mich dester 
verwürflicher vor got schätzen, dann ich wayss das 
got keinpersonbesonder ansicht,aber ainyeder, dergot 
ilircht und wtirkt die gerechtikeit, er sey welches geschlechts 
oder Volks er wolle, der ist angenem got dem herren, aber 
ich muss dannocht meinen nachkommen zu gut disen argk- 
won umbstossen" 2). Und an einer andern Stelle desselben 
Schriftchens : „Also (nämlich den reinen christlichen Glauben) 
haben mich meine frummen altern, vatter und mein liebe 
mutter gelert, die frumm gebom Christen seind gewesen, das 
ich mit ainem Ersamen Bat der stat Esslingen, und der stat 
Stayn in Schweytz, genugsam beweysen mag. Auch hab ich 



1) Das Folgende ist entnommen aus: Ain diemietige Versprechung: 
Durch Johann Böschenstain, gebom von Christenlichen altem, ausz der stat 
Esslingen, wider etlich die von jra sagen. Er seye von Jüdischem stammen, 
und nit von gebomen Christen herkommen, Zugesannt dem Christenlichen 
sejnen lieben Brader Andreo Osiander, Prediger zu Nümberg, der samlung 
sant Lorentzen Pfarr genandt s. 1. e. a 5 Bll. in 40, auch abgedmckt bei 
Hummel: Neue Bibliothek von alten und seltenen Büchern, Nümberg 1775, 
I, S. 415 fg., der es wol mit Eecht ins Jahr 1523 setzt, in welchen! Oslan- 
der Pfarrer zu St. Lorenz in Nümberg wurde. lieber Osiander vgl. unten. 
Wer die »gaistlich person" ist, von der Böchenstein tadelnd spricht, ist nicht 

bekannt. 

2) Dass er auch von Juden gehasst sei, weil er ihre Sprache gelemt 
habe, gibt er in dem unten anzuführenden Briefe an Eeuchlin an; als einzige 
Ausnahme nennt er seinen Lehrer Moses Möllin aus Weissenburg. 

Geiger, Stadium. 4 



50 Johann Boschenstein und Matthäns Adrianns. 

darnach getreuwe frumme Christglaubige schulmayster gehapt 
an vil orten, auch auff Hohenschnlen bey frommen gelerten 
männern die schrifft gelernt." Er kannte den Grand des gegen 
ihn gerichteten Vorwurfs ganz gut und spricht sich am Schluss 
darüber so aus : ,, Allerliebster Andrea, dises hab ich dir zage- 
schriben, das ich wayss, dich auch mit sollich gleicher that 
angetascht und verletzet von aynem Phariseyschen menschen 
mit unwarheit, wir müssen entgelten der Hebrayschen 
hayligen sprach, so wir von Christenlichen altern gebom, 
und diser (bey vns ungewonlichen) hayligen zungen ain 
wenig bericht seynd, von unverstandnen menschen verhasst 
werden." 

Trotz dieses energischen Dementis, das Böschenstein dem 
über ihn verbreiteten böswilligen Gerüchte entgegensetzte, er- 
hielt es sich doch und selbst Sebastian Münster gab sich, 
vielleicht durch kleinlichen Neid dazu bewogen, zur Verbrei- 
tung desselben her. Zu der Angabe, dass Böschenstein ein 
getaufter Jude gewesen, fligt er den neuen Vorwurf hinzu, 
dass er zu den getauften Juden gehört habe, „die am An- 
fange des erwachenden Studiums privatim aber ohne Erfolg 
die heilige Sprache lehrten, da sie kein lateinisch verstanden ; 
Böschenstein namentlich habe seinen Schülern viel Geld abge- 
nommen, aber nichts gelehrt. Zeugen sind die, die ihn gehört 
haben" ^). Den letzten Vorwurf ebenso absolut zu verneinen, 
wie den ersten, ist aus Mangel an Zeugnissen nicht möglich; 
die drei Männer, von denen es hauptsächlich bekannt ist, dass 
sie Böschensteins Unterricht im Hebräischen genossen haben, 
Caspar Amman, Johann Eck und Sebastian Sperantius, haben 
sich allerdings nicht über ihn beklagt^). 



1) Fuemnt et in exordio huius nascentis studii quidam baptisati 
Judaei, qui privatim sed sine fructu docnerunt sacram lingoam, caientes 
latinae cognitione, inter quos Joannem Anchsenstein numerandnm censeo, 
qui levato multo aere a discipnlis nihil docuit. Testes sunt qui illum audie- 
runt. Sebastian Münster, Vorrede zum Opus grammaticum consunmiatiun. 
Die Corrumpirung des Namens Böschenstein in »Auchsenstein« darf nicht 
Wunder nehmen ; in gleicher Weise kommen Bossensthenius u. A. vor. 

2) Ueber Johann Eck s. o. S. 30, A. 1, über Caspar Amman unten, 
Sebastian Sperantius war Bischof von Brixen und stand mit Beuchlin in 
Briefwechsel. Diese und viele andere nennt Böschenstein als seine Schüler 



Johann Bteehenstein nnd Matth&ns Adrianns. 51 

Auch sonst ist es nicht sehr wahrscheinlich, denn er war 
als Lehrer sehr gesucht, und wenn ihm das Glück nirgends 
hin folgte, so war das nicht die Schuld seines Mangels an 
Fähigkeit. Nachdem er in Esslingen (?), seiner Vaterstadt, das 
Hebräische gelehrt, aber hier Verfolgungen von den Feinden 
der Aufklärung zu erleiden gehabt hatte und sogar ins Ge- 
föngniss geworfen worden war '), ging er 1514 nach Augsburg 
nnd setzte hier seine gewaltsam unterbrochene Thätigkeit 
fort, ohne sich auch hier den Vorwürfen wegen seiner Ab- 
stammung und sonstigen gehässigen Anklagen entziehen zu 
können. Dann gehörte er Ingolstadt eine kurze Zeit an — 
wol nicht als Universitätslehrer, 1518 kam er nach Witten- 
berg. Melanchthon hatte bald nach seiner Ankunft in Witten- 
berg auch hebräisch zu lehren angefangen, doch freut er sich 
über die Berufung Böschenstein's : er wolle ihm gerne den 
bisher innegehabten Platz einräumen, ihn in seiner Aufgabe 
soviel als möglich unterstützen, um ihm zum Schreiben und 
Herausgeben Zeit zu lassen ^). ^^Von Böschenstein gefällt Alles 



in einem Briefe an Benchlin, 2. Jnni 1514, mit welchem er ihm eine kleine 
Schrift widmet. Dieselbe führt den Titel : nrniH »SnK OVa CONTENTA 
IN HOC LIBELLO NVPEE a Joanne boeschenstein esslingensi edita 
Elementale introductorim in hebreas literas teutonice et hebraice legen- 
das XL, s. w. Am Ende: Auguste ex officina Erhard! oeglin mense Maio 
Anno MDXim, 3 Bogen ä. 4 Bll. in 40. 

Dieses sehr seltene Schriftchen (ich habe es aus der Heidelberger 
Bibliothek benutzt) wird als das erste in Augsburg gedruckte hebräische 
Buch angef&hrt. Es enthält ausser der kurzen Anweisung jüdisch- deutsch 
zu schreiben, dem ersten von christlicher Seite gemachten Versuche dieser Art, 
das eigentlich hebräische Alphabet; Eegeln über das Schewa und die Punkte; 
die Zehngebote, das Vaterunser, Ave Maria, Credo, Magnificat und einige 
Stücke aus den Evangelien hebräisch, lateinisch und deutsch. In dem Briefe 
sagt er, dass er das Schriftchen auf Verlangen seiner Schüler, namentlich 
aber auf dringendes Bitten Keuchlins veröffentlicht habe. 

1) Brief an Beuchlin: Nam quod scis me similis fortuna multos annos 
agitavit, quando scilicet a rabidis indigne laceratus et in carcerem coniectus fui. 

2) Melanchthon an Spalatin, Anfang September 1518. Corpus Kefor- 
matorum I, col. 44 fg. Das Album Academiae Wittebergensis ed. Förste- 
mann p. 77 erwähnt zwischen dem 2. und 5. November 1518 unter den 
Eingeschriebenen: Johannes boschenstein de Esslingen Privilegiatus Cesaree 
Maiestatis Pbr. Hebraice ligue (!) interpres Dioc. Constancien. ; aber das 
Datum muss, wenn man nicht annehmen will, B. habe sich einige Monate 

nach seiner Anstellung einschreiben lassen, irrig sein. 

4* 



52 Johann Böschen^tein und Mstth&as Adrianas. 

sehr wohl", schreibt er an seinen Freund Spalatin ^), begleitet 
die Grammatik Böschensteins mit einem kurzen Nachwort und 
beeilt sich, dieselbe an Spalatin und an den Ghurfürsten von 
Sachsen zu schicken >). Im Anfang des nächsten Jahres 
empfiehlt er ihn an Christoph Scheurl in Nürnberg (wohm 
Böschenstein vielleicht im Auftrage der Universität ging) mit 
dem Zusätze, dass es ein trefiQicher Mann sei^). Aber im 
April verliess Böschenstein die Universität, weshalb? ist da- 
mals nicht klar gewesen und ist es heute noch weniger. 
Man bedauerte seiner Kenntnisse wegen ihn verloren zu haben, 
aber Luther vergisst ihm nicht einen kleinen Fusstritt mit- 
zugeben, indem er ihn unsem Böschenstein nennt, „dem Namen 
nach ein Christ, in der That aber ein Erzjude,"*) und Me- 
lanchthon erzählte boshaft genug 1550 Folgendes über ihn:^) 
„Wir hatten vor 30 Jahren einen Professor des Hebräischen 
hier, der sagte: was soll ich thun? ich kann anderswo leben, 
wo ich mich besser stehe. Ich fragte, welchen Ort er meine. 
Er antwortete : ich könnte in Regensburg unter den Juden frei 
leben. Einmal ging ich des morgens der Gesundheit wegen 
in ihrem Tempel spazieren. Da kam eine alte Frau, gab mir 
einen Batzen und bat mich flir sie eine Messe zu lesen (!), 
ebenso eine zweite und eine dritte, so kann ich die Woche 
sechs Batzen verdienen." 

Von Wittenberg begab sich Böschenstein nach Augsbui^, 
aber er blieb hier nur kurze Zeit; er kam nach Heidelberg, 
wo sein Aufenthalt gleichfalls nur ein ziemlich vorübergehen- 
der war — von seiner traurigen Existenz daselbst ist an 



1) 14. September, Corp. Ref. I, col. 45. 

2) 16. December 1518, 1. c. I, col. 56. 

9) 26. Januar 1519: Joannem Boeschenstain egregie doctum in hebraids 
meo privatim, dein et publico Universitatis nomine, tibi com- 
mcndo. Bonus vir est. 1. c. I, col. 61. 

*) An Job. Lang, 4 post Judica 1519; de Wette, Lutbers Briefe I, 254 
deutsch bei Walcb, Lutbers Werke, Band 15, Anhang S. 99 ff. 

5) Narationcs iucundae et utiles ex praelectionibus . . . Philipp! Me- 
lanchthonis, früher handschriftlich im Besitz von J. G. Schelhom, angeführt 
in dessen Ergötzlichkeiten aus der Kirchenhistorie und Literatur, 1763, 
IL Band, S. 737. Der Name Böschensteins ist nicht genannt, aber schon 
Schelhom hat ihn ergänzt. 



Johann Bdschenstein und Matthäus Adrianns. 53 

andenn Orte zu sprechen, lieber sein späteres Schicksal fehlen 
die Nachrichten, er starb 60 Jahr alt. 

Seine schriftstellerischen Leistungen können nur theil- 
weiee in den Bereich der Betrachtung gezogen werden. In 
Wittenberg veröffentlichte er 1518 eine hebräische Grammatik *), 
bei der bekanntlich die typographische Merkwürdigkeit zu 
erwähnen ist, dass ftir die zahlreich vorkommenden hebräischen 
Wörter, ganze Tabellen u. s. w. -ein leerer Raum gelassen 
und dieselben nur hineingeschrieben sind. Böschenstein wid- 
mete sein Werk dem Churfürsten von Sachsen. Der höchste 
Ruhm sei der der Wissenschaften, er, der Fürst, habe ihn 
sich dadurch erworben, dass er auf seiner Universität die 
drei Sprachen lehren lasse, was bis dahin unerhört sei. Er 
müsse daher, setzt er mit einer gewissen stolzen Wohlgefällig- 
keit hinzu, als der erste öffentliche Lehrer ihm, der zuerst 
einen Hebräer an eine Universität berufen, sein Werk widmen» 
Zwanzig Jahre lang habe er bereits privatim diese Sprache 
gelehrt, welches Glück ftlr ihn, sie nun öffentlich vortragen 
zu können ! Dieses glückliche Bewusstsein erhebe ihn über all 
den Neid, dem er bisher ausgesetzt gewesen sei, die Verfol- 
gungen, die er bisher zu dulden gehabt habe. „Die Juden 
hassten mich, weil ich eine Wissenschaft lehrte, die bisher 
den Christen unbekannt war; von ungelehrten und ungebildeten 
Priestern wurde ich beschuldigt mit Juden umzugehn, wäh- 
rend ich mich ihrer nur soweit bediente, um ihre wilden 
Weinstöcke in den Weinberg des Herrn zu tragen" 2). 



1) Hebraicae Grammaticae institutiones studiosis sauctc lingue a D. 
Johann Boschenstain C. M. C. coUecte. (Das Büchlein geht von links nach 
rechts) 4 Bogen a 4 BU. in 40. Auf der letzten Seite kurzes Nachwort 
Melanchthons; darunter: Wittenbergii in officina Joannis Grunenhergii Anno 
domini MDXVIII. Förstemann (in der Anmerkung zu Corp. Ref. I, col. 54) 
meint, die Buchstaben C. M. C. hätten Bezug auf Böschensteins Titel: 
Kaiserl. Maiestat gefreieter hebräisch. Zungenmeister. 

^ Vgl. 0. S. 49, A. 1. Die letzte Stelle, die wie die vorhergehenden ziem- 
lich stark ruhmredig ist, lautet: Odio Judaeis eram quod Kteras publicarem 
bactenns vulgo Christiane ignotas, a plerisque indoctis et male imbutis sacrificis 
criminabar indaice consuetudinis quibuscum eatenus conversatus sum quatenus 
feraces eis vites anferrem in vineam domini conserendas. Den Schluss bildet 
ein schönes Lob Beuchlins: Omnium autem quae vel hactenus scripsi, aut scrip- 
iaroB aliquando sum, clarissimum virum Dt Joannem BeuchUn Juris 4iyini 



54 Johann Böschensttiin und Matthäus Adrianas. 

Die Grammatik ist eine eigenthümliche Verbindung prak- 
tischer und theoretischer Lehrmethode. Nach der Aufzählung 
der Buchstaben wird die Eintheilung derselben, die Conso- 
nanten, Vokale, dann das Schewa behandelt; darauf folgt unter 
dem Titel: Incipit Genealogia Marie virginis ex qua homo 
natus est, Rex regum Hiesus n^K^D y^in^ deus optimus maxi- 
mus, die hebräischen Namen der Glieder dieser Geschlechter- 
reihe von Adam an, und die folgenden 5 Blätter sind mit der 
Erklärung dieser Worte, die zwei geschriebene Seiten aus- 
machen, angefüllt, in der jeder einzelne Buchstabe, jedes 
Zeichen, die Zusammensetzung der Silben u. s. w. ausein- 
andergesetzt wird. Dem eigentlich grammatischen Theil Ars 
grammatica ist der bei weitem kleinere Theil des Büchleins 
eingeräumt, er bespricht die Redetheile, die Deklination, die 
Artikel, die Zahlwörter, die Bezeichnung derselben mit Buch- 
staben, die Pronomina, endlich das Verbum, wo pakad als 
Paradigma zu den ziemlich kurz gehaltenen Tabellen gegeben 
wird. (Die Ausdrücke Kai, Niphal u. s. w. finden sich nicht, 
statt dessen wird Prima conjugatio, passivum primae u. s. w. 
gesagt.) Zum Schluss wird nochmals eine kurze Uebersicht 
der Butshstaben und- der Vokalzeichen gegeben. 

In Augsburg veranstaltete Böschenstein eine Ausgabe der 
Grammatik des Moses Kimchi, er hatte von dem Verleger 
Sigismund Grimm den Auftrag erhalten, die Fehler, von denen 
die vorhandenen Exemplare des Buches wimmelten, zu be- 
seitigen ^). Jedenfalls verstand er sich auf diese Arbeit besser 
als auf die Uebersetzung biblischer Bücher ins Deutsche, seine 
üebersetzung der Klage Jeremias und des 9. Cap. Daniels*) 



ac humani consultum, qui primus ex latinis de Hebraicis literis scribere 
adorsus est, et patronum et iadicem, ut semper yenäratus snm, ita nunc 
quoque dico et veneror. Auch bei einigen Erklärungen in der Grammatik 
findet sich der Zusatz : Secundum praeceptorem nostrum D. Eeuchlin. 

1) Budimenta Hebraica Mosche Eimchi a J. Boeschensteinio reyisa. 
Augsburg 1520. VgL^Wolf : Bibliotheca hebraea voL III, p. 810. 

2) Die klage Jeremie über Jerusalem, mit sampt dem gepet Danielis 
am 9. Kap. auss dem warhafEtigem Text, vonn wort zu wort verteutscht 
durch Johann Bösebenstein, E, Ma. gefreuter lehrer der Hebrayschen Zungen, 
1529 in 80. 



Die Schftler de» Elia« liWita. T*au] F:igin8 und Sebastian Müni^ter. 55 

ist in einem so jämmerlichen Deutsch abgefasst, dass man 
Schelhorn nicht Unrecht geben kann, wenn er nach Mitthei- 
lung einiger Proben ausruft: Wer sieht nicht hieraus, dass 
zwischen unseres theuren Lutheri und Böschensteins Ueber- 
setznng ein so grosser Unterschied als zwischen Tag und 
Nacht sei. 



V. 



Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagius 
und Sebastian Münster. 

Wir haben bereits mehrfache Beispiele davon gehabt und 
werden noch einigen begegnen, dass Christen von Juden im 
Hebräischen unterrichtet wurden ; oft sind uns die Namen der 
jüdischen Lehrer überliefert, manchmal auch nicht, selten 
waren es Männer von irgendwelcher Bedeutung, Keiner hatte 
sich als Schriftsteller ausgezeichnet. Ein Anderes ist es bei 
Elias Levita: er ward der jüdische Lehrer der Christen- 
heit. Eigentlich gehört er nicht in den Rahmen unserer Dar- 
stellung; nur seiner Lehrthätigkeit hätte kurz gedacht werden 
müssen. Aber die wissenschaftlichen Arbeiten seiner beiden 
hauptsächlichen Schüler Fagius und Münster — von denen 
übrigens nicht feststeht, wann sie seinen Unterricht genossen 
— knüpfen sich zu eng an ihn an, kehren immer wieder auf 
ihn zurück, bald durch Herausgabe, bald durch Uebersetzuü- 
gen seiner Werke, so dass es unmöglich ist, ihn aus unserer 
Darstellung, zu entfernen. 



1) J. G. Schelhorn 1. c. (s. oben S. 52, A. 5) II, S. 615 fg. - Eine Zu- 
gammenstoppelnng von Stellen des alten und neuen Testaments ist Böschen- 
steins Schrift, die, wie es scheint, sehr selten ist (Böckings Bibl. in Bonn). 
Ain getreuwe ennanung zu allem volck geistlichs und weltlichs Stands der 
Ciystenlichen kirchen, aufrur unnd zwytracht zu verhüten. 0. 0. u. J. 
6 Ell. in 40. Er nenne seinen Namen in dieser Schrift nur „So mir aber 
meiner person noch vil unnbillichs auflpgelegt, auch änderst und in annder 
gestalt aussgelegt wird, dann mein verstand ist/' 



56 I>ie Schüler des Elias Levita, Paul Fagius tmd Sebastian Monster. 

Eliah ben Ascher ha-Levi, auch Aschkenasi 
(Deutscher), nach seinen Werken : Bachur, Tischbi, von den 
Christen Elias Levita genannt, war in Neustadt an der Aisch 
bei Nürnberg geboren 1472 1), hatte seine Erziehung wol in 
Deutschland genossen und war vermuthlich seiner Ausbildung 
wegen nach Italien gegangen. Wir treffen ihn 1504—1509 in 
Padua, wo er das Hebräische lehrte, dann in Venedig bis 1512, 
wo freilich die Bltithe der jüdischen Typographie noch nicht 
vorhanden war, die erst durch Bomberg gezeitigt werden sollte, 
später in Rom. Hier lernte er den Cardinal Egidio (Petrus 
Aegidius von Viterbo (?) Freund und Gönner Reuchlins) kennen, 
wurde in seinem Hause aufgenommen und unterrichtete ihn 
im Hebräischen und empfing von ihm mannigfache Belehrung 
im Griechischen und in den profanen Wissenschaften ^). Nach 
14 jährigem Aufenthalt vertrieb ihn aus Rom, wie fast zwanzig 
Jahre vorher aus Padua, die Eroberung der Stadt (1527); er 
selbst zog aus, aller seiner Habe, auch seiner Bücher, be- 
raubt. Nun nahm er seinen bleibenden Wohnsitz in Venedig, 
unterbrach seinen ruhigen, ganz der eifrigen schriftstellerischen 
Thätigkeit gewidmeten Aufenthalt nur für ein paar Jahre, als 
er im Jahre 1541 dem Rufe des Fagius nach Isny folgte, und 
starb in Venedig, das er wie seine Vaterstadt liebt, in der er 
sterben wolle »), 1549, 77 Jahre alt. 

Levita war der Lehrer der Christenheit: das wurde ihm 
zum Vorwurf angerechnet; dass er bei dem Cardinal Egidio 
gewohnt, als Verbrechen ausgegeben. Er bekannte es stolz 



1) Man hat an dieser Angabe vielfach gezweifelt und gesagt, Elias sei in 
Italien geboren. Mir scheint in dieser Hinsicht das bisher unbeachtete Zeugniss 
Münsters entscheidend (Vorrede zum Opus grammaticum cousuinmatum) : Inter 
hos omnes excitavit Dominus et in Italia Judaeum quendam qui tamen natns 
fuerat in Germania, in Nova scilicet civitate super amne Eysch, haud pro- 
cul a Nurmberga, Eliam nomine. Die folgenden Lebensnachrichten gibt 
Elias selbst in einer der Vorreden zu seinem Buche n*TTDörT n^TOÖ "TfiD 
und zerstreut an anderen Stellen. Kritische Feststellung einiger Einzel- 
heiten gibt de Rossi: Historisches Wörterbuch der jüdischen Schriftsteller, 
übersetzt von Hamberger, Leipzig 1839, S. 178—183. 

ä) Das betont er besonders in seiner hebräischen prosaischen Vorrede 
zu seinem Werke Tischbi. 

3) de Rossi a. a. 0. S. 178. 



Die Schüler des Eliw Levita, Panl Fagin« und Sebastian Münster. 57 

md rühmte »ich dessen^). Noch könne er sagen: Preis dem 
lerrn, ich bin ein Hebräer, ich ehrfürchte Gott, der Himmel 
md Erde geschaffen. Die Lehrer hätten nur verboten, den 
]lhristen die Geheimnisse des Schöpftingswerkes , des gött- 
ichen Wagens zu lehren, die 7 noachitischen Gebote aber 
lätten sie ausdrücklich erlaubt; wie sei es aber möglich 
larin zu unterrichten, wenn man nicht vorher den Schülern 
lie hebräische Sprache, in der diese Gebote geschrieben 
vären, beibrächte? Nicht blos einen habe er die hebräische 
Sprache gelehrt, sondern eine grosse Zahl Schüler gehabt, 
md alle diejenigen, welche wieder von diesen gelernt, wolle 
)r als seine Schüler anerkennen. Diese Mittheilung ergänzt 
?agius^), wenn er berichtet, dass Levita zahlreiche Schüler 
gehabt, aber nicht blos unbedeutende Leute, sondern die her- 
vorragendsten Männer unter denselben gezählt, Cardinäle, 
Jischöfe, Gelehrte an allen Orten. Alle würden wünschen, 
lass seine Jahre stets sich erneuerten; das wäre ein grosser 
/"ortheil für Alle, Juden und Christen, die sich mit der hei- 
igen Sprache beschäftigten. Mit welchem Beifall sein Unter- 
icht aufgenommen wurde, das zeigen die verschiedenen Be- 
ufungen, die er von mehreren Seiten, unter Anderm auch 
om König von Frankreich nach Paris, erhielt; er schlug sie 
iber aus*). 

In welcher Weise ihn die deutschen Gelehrten betrach- 
eten — und dieser Gesichtspunkt ist jetzt für uns von haupt- 
sächlicher Wichtigkeit — zeigt am besten die ausführliche 
Schilderung j die Paul Fagius von ihm entworfen hat*): 
„Levita ist ein ausgezeichneter Grammatiker, eine seltene 
Eigenschaft bei den Juden überhaupt, besonders bei den 



1) Das Folgende aus seiner oben, S. 56 Anm. 1, angeführten Vorrede. 

2) In seiner gleich näher zu besprechenden lateinischen Vorrede zu 
Levita's Tischbi. 

8) Hebräische prosaische Vorrede Levita's zum Tischbi, vgl. Frensdorif : 
Aus dem Sefer Hasichronot von Elias Levita in Frankeis Monatsschrift für 
Geschichte und Wissenschaft des Judenthums, 1863, XII, S. 18 und Anm. 3. 

*) Lateinische Vorrede zum Tischbi Isnae in Algavia MDXXXXI. Das 
^»k selbst wird später betrachtet werden. Die im Text gegebene XJeber- 
setzung macht keinen Anspruch auf Wörtlichkeit, sondern nur auf treue Wieder- 
gabe des Sinnes. 



58 I>ie Schüler des Elias Levita, Pani Fagius und Sebastian Münster. 

deutschen, sein ganzes Leben hat er damit zugebracht, um 
sich diese Kenntnisse anzueignen. Die Werke bewährter 
Schriftsteller hat er alle gelesen, von seinem Verständnis« 
derselben in seinen eigenen Schriften ruhmvolles Zeugnis» 
abgelegt. Aus diesen Schriften haben Alle geschöpft, die «ich 
mit hebräischer Sprache beschäftigt; die in derselben gegen- 
wärtig verbreiteten Kenntnisse sind sein Verdienst, das die 
Schüler laut und ohne Erröthen anerkennen. Wie die he- 
bräische, so kennt er auch die chaldäische Sprache, die chal- 
däischen Bibeltibersetzer hat er mit Fleiss und Sorgfalt ge- 
lesen, eine Frucht dieser Studien ist sein cbaldäisches 
Wörterbuch '). In der Bibel, mit der sich die übrigen Juden, 
die ihre Zeit meist auf thalmudische Spielereien und andere 
Nichtigkeiten verwenden, kaum beschäftigen, ist er so gelehrt, 
dass er nicht nur den Anfang aller biblischen Bücher, sondern 
auch einzelne Verse, Bedensarten, Zeichen, Accente u. A. m. im 
Gedächtniss hat, was bei einem so bejahrten Manne durchaoB 
wunderbar erscheint. Gerade dieses Alter gibt dem verdienteo 
Manne ein nicht geringes Ansehen, es empfiehlt seine Gelehr- 
samkeit als eine in vielen Jahren erprobte, zeigt das, was er ans 
seiner Büstkammer hervorholt, nicht als neu entstanden, son- 
dern als wohl un^ vielfach überlegt und durchgesprochen, ds 
fest und solid begründet. Von einem solchen Mann rnnm 
man lernen, von ihm, der, obgleich er Jude, dem christlichen 
Glauben nicht feindlich gegenübersteht, nicht spöttisch wie 
die übrigen seiner Glaubensgenossen über Christus sich aus- 
drückt, der ausser seinen positiven Kenntnissen einen reichen 
Schatz von Erfahrung besitzt und alles dies bereitwillig und 
mit wunderbarer Geschicklichkeit mitzutheilen versteht. Nnr 
ist zu fürchten, dass das hohe Greisenalter diesen Mann eines 
Tages unversehens aus unserer Mitte herausreisst, bis dahin 
aber muss man Gott danken, der ihn so lange erhalten und 
der todbringenden Parze noch nicht gestattet hat seines 
Lebensfaden abzuschneiden. Vor Allen bin ich flir 



1) (ut) ex illis Lexicon Chaldaicum doctissimum et ntiliaaiinnm, est 
nomen pJlinö fecit, coUegerit, quod propediem in communem utUitate» 
omnium studiosorum linguae sanctae >TH (Dtsn TiTT DM. (so Grott will) exöÄ 
cuarbimus. Es erschien noch in demselben Jahre 1541. 



Die Sattler des Elias Levita, Paul Fagius und Sebastian Münster. 59 

ohlthat verpflichtet, denn mir war vergönnt, nicht nur die 
shriften dieses Mannes zu lesen, sondern ihn selbst in der 
ähe za haben, als Gast aufznnebmen, mit ihm zu plaudern) 
und an Mund, wie der Hebräer sagt, mit ihm zu verhandeln; 
it seinem Bath und seiner Htüfe, die Elias, dieser, obgleich 
n Jude, dennoch seiner ausgezeichneten Gelehrsamkeit und 
nner wunderbaren Milde und Freundlichkeit alles Lobes 
ßrdige Mann, so gern ertheilt, meine hebräische Druckerei ^) 
i beginnen. Mir liegt es daher besonders ob, die des 
»bräischen Studiums Beflissenen zu ermahnen, diesen Mann 
. loben und zu preisen, dass er nach Deutschland ge- 
)mmen, um den Dank gegen sein Vaterland^) durch seine 
^briften abzutragen, die er in ihm veröffentlicht, der, obgleich 
n vielen Jahren gedrückt, nicht die verdiente Ruhe aufsucht, 
ndem Tag und Nacht unaufhörlich den hebräischen Studien 
liegt .... Noch eins, lieber Leser, wenn Du in diesem 
iche einige jüdische Spöttereien antriffst, so ^ wisse, dass sie 
i^ht von Elias angeführt sind, um sie zu billigen oder ihnen 
anben beizumessen, wie er selbst an einer Stelle deutlich 
»zeugt ^), sondern dass diese Stellen nur der Erklärung 
3gen beigefügt sind. Ich habe daher in meiner lieber- 
tzuug diese Stellen ausgelassen. Du sollst aus ihr nur die 
»bräische Sprache kennen lernen, nicht den jüdischen Glau- 
in billigen.'* 

Die letzte Stelle namentlich ist überaus interessant, das 
anze aber zeigt, wie sehr ein Jude durch seine Kenntnisse 
eht nur, sondern auch vermöge seiner Persönlichkeit im 
tande war, Achtung und Verehrung .seitens der Christen sich 
i verschaffen. Auch Sebastian Münster hegte die grösste 
erehrung vor seinem Meister, beide wetteiferten, die he- 
räisch geschriebenen Schriften des gelehrten Juden durch 
[ebersetzung einem weiteren Kreise zugänglich zu machen, 
ievita freute sich seiner Jünger, und wenn er Münster auf- 



^) Ueber die hebräische Druckerei, die Fagius in Isny errichtete, 
äehe unten. 

8) Vgl. oben S. 56, Anm. 1. 

^ üt alicubi etiain manifesto testatur, Mir ist die Stelle, auf die hier 
angespielt wird, nicht bekannt. 



60 Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagios tind Sebastian Mfinsier. 

forderte eine seiner Schriften zu tibersetzen*), so ehrte er 
den Fagius mit seinem Besuche, arbeitete wacker in seiner 
Gemeinschaft und gab ihm grosse Lobsprtiche, er verdiene, 
dass auf ihn angewendet werde was man über Maimonides 
gesagt habe: Von Paulus bis Paulus stand keiner auf, wie 
Paulus 2). 

Elias Levita war im Leben und in der Wissenschaft von 
der grössten Bescheidenheit. Ein stiller, emsiger Arbeiter, 
will er aus seinem einmal gewählten Arbeitsfelde, der Oram- 
matik und der Massorah, nicht herausgehen; bei seinem ersten 
etymologischen Interpretationsversuche entschuldigt er sich 
wegen seines Wagnisses. Es habe einmal ein Schuhmacher 
einen Maler auf einen Fehler im Zeichnen von Schuhen auf- 
merksam gemacht, da habe dieser den Fehler dankend ver- 
bessert; dadurch kühner geworden, habe der Schuhmacher 
auch an" den Knieen etwas aussetzen wollen , da habe ihn 
der Maler mit Schande und Spott weggejagt. Er fürchte, es 
werde ihm auch so gehen, es werde Jemand zu ihm sprechen: 
Was willst Du hier Elias? gehe und sprich über Grammatik 
und Massorah, aber hüte Dich in Fremdes Dich einzulassen, 
unbekannte rabbinische Wurzeln zu erklären^). Wenn er in l 
seinen Werken auf etwas Philosophisches, Kabbalistisches zu I 
sprechen kommt, so weist er es als nicht in sein Faeb h 
schlagend ab , keineswegs aus Verachtung , wie er z. B. von l 
der Kabbalah sagt: Ich bin nicht würdig ihren Inhalt zu er- l 
örtem, denn ob meiner Sünden habe ich diese Wissenschaft l 
nicht gelernt, und die Kenntniss dieser Heiligen weiss und j^ 
begreife ich nicht. Namentlich in seinem Werke Tischbi tritt 
dieser Standpunkt hervor. Tischbi (oder Thisbite, Beinamen 
des Propheten Eliah, an Zahlenwerth = 712) enthält die Er- 
klärung von 712 rabbinischen Wörtern. Es wurde von Fagias 
herausgegeben und mit einer lateinischen Vorrede und üeber- 
setzung versehen*). Levita erzählt, wie er nach Beendigung 



1) Das berichtet Münster in der Einleitung zn Levita's oyüf Basel 1527. 

2) Prosaische hebräische Vorrede zum Tischbi. 

3) Poetische hebräische Vorrede zum Tischbi. 
4 Opusculum recens hebraicum a doctissim© Hebraeo Elia LeviU |c 

Germano Grammatico elaboratum, cui titulum fecit ''ÄWn i. e. Tischbi, i* 



Die Sehfller des Elias Letrito, Paul Fagins and Sebastian Münster. 61 

les Baches einen Druckort gesucht habe und es nach Bologna 
SU Bomberg habe schicken wollen ^ da sei ihm ans Deutsch- 
and die firendige Kunde gekommen , ein Christ habe eine 
lebräische Druckerei gegründet, erbitte sich seinen Beistand 
lazu und wolle seine Werke drucken. In dem Werke wollte 
ir keineswegs, wie das talmudische Lexikon, der 'Aruch, alle 
;almudi8chen und midraschischen Ausdrücke zusammenstellen, 
sondern nur solche, bei denen er etwas Neues zu sagen 
^Bste. Zu jeder Wurzel habe er Erläuterungen aus den 
^haldäischen Bibelübersetzungen, Beweise aus anderen Spra- 
chen, dem Griechischen, Lateinischen und Italienischen, bei- 
gebracht. Wie er in kabbalistischen Dingen zu Werke geht, 
aaben wir schon gesehen; hören wir, wie er philosophische 
md allgemeine Beligionsbegriffe erklärt. Bei dem Wort 
Ä^n D^ly : „zwischen den Neueren ist ein Streit über die Zeit 
ier künftigen Welt. Einige sagen, sie bedeute das Leben 
ier Seele, das gleich nach dem Tode beginne. Andere, ^ie 
sei die Zeit des Messias, die Dritten, sie sei die Zeit der 
Wiedererweckung der Todten. Jeder bringt Beweise zur 
Unterstützung seiner Meinung herbei, ich bin nicht würdig, 
uich unter die Schaar dieser Weisen zu mischen; wer die 
Trage genau ergründen will, der sehe die Erklärung Isaak 
^barbanells nach'^ Auf dasselbe kommt er auch bei dem 
/Vierte fc<l3^ THi; zurück, wo er den Unterschied dieses und 
les ersteren ebensowenig wie die wahre Bedeutung dieser 
ausdrücke entscheiden will. Bei DTp* „die Meinung der 
Uten, das Paradies habe vier Eingänge gehabt, als An- 
leutung des himmlischen Viergespanns, will ich nicht er- 
örtern". Auch von Thalmudischem spricht er mit gleicher 



quo 712 vocum quae sunt partim Hebraicae, Chaldaicae, Arabicae, Graecae 

et Latinae, queque in Dictionariis non facile inveniuntnr, et a Eabbinis 

tarnen Hebraeomm in scriptis suis passim usurpantur: origo, etymon, et 

Veras usus docte ostenditur et explicatur per Paulum Fagium in gratiam 

stadiosorum linguae Sanctae latinitate donatum. Kationem Tituli inyenies 

in Praefatione authoris. Impressum Isnae in Algavia, Anno MDXXXXI. 

1 (Vorreden und Schlussseiten unpaginirt) 278 SS. in 4® Eine Ausgabe mit 

I liebräischem Titel ohne lateinische Vorrede und Uebersetzung erschien Basel 

' 1601, 200 BU. in 40. 



62 Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagius und Sebastian Münster. 

zurückhaltender Ehrerbietung, obwohl er geistreiche Wortspiele 
liebt. Seine jüdische Hoffnung verbirgt er nicht, wenn er bei TTI 
die Erwartung ausspricht, dass vor 1560 der Messias erschei- 
nen werde. In schlichter Weise bespricht er Christliches. 
Bei Wy. „Die Christen sagen, ihr Messias sei auf Befehl des 
Engels Gabriel Jesus genannt Worden, weil er alle Welt er- 
lösen sollte (Wi^ er wird helfen, erlösen). Andere meinen, 
er habe zufällig so geheissen, wie Viele in jener Zeit." Fagius, 
der sonst sich fast von jedem Zusatz enthielt, fügte hier hinzu: 
„Ich, Paulus Fagius, Uebersetzer dieses Buches, will zur Ehre 
Christi, unseres Erlösers, die Stelle anführen, die sich in dem 
Werke des Josephus, Sohnes Gorions, findet: Zu jenen Zeiten 
lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt 
Mensch nennen darf, der viele Wunder that und allen Men- 
schen die Wahrheit verkündete. Er war der Messias, der 
viele Juden und Christen um sich schaarte, den Pilatus in 
Folge der Anklage einiger Angesehenen unseres Volkes ans 
Kreuz schlagen liess. Die ihm angehangen hatten, Hessen 
aber nicht von ihm, er erschien ihnen drei Tage darauf wie- 
der lebend und that all das Wunderbare, das die Propheten 
von ihm vorhergesagt hatten. Sein Name besteht bis auf den 
heutigen Tag und seine Anhänger werden „Messianische^^ ge- 
nannt. Ebenso einfach spricht er über «D? Petrus ^), über 
^*!2p Nazarener, Christ 2) u. A. Bald nach dem Tischbi wurde 
der Methurgeman, ein targumisches Wörterbuch, herausgegeben, 3 
das Fagius gleichfalls mit einer lateinischen Vorrede versah •). 



1) Hier macht er die sprachliche Bemerkung, dass, wie Petra im 
Griechischen, so Pereda im Italienischen und im Targum Stein bedeute, 
ein neues Beispiel der Aehnlichkeit dieser drei Sprachen, von der er schon 
in der Einleitung gesprochen. 

2) In diesem Artikel sind die Worte D^StiHÖTl D^l miK Dimp "fh 
0^203 ima wol nur aus Versehen unübersetzt geblieben. 

3) Der Methurgeman erschien unter dem Titel: Lexicon Chaldaicnm 
authore Eliia Leyita quo nullam hactenus a quoquam absolutius aeditum est; 
Omnibus Hebraeae linguae studiosis inprimis et utile et necessarinm. Ex- 
cusum Isnae Anno MDXXXXI. Mense Augusto. Ausser der Vorrede findet 
sich im Buche selbst keine Bemerkung des Fagius. Anführen will ich anA 
ein Biiclilein : Nomenciator Eliae Levitae ed. J. Drusius, Frankerae 1652 



Di« Sekftler 6m Elias LeriU, Paul Fag ins nnd Sebastian Mftiister. 63 

Die eigentlich grammatischen Werke Levita's sind ziemlich 
zahlreich. Schon währeild seines Aufenthalts in Padna be- 
schäftigte er sich mit der Herausgabe der kurzen Grammatik 
des Moses (älteren Bruders und Lehrers des Darid) ben Joseph 
Eimchi '), die ihm damals von einem Betrüger entwendet und 
unter falschem Namen veröffentlicht wurde und die er selbst 
erst fast 40 Jahre später herausgab^); um diese Zeit trifft 
auch die Ausgabe von David Eimchfs Grammatik und Wörter- 
buch '). 

Sein erstes eigenes grammatisches Werk war eine unter dem 
Titel 1TO veröffentlichte Grammatik, zu deren Abfassung er 
,,darch einen gotterweckten Mann'', wie er sagt, veranlasst 
worden sei, den Cardinal Egidius nämlich, dem er auch die 
Schrift gewidmet hat (Bom 1517), die damals und noch lange 
später als eins der vortrefflichsten Lehrbücher über diesen 
Gegenstand gerühmt wurde und durch die Uebersetzung Mün- 
sters eiDt weite Verbreitung erhielt^). Eine speciellere gram- 
matiscbe Schrift, das ro^TVl nsD über gemischte, unregel- 
mäßige Formen, erschien bereits 1518^) und wurde mit Er- 



in 80, wo in 47 SS. (S. 48 — 240 sind Anmerkungen des Joh. Drusius) eine 
Anzahl Wörter getheilt in Substantiva, Yerba und eine dritte Klasse, die 
alles übrige enthalt, nach dem Alphabet der lateinischen Worte lateinisch 
und hebräisch mitgetheilt werden (der Herausgeber hat noch griechisch hin- 
zugefügt), dann einige Grussformeln. Die Worte mischen sich in der bun- 
testen Beihe, ohne jedes System; es ist durchaus nicht ersichtlich, wozu das 
Ganze hat dienen sollen. 

1) wm *h^v^) T?nö ♦ 

*) Venedig bei Bomberg 1546. Noch 1652 wurde in Mantua eine neue 
Ausgabe davon veranstaltet. Die Zusätze des Elias scheinen nicht sehr be- 
deutend zu sein. 

3) Tfraö und D'V*}^ beide bei Bomberg in Venedig, letzteres Marche- 
schwan 1547. Die Anmerkungen des Elias stehen mit kleinerem Druck in 
den Text eingerückt, am Anfange einer* jeden .TKK »nsnön XT^K "USK* Die 
am Bande stehende lateinische Uebersetzung der einzelnen Worte ist wol 
von Fagius. 548 Spalten in Folio. 

*) Nur ein Auszug befindet sich handschriftlich in dem Cod. 1251 
(fonds hebreu) der Pariser Bibliothek, fol. 1—8. 

t>) In Bom; der Titel lautet: r6ö h^ pT^pl ^K'S 9?0 nsS-Vin nea 
X mVO onfiD D-ntwn »anita nm naD'roi mr Es gibt zahlreiche spätere Aus- 
gaben, z. B. 1548; handschriftlich findet es sich im Cod. 1251 (Paris) fol. 12 
bis 49. 



64 Di® Schüler des Elias Levita, Paul Fagins und Sebastian Mftnster. 

laubniss Leo's X. gedruckt ^): Nach beliebter Weise des Levita 
machen Gedichte den Anfang und Schluss des Buches, die 
unregelmässigen, schwer zu erklärenden Worte, die in dem- 
selben einer Besprechung unterzogen werden, sind alphabetisch 
geordnet. Das Werkchen erschien von Münster in lateinischer 
Uebersetzung ^), die, wie er selbst sagt, sich meist wörtlich an 
den hebräischen Text anschliesst, von dem er nur die Ein- 
leitung mittheilt; weitere Zusätze enthält diese Uebersetzung 
nicht. Auch in diesen seinen eigenen Werken folgt Elias 
seinem Meister David Kimchi, macht ihn zum Alleinherrscher, 
bringt nicht neue Ideen, sondern stellt in einfacher, ftir Beleh- 
rung bestimmter Form den vorhandenen Stoff zusammen. 

Bedeutender als diese grammatischen Leistungen ist das, 
was er über die Accentlehre und die Massorah geschrieben 
hat. Die dahin gehörigen Schriften DytO 31tO und miDDH nniDD 
wurden bald nach ihrem Erscheinen von Münster ins Latei- 
nische übersetzt, der ihre Bedeutung wol erkannte; aber wenn 
er auch ausdrücklich die vorzüglichen Dienste hervorhebt, die 
Elias damit der Wissenschaft, speciell Denen, die sich mit 
Hebräisch beschäftigen, geleistet habe, so meint er doch, 
Elias habe in dem zweiten der angeführten Werke Vieles ge- 
schrieben, was mehr dem Aberglauben seines Volkes als uns 
diene ^). Wir müssen freilich sagen, dass gerade dieses 
zweite Werk epochemachend gewesen ist, dass dieses erst 
die Massorah, diese »wichtige, unentbehrliche Handhabe flir 



1) Im Nachwort : n"'T' "^rwr^ pfcrb *TrB''BK irsHit mtth:: rm loan Denn 

2) nap"in?l 'IBD Composita verborum et nominum Hebraicorum. Opas 
vere insigne atque utile Hebraicae Grammaticae studiosis in primis neces- 
sarium, Komae Eliae Levitae autore editum et nuper per Sebastiannm Mun- 
sterum latinitate donatum. Basileae An. MDXXV mense Novemb. Aa . . . 
Kk ä 8 Bll., LI. a 3 BH. in 80. * 

3) Aus diesem Grunde übersetzte er auch das Werk Masoreth nicht 
ganz, sondern gab nur den Inhalt der einzelnen Capitel an. Die hebräischen, 
von Elias veranstalteten Ausgaben erschienen Venedig 1538, Masoreth 87 SS. 
Tuw Taam 35 SS. in 40, die Münster'sche hat zum Titel: Accentuum he- 
braicorum über unus ab Elia Judaco aeditus et iam diu desideratus. Item 
liber Traditionüm . . . latine redditus per Sebast. Munsterum. Basileae apud 
Henricum Petrum 1539. 109 SS. lateinisch ; X . . . K ä 8 Bll., und noch ein 
unpaginirter Bogen a 6 Bll., hebräisch, kl. 8^. 



■ 



DW Sehibr dfls Elias Levita, Paiü Fagios and Sebastian Mftnster. 65 

Kritik mid Feststellung des biblischen Textes, zugänglich 
machte^ durch verständiges Studium derselben neue Blicke 
eröffnete, neue Ansichten ans Licht brachte, die noch bis 
heute nicht zur yoUkommenen Erkenntniss gelangt sind. Zur 
Ergänzung und Ausführung verfasste er eine mächtige maso- 
rethische Goncordanz — in der einen Vorrede zum Schriftchen 
Masoreth sagt er, er habe zwanzig Jahre daran gearbeitet — 
die nur handschriftlich, freilich ganz druckfertig, vorhanden, aber 
ungedruckt ,und ziemlich unbekannt geblieben ist ^). Die Gon- 
cordanz verzeichnet in peinlichster Sorgfalt die Beispiele aller 
einzelnen Formen, z. B. bei den Verben in den einzelnen Zeiten 
jede Person mit den ihnen anzuhängenden Suffixen, lässt aber, 
wie ein bewährter Kenner der Massorah bemerkt, ^) den ebenso 
wichtigen Theil , welcher Accente , Wortverbindungen , Vers- 
formen behandelt, ausser Acht. In dem Werkchen Masoreth 
gab Levita in der dritten Vorrede Bemerkungen über die Neu- 
heit der Punktation: sie sollte, meinte er, nicht zugleich mit 
dem biblischen Texte dem Moses überliefert worden sein; 
Vocal- und Accentzeichen überhaupt nicht vor der Zeit des 
babylonischen Talmud existirt haben, sondern erst durch die 
Lehrer in Tiberias aufgekommen sein ; Bemerkungen, die, weit 
entfernt gleich zur Annahme zu gelangen, zu heftigen Kämpfen 
Anlass gaben, in Uebermaass missbraucht wurden, bis man 
erst allmälich zur richtigen Anwendung kam. Münster sagt, er 
habe in dieser Vorrede vieles Seltene und Vorzügliche gefun- 
den, wunderbare Auseinandersetzungen über die Punktation, 
die Buchstaben des Alphabets und die Accentzeichen, er habe 
daher diese Vorrede vollständig übersetzt, da sie einen Inbe- 
griff der hebräischen Sprachlehre enthalte^). 

Paul Fagius haben wir als Freund und Schüler des 
Levita kennen gelernt. Er würde, wenn er nicht auch selbst 



1) Die Handschrift, 2 voll, in foL, der erste (5-K) 514, der zweite (n-*?) 6()6 
Bll. enthaltend, befindet sich in der kaiserl. Bibl. in Paris (Cod. 134. 135 
fondg hebreu.) Der Titel lautet .rfM nfep *?3ö .nl3lat?n tr^pSö •ni3l-i?t -iBp 

:nt3«3ö n'Tteön .maicx rh:iä\ ,rfa^ prrpnn .ni3Ä< tjö .ni3in n na» Die Ein- 

leitung zu dem Werke, ohne Beschreibung der Handschrift, ist mitgetheilt 
von Frensdorff a. a. 0. 

*) Frensdorf a. a. 0. 

8) Münster in der lateinischen Einleitung zu seiner Ausgabe. 

Geiger, Stadium. 5 



66 Dio Schaler des Elias Levita, Panl Fagins nnd Sebastian M&nster. 

schriftstellerisch aufgetreten wäre, dadurch Bedeutung verdie- 
nen, dass er eine hebräische Druckerei gründete, aus der eine 
Anzahl Werke des Levita hervorgingen. Das geschah in Isny, 
wo Fagius (geb. 1504) lange als Schulmeister lebte und wohm 
er nach einer Unterbrechung, während der er Professor da 
hebräischen Sprache in Strassburg war, 1537 zurückkehrte. 
Die Errichtung der Druckerei verdankte er dem Peter Büffler, 
Bürger in Isny, den er in der Vorrede zu dem ersten Werke, 
das seine Presse verliess (1541)^) rühmte als einen sehr frei- 
gebigen Maecenas, als einen sehr redlichen und frommen 
Mann, der wegen des besonderen Eifers, mit dem er allen 
Gelehrten nachgehe und auf dieses fromme Werk seine ganase 
Thätigkeit verwende, unsterbliches Lob bei aller Nachwelt fs 
verdiene^). Fagius ist ein Schüler des Kapito, dessen 
Nachfolger er in Strassburg wird. Von seinen eignen, Schulen 
ist Johann Drakonites zu nennen, den wir in Wittenbei; 
treffen werden, Martin Crusius, der erzählt^), ihn in Strass- o^ 
bürg gehört zu haben, Jakob Hartmann und Jakob Velo 
cianus, dem Ersteren widmet er seine Ausgabe des TischU) 
der Letztere hat Elias' poetische Vorrede dazu übersetzt, beide \^ 
nennt er sehr gelehrt im Hebräischen. Fagius ging 1549 nadi 
England und starb daselbst in Cambridge am 12. Nov. 1549 
in demselben Jahre, wie Elias Levita. ^ 

Fagius' Werke sind zum Theil Uebersetzungen und Ajost 
gaben von Schriften Anderer, zum Theil eigene Schriften. 
Von der ersten Klasse haben wir die der Levita'schen sehe» 
betrachtet, einige andere müssen erwähnt werden. Es iit 
natürlich, dass Fagius sowie Münster von ihrem jüdischen 
Meister Eines namentlich lernten: Achtung und Werthschätzong 
der jüdisüchen Rabbinen, ihrer Leistungen in Grammatik und 
Erklärung biblischer Bücher. Fagius gab den Commentar des 
David Kimchi zu den ersten 10 Davidischen Psalmen, hebräi- 



i 



^ 



ä 



1) Der Tischbi des Elias Levita. 

^) Liberalissimns Maecenas qui per instituenda officina typograplufii 
oaque Hebrea sumptos liberalissime exponit, nempe D. Petms Biäfleras driB 
Isnensis et honestissimus et piissimus qai ob singulare Studium, quo pnie* 
quitur omnes doctos et in ipsam pietatem promovendam totus incmnbit, aete^ 
nam laudem apud omnem raeretur posteritatem. 

3) Annales Suevici (1595) Pars III, üb. IX, cap. XIII, p. 525. 



Düe Sehfiler des EliM Levito. Panl Fagins and SelMutian Mfinster. 67 

sehen Text mit lateinischer Uebersetznng, heraus 0, der sich 
dem Texte wörtlich anschliesst, aber ohne der lateinischen 
Sprache Zwang anzuthun. Er habe die Uebersetzong veran- 
staltet^ damit daraas hervorgehe, welche Bedeutung die Schriften 
der Babbinen fUr die Erklärung der h. Schrift hätten. In dieser 
Beziehung sei seinem Urtheile zufolge David Kimchi einer der 
hervorragendsten, der die wörtliche Bedeutung und Eigenthüm- 
liehkeit glücklicher als Andere erfasst zu haben scheine. ,,Denn 
wenn auch die jüdischen Gommentatoren auf Christus, der das 
tinzige Ziel der heiligen Schrift ist, wenig oder gar keine 
Bücksicht nehmen, ja sogar oft ihn absichtlich bekämpfen, so 
glaube ich doch nicht, dass ihr& Werke deswegen ausser Acht 
zu lassen oder gar völlig zu veruichten sind, wie Einige thöricht 
und ansinnig verlangen. Denn sie enthalten Vieles, was 
nicht mit Christus in Zusammenhang steht und doch denen, 
die die heiligen Orakel des alten Testamentes lesen, sehr 
nützen kann, besonders die Erläuterung des Textes nach seinem 
buchstäblichen, grammatischen und historischen Sinn. Unter 
den Schrifl;stellem dieser Art ist David Kimchi vielleicht der 
bedeutendste.^' 

Doch wies er die Gelegenheit nicht ab, den christlichen 
Standpunkt in diesen Studien hervortreten zu lassen : er über- 
setzte ein „Buch des Glaubens und der Wahrheit^', das, wie 
et angiebt, vor langen Jahren ein Jude herausgegeben habe, 
um zu zeigen, dass der christliche Glaube vollkommen sei und 
auf der Grundlage der alten heiligen Schrift stehe, und zum 
Seweise, dass das Buch von einem geborenen Juden geschrie- 
ben sei, macht er auf den reinen hebräischen Stil aufmerksam, 
den Niemand leicht so schreiben könne, wenn er nicht in dieser 



1) WTTt Commentarium hebraicum Rabbi David Kimchi in decem primos 
psalmos davidicos, com versione latina e regione pro exercitamento omnibus 
hebraicae liuguae studiosis quibus ad legenda Hebraeorum commentaria ani- 
mus est. Per Paultim Fagiom. Constantiae MDXLIIII a— e a 6 BU. f a 
4 BlL in Fol. Die Schrift beginnt ohne jede Einleitung und geht von links nach 
rechts. Znerst werden die einzelnen Psalmen ganz mitgetheilt, dann folgt der 
Commentar ; die erklärten Worte sind gross gedruckt, das Hebräische durchgängig 
ponktirt. Eigene Bemerkungen des Fagius finden sich nicht, die im Texte 
angeführten Stellen sind aus einem Schlussworte ad lectorem zu entnehmen. 

5* 



68 Die Sciifller des ^ias Levita, i'aul Fagius nnd Sebastian Mfinstei*. 

Sprache erzogen sei ^). Er gab ferner hebräische Gebete heraus 
um den Kitus zu zeigen ^), dem auch Jesus sich angeschlossen 
habe, und einen kleinen Traktat eines bekehrten Juden, der 
lehre, warum sich die Juden scheuen, dem christlichen Glauben 
beizutreten, selbst wenn sie dessen Wahrheit erkennen 3). 

Sonst hat Fagius keine blossen Uebersetzungen angefer- 
tigt, sondern Werke mit einzelnen Bemerkungen oder ganzen 
Commentaren begleitet herausgegeben. Am kürzesten fasste 
er sich in seinen Bemerkungen zu den Sprüchen der Väter,*) 
in denen er sich ganz sachlich und objektiv verhielt und 
zwischen kurzen Sinneserklärungen und Lösung grammatischer 
Schwierigkeiten abwechselt. Die Sprüche, die er hier dem 
lateinisch gebildeten Publikum vorlegte, schätzte er sehr hoch; 
in einem hebräischen Gedichtchen, das seiner lateinischen Ein- 
leitung folgt, nennt er sie tausendjährige Worte, Sprüche der 
Weisen, gegraben in die Herzen, aus denen man schöpfen solle, 
um aus ihnen guten Wandel zu lei:8en. Schon auf dem Titel 
der Schrift drückt er sich rühmend genug über den folgenden I 
Inhalt aus. In ähnlicher Weise ist auch die Ausgabe der fi 
Sprüche des Sirach und des Tobias veranstaltet. Die lateinische 



1) Die drei folgenden Schriften habe ich nicht gesehen, sie sind mir nur 
aus der Anführung in Michael Neanders Erotemata p. 248 bekannt. Liber 
fidei seu veritatis, preciosus bonus et iucundus, quem doctus quidam Israhe- 
lites ante multos annos edidit ad comprobandum, fidem Christianonim per- 
fectam esse et niti super fundamentum sacrae veteris scripturae : impressum 
Isnae 1542 in 4; Hebraice chartis 16 item Latine Paulo Fagio interprete. 

2) Precationes Hebraicae vielleicht zusammen erschienen mit 

3) Parvus tractatulus ex libro fidei Judaei cuiusdam ad Christianismuin 
conversi ante annos 200 in quo obiter ostendit causas aliquot propter qua« 
niulti Judaei etiamsi veritatem agnoscant ad fidem nostram accedere verentur. 
Cliartae sunt 4 ibidem impressae anno 1542 in 40. cum translatione Fagii. 

4) Sententiae vere elegantes, piae, mireque cum ad linguam discendam, 
tum animum pietate excolendum utiles, veterum sapientum Hebraeorum qoas 
nnK plB id est Capitula , aut si mavis Apophtegmata Patrum nominant in 
Latinum versae scholüsque illustratae per Paulum Fagium in gratiara sto- 
diosorum linguae sanctae. Excusum Isnae, in Algavia oppido imperiftli 
Anno MDXXXXI. Die aus Fagius' Druckerei hervorgegangenen Schriftei 
haben alle (als Druckerzeichen) einen in Kahmen eingeschlossenen Baum, u 
dessen vier Seiten Inschriften stehen, an der einen Seite gewöhnlich die 
hebräische ; Sltt ^B KttTU Sltt pK 7S Hier findet sich noch folgende : ttpT 

DT1Ö1 DTI jrh Tnr ICrw rhvin rviDn:^ Die Schrift hat 151 Seiten in 40. Die 
"orrede ist datirt: Isnae 12 Cal. Apr. 1541. 



Die Schüler de» Elias Levits, Panl Fad^iiis und Sebastian Mfln^ter. f)9 

üebersetzung ist mit Sorgfalt angefertigt, die Bemerkungen zu 
den Sprüchen ohne besonderen Werth. In der Einleitung zu 
der Ausgabe des Tobias, bei der kein Commentar sieh findet, 
'bemerkt er, dass er den hebräischen Text, den er vorlege, aus 
einem alten constantinopolitanischen Drucke genommen habe. 
Auch in diesem Buche finden sich ein paar hebräische Verschen, 
in denen Fagius Geschicklichkeit in Handhabung der Sprache 
und in Befolgung der poetischen Regeln zeigt ^). 

Dem Beispiel des Elias Levita folgend, der als erster auch 
die chaldäische Sprache mit in sein Studiengebiet zog, wenn 
auch hier sein Ruhm das Gebiet als erster betreten zu haben 
grösser ist, als der wirkliche Werth seiner Leistungen, be- 
schäftigte sich auch Fagius mit dem Chaldäischen. Als Frucht 
dieser Beschäftigung liegt der erste Band des Targum des 
Onkelos vor ^). Ausgaben der Bibel gebe es zwar genug, meint 
er, aber um sie recht zu verstehen, müsse man auf ihre ersten 
Uebersetzungen zurückgehn, unter diesen sei die chaldäische 
■ nach der Septuaginta die älteste und daher für die richtige 
\ Auffassung der Bibel von grösster Bedeutung. Die chaldäischen 
I Uebersetzungen empfehle daher : 1 . ihr Alter, Onkelos sei der 
Sohn der Schwester des Kaisers Titus gewesen, Jonathan ben 
Üsiel, von dem das Targum zu den Propheten herrühre, habe 
200 Jahre vor der Zerstörung des Tempels geschrieben. Ueber 



1) K*Tp jS* Sententiae morales Ben Syrae vetustissinii authoris Hebraei 
qai a Judaeis nepos Hiereniiae prophetae fuisse creditur, cnm snccincto commen- 
tario. Tobias Hebraice, ut is adhuc hodie apud Judaeos inyeiiitnr omnia ex 
hebraeo in Latinum translata in gratiam studiosorum linguae sanctae per 
Panlnm Fagium Isnae MDXLII. Am Ende der Sprüche Sirachs folgt nocli 
ein besonderer hebraeischer und lateinischer Titel für Tobias. A . . H a 4 Bl. 
nnd A . . F ä 4 Bl. in 4o. 

2) Thargum, hoc est Paraphrasis Onkeli Chaldaica in Sacra Biblia. Ex 
Chaldaeo in Latinum fidelissime versa, additis in singula fere capita succin- 
tis Annotationibus. Autore Paulo Fagio . . . Tomus I. Argentorati Anno 
1546. (Diese , wie schon die oben S. 67, Anm. 1 mitgetheilte Angabe des 
Drackorts zeigt wol, dass die Druckerei zu Isny nur sehr kurz bestanden 
hat.) a . . z, A . . S ä 6 Bl. in Fol., das letzte Blatt leer. Am Ende: 
Aig^ntorati per Georgium Machaeropolum mense Martio, Anno MDXLVI. 
Das Werk ist dem Pfalzgrafen Friedrich gewidmet; in der Widmung erzählt 
er, dass er in Heidelberg studirt habe, und nennt als seine Lehrer Martin 
Frecht und Johann Brenz; wir erinnern uns, dass letzterer seinerseits Schüler 
des Matthäus Adrianus im Hebräischen war (s. o. S. 43 und Anm. 3). 



70 Die eAmhr 60B Elias LeriU. Pa«] Fagios ud SelnsÜaB Xftnster. 

die Frage, ob beide, wie Viele nach der Autorität des Petras 
Galatinns behaupten, eine chaldäische Uebersetzung der gan- 
zen Bibel geschrieben haben, oder ob, wie Andere woUeii, 
Onkelos mit Aquila, Jonathan mit Theodotion zu identificiren 
sei, möchte er nicht entscheiden ; 2. die Leichtigkeit, mit ihnen 
die Dunkelheiten des hebräischen Textes aufeuhellen; 3. die 
Autorität, die die Juden dem Targum beimessen, indem fde 
ihm nicht geringeren Glauben schenken, als dem hebräischen 
Texte selbst, so dass sie nicht besser von ihren Irrthflmem 
überzeugt werden können, als durch die chaldäische Ueber- 
setzung^). In der üebersetzung habe er keine Eleganz er- 
strebt, wer die verlange, möge Cicero, nicht Moses zur Hand 
nehmen. In den Noten habe er die manchmal dunkle und 
schwierige Sprache des Textes erklärt, die Abweichnngen der 
chaldäischen Üebersetzung vom biblischen Texte gezeigt^ 
Parallelstellen namentlich aus dem jerusalemischen Targmn 
herangezogen, die jüdischen Gebräuche erläutert, aber imm(9f ^ 
nur das angemerkt, was ihm einigen Nutzen zu haben schiene. 
Daher habe er auch aus jüdischen Schriften nicht kindisele 
Fabeln und abergläubische Spottreden beigebracht, sondern 
werthyoUe Auseinandersetzungen ; gottlose Irrthümer habe er 
mit Eifer bekämpft. 

In der That leisten die Anmerkungen das, was dieses 
vorläufige Programm verspricht. Ausfalle gegen die Juden |^^ 
oder Zurückweisung ihrer gottlosen Irrthümer, um mit Fagitu 
zu reden, kommen ziemlich selten vor und sind, wenn sie 
vorkommen, in ziemlich objektivem Tone gehalten: so zi 
Deut. 4, 16, wo er den gegen die Christen erhobenen Vor- 






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*) Er fahrt fort: Dieses Chaldäische sei dasselhe, wie das Syrische, di8 
zu Zeiten Christi vemacula lingua fuit. Imo adhuc hodie qnatnor Evange- 
listarum in hac lingua scripta extant, cuius rei fidelissimum testem profeio 
praeclarissimum doctissimumque virum DD. Alhertum Widmanstadium a cö»- 
siliis Illustrissinio Principi Duci Bavariae qui hunc thesaurum secnm recwi- 
ditum habet, mihique per amantissimas quas ad me dedit literas spem fedt 
fore aliquando ut hie thesaurus in lucem prodeat. Diese Hoffiiung sollte ii 
Erfüllung gehen. Widmanstadt, der später in den Dienst des Kaisers ftbe^ 
trat und uns noch als Lehrer des Hebräischen in Wien begegnen wird, gaV 
Novum testamentum Syriace, Wien 1555, heraus. Auch er betont in der Ei»* 
^3itung zu diesem Werke, wie nothwendig das Syrische ztun Yerstandiiifli 
es hebräischen Textes sei. 



Die Sekftler des Elia» LeviU, Paul F&gius und Sebastian Mfinvter. 71 

wurf, als beteten sie Bilder an, für ungerechtfertigt erklärt; 
Deut. 30, 3, wo er die Beziehung dieser Stelle auf eine künf- 
tige Befreiung der Juden durch einen Messias nicht gelten 
laseen will und die Nichtigkeit dieser Ho£Ehung überhaupt 
nachzuweisen sich bemüht. Oft giebt er ausführliche nicht 
unwichtige und ziemliche Gelehrsamkeit verrathende Ausein- 
andersetzungen, über die Gelübde zu Numeri 30, 2 ; über die 
; Todtengebräuche zu Deut. 14, 1; ein ander Mal, wo er die 
c dreizehn Grundsätze (D^*lpj;) mittheilt, übersetzt und erläutert, 
« zu Deut. 5, 4, wo er eine Stelle aus dem Sacrificium Isaak des 
. Rabi Isaac Aramaei anflihrt. Seine Kenntniss der Babbinen 
g ist nicht gering, namentlich die Bibelerklärungen des David 
2 Eimchi führt er an und nimmt auch auf dessen Über Radicum 
Rücksicht, häufig citirt er R. Salomo (Raschi) und hie und da 
andere weniger bekannte. Kirchenväter citirt er verhältniss- 
mässig sehr selten, dagegen erwähnt er Neuere, wie Augusti- 
nus Steucho, Petrus Galatinus in seinem Werke De arcanis 
eatholicae veritatis, die Complutenser Bibelausgabe und die 
Sebastian Münsters^). , 

Ein rein exegetisches Werk ist seine Erklärung der vier 
ersten Gapitel der Genesis *). Er habe dieses Schriftchen ver- 
öffentlicht, sagt er in der Widmung an Johannes Marbach, 
um dadurch zu zeigen, wie viel Werth das Verständniss der 
hebräischen Spräche für die Theologie besitze , namentlich der 
hebräischen Worte, in denen der heilige Geist seine göttlichen 
Orakel der Welt oflFenbarte. Es wäre eine Schande für einen 
Theologen, wenn er diese Sprache, die Quelle einer reinen 
Theologie, aus der alle Uebersetzungen der Bibel geflossen 



1) Ob ein zweiter Band dieses Werkes erschienen, ist mir nicht bekannt. 
Er beabsichtigte ihn jedenfalls, am Schlüsse der Einleitung bemerkt er, er 
werde einen zweiten Band, der die Propheten enthalten solle, veröffentlichen, 
wenn dieser erste gut aufgenommen werde; aus dem werde man erkennen, 
wieviel Licht die chaldäischen Uebersetzung auf die Christus betreffenden 
Prophezeiungen werfe. Am Schluss des gleich zu besprechenden Werkes 
Exegesis spricht er von seinem Plane, die ganze chaldäische Bibel mit latei- 
iiiacher Uebersetzung herauszugeben. 

Id est Exegesis sive Expositio dictionum hebraicanun literalis et simplex 
iB qnatnor capita Geneseos pro studiosis linguae Hebraicae per Paulum Fagium . 
Isnae mense Augusto MDXLIL A . . V a 4 Bl. oder 154 S. in 4fi. 



72 I^i^ 8chüler des £lutö Leviu, raul Faginb und Sebwttiui 11 Auster. 

seien, nicht verstehe. Nicht Alles freilich müsse man blind 
aufaehmen. ,,Ja die scheinen mir nicht nur thöricht, sondern 
gottlos zu sein, die meinen, in den Schriften der Juden sei 
Nichts zn verwerfen, sondern Alles anzunehmen; denn das 
ist einer der hauptsächlichsten Gründe der bejammemswerihen 
Blindheit dieser zweimal elenden Juden , dass sie alle Träume 
und Erdichtungen der Babbinen gleich wie göttliche Orakel 
aufnehmen und verehren, und nicht unterscheiden zwischeo 
den Einflüsterungen des Lügengeistes nnd denen des Gteistei '' 
der Wahrheit. Aber ebenso thöricht handeln die, welche die 
rabbinischen Commentare gänzlich vernichten wollen , ja ieli 
wage zu behaupten, dass Keiner, ohne sie gelesen zn habet 
und von ihnen unterstützt zu werden, jemals zu einer gründ- 
lichen Kenntniss der hebräischen Sprache gelangen kann.''') 
Er begreife, dass Vieles von ihrer Lektüre abschrecke, „die 
lächerlichen, thörichten, gottlosen Fabeln'', die in ihnen eotr 
halten seien, und er denke daran, wie man diesem Uebel 
abhelfen möchte. Das könne geschehen, wenn man aus de& 
vielen und zwar hauptsächlichsten Commentaren einen machte, 
mit Beseitigung der jüdischen Thorheiten und Spöttereien und 
Beibehaltung des WerthvoUen, dann würden weit mehr la 
deren Studium angelockt werden und die Furcht völlig schwin- 
den , dass das Studium der heiligen Sprache untergehe ^). 

Die Einrichtung des Werkes ist die, dass voran ein klei- 
nes Stück, gewöhnlich nur der Theil eines Verses, mit grosse! 
hebräischen Buchstaben steht, darunter die wörtliche latei- 



i. 



1 



\i 



k 



G 



*) Die letztere Stelle lautet: Ita quoque temere et impradenter mihi 
illi facere videntur qui hebraeomin commentaria in Universum ezibilanda ei 
explodenda iudicant, cum hoc ausim affirmare, neminem sine illonun lectioiie 
et adminiculo ad solidam hebraicae linguae cognitionem unquam perrentnroin. 

3) Am Ende dieser Widmung ein kurzes hebräisches Gebet; am Ende 
des Werkes ein hebräisches Gedichtchen nach der beliebten Weise des Fagiii& 
Am Schluss des Buches der Baum mit den beiden, S. 68, A. 4 erwähnten Um- 
schriften. Vor diesen Endformeln stehen auf den letzten Blattern, wie 
Fagius selbst in einer kurzen Vorbemerkung angiebt, um den Raum zu füllen, 
einige Verse der im Werke erklärten 4 Capitel : der hebräische Teit, die latei- 
nische üebersetzung, die chaldäische Paraphrase und deren lateinische Wiede^ 
gäbe. Den chaldäischen Text hat er, wie er sagt, aus der Venediger, nicht 
aus der Complutensischen Ausgabe genommen. 



Die Scküler des Elia« Levita, Paul Faginä und Sebtkttian MOiu<ter. 73 

niBche Uebersetznng, dann folgt die Erklärung. Diese ist 
natürlich sehr weitläufig, geht auf alles Einzelne mit grosser 
AusAihrlichkeit ein. Zur Erläuterung dienen zahlreiche Bibel- 
steilen , Citate aus den chaldäischen Uebersetzungen, dem 
OnkeloB und dem Jerusalem] sehen Targum; von Rabbinen ist 
hier sein hauptsächlicher Führer David Kimchi, andere wer- 
den seltener angeführt, wie Kaschi, Abenesra, Nachmanides, 
author Hizkuni (p. 44), häufig findet sich das unbestimmte 
veteres Hebraei dicunt u. A. Hindeutungen auf seinen christ- 
lichen Standpunkt konmien wenige vor; zu elohim (1, 1) merkt 
er an „die Unsern schliessen daraus das Mysterium der Drei- 
einigkeit'S ^^^^ ^bne dass er selbst hier ein bestimmtes Ur- 
theil fällt, dagegen 17 (p. 26), um die Worte „wir wollen den 
Menschen schaffen^^ zu erklären^ meint er, die Juden brächten 
hier allerlei Erklärungen bei, um nur nicht die heilige Drei- 
einigkeit anerkennen zu müssen; 2, 4 (p. 36) sagt er, nnblH 
werde sonst immer ohne Waw in der zweiten Silbe (defective) 
geschrieben, ausser hier und Kuth (Cap. 4, 18); als Orund 
giebt er an: „wie die Unsrigen erklären", dass alle „Ge- 
schlechter" unvollkommen seien, ausser dem ersten Menschen- 
gescblechte und dem Geschlechte des Messias, das dem Flei- 
sche nach von der Familie Perez stamme. 

Endlich ist noch seine hebräische Granmiatik^) zu erwähnen. 
Er gab sie, wie er sagt, auf Bitten einiger Schüler heraus, denen 
er nicht widerstehen konnte; obwohl es schon viele hebräische 
Lehrbücher, gebe, so glaube er mit den seinigen doch auf Be- 
achtung Anspruch machen zu können, weil er sich vielfach 
mit der Herausgabe und Uebersetzung alter hebräischer Gram- 
matiken beschäftigt habe. Nach Durchnahme der verschiede- 
nen Schriftweisen des Hebräischen, wobei auch auf das Jüdisch- 
deutsche Rücksicht genommen wird, werden die Buchstaben 
sehr ausführlich durchgenommen, zugleich mit Angabe ihrer 
Bedeutung als Präpositionen u. s. w. Dem Verbum wird ein 
grosser Platz eingeräumt. Vor dem Paradigma werden all- 



1) Compendiaria isagoge in linguam hebraeam authore Paulo Fagio Con- 
stantiae Anno MDXLUI. Am Ende : Constantiae excudebat Jacobus Kanivora, 
anno a Christo natu MDXLIII mense Septembri. A . . Y ä 4 Bl. in 40. 



74 Die Schüler des Elias Levita, Panl Fagius und Sebastian Mfinster. 

gemeine Regeln über Person, Geschlecht, Zahl gegeben ; dem 
Paradigma folgt die Umschreibung solcher lateinischer For- 
men, die im Hebräischen durch eine einfache Form nicht aas- 
gedrückt werden können: Präsens, Optativ, die Gonjnnktiye 
aller Zeiten. Dann folgt das Nomen (die Deklination freilieb 
ganz getrennt davon am Ende der Schrift) mit Tabellen ftr 
die Comparation, Zahlwörter und Pronomina. Den dritten Ab- 
schnitt bilden die Adverbien, die nach einzelnen Kategories 
in Tabellen aufgezählt werden, nebst Präpositionen und Inter- 
jektionen. Einzelne Regeln werden mit den Ausdrücken der 
alten Grammatiker in hebräischer Sprache gegeben. Im Nach- 
wort nimmt er auf seine Schollen zur Genesis Bttcksioht; 
dieser oder ähnlicher müsse man sich bedienen und durch 
fleissiges Bibellesen sich in den gelernten grammatischen Ke- 
geln befestigen. 

Die Thätigkeit des Fagius war, wie wir sehen, eine nicbt 
geringe. Er war ein emsiger, stiller Arbeiter, ohne grosse Ori- 
ginalität, aber von treuer Hingabe an sein Werk, das er in 
vielen Beziehungen förderte und ausbaute. 

Einen bedeutenderen Platz in der Anerkennung sowohl 
der Mit- als der Nachwelt nimmt Sebastian Münster ein. 
Er verdient es auch, denn er war ein Mann von staunens- 
werther Vielseitigkeit, und wenn wir bedenken, dass derselbe 
Mann, der für die Verbreitung und Ausbildung des hebräi- 
schen Sprachstudiums im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts 
ebenso thätig gewesen ist, wie Reuchlin im ersten, auch 
Schöpfer einer ganz neuen Wissenschaft, der Kosmographie, 
geworden ist, dass er ausserdem, fern davon, sein Leben in 
ruhiger Stille zuzubringen, viel Kraft in kleineren und grösse- 
ren Streitigkeiten zubrachte, so erreicht unsere Bewunderung 
einen hohen Grad. Er war 1489 in Ingelheim geboren, war, 
als er das Mannesalter erreicht hatte, Professor des Hebräi- 
schen in Heidelberg geworden, dann nach Basel gekommen, 
wo er am 23. Mai 1552 sein Leben beschloss. Seine Lehr- 
thätigkeit muss keine geringe gewesen sein, aber wenn wir 
nicht Einzelne, denen er seine Schriften widmet, als seine 
Schüler bezeichnen wollen, so sind uns solche völlig unbe- 
kannt. Er lehrte gern, wenn es auch nur eine Redensart 
sein mag, die er dem Andreas Masius schreibt: „Ich beneide 



Dw Sehflier dee Eliu Levita, Pao] Fagine und Sebastian Monster. 75 

Euch nieht, die Ihr behauptet mich in der Kenntnigg des 
Hebräischen zu ttbertreffen; ruhmvoll erscheine ich mir, dass 
ich Dir und vielen Andern die Handhabe geboten, jene hei- 
lige und wahrhaft göttliche Sprache zu erlernen'^ ^). Denn in 
Wirklichkeit mochte er nicht gern Jemanden dulden, der ihm 
den Bang streitig machen könnte, er liebte es alle die, die 
Yor ihm und gleichzeitig mit ihm das Studium betrieben hat- 
ten, oft mit scharfem Worte zu kritisiren, stellte gern sich als 
den Dritten dar, neben Beuchlin und Pellikan, der das He- 
bräische Studium wahrhaft gefördert und auf seinen Höhepunkt 
gebracht hätte'), und verachtete seine Gegner, die begierig 



1) Widmung der üebersetzung von Levita's: Accentunm hebraicorom 
liber anns. In derselben wird Masins anlicns genannt, der keinen bestimmten 
Sitz habe, bald in Löwen, bald in Lnzem, dann in Spanien, spater in Oester- 
rddi, nnn beim Reichstag in Frankfurt sich aufhalte. Es ist interressant, 
dass von einem solchen gesagt wird : Laudo et modestiam tuam, qui cum eo 
perveneris, ut ex tempore hebraice scribere valeas quicquid yelis, non embescis 
te nuncupare 'TSf^ (mein Schüler). Die im Text angeführte Stelle lautet: 
Nee invideo vobis iUam fojrtunam, qui mihi in heb. studio preire contenditis. 
Gloriosus videor mihi esse , quod tibi et multis aliis ansam prebui ad istud 
sacrosanctum et yere divinum Studium. Basileae mense Augnsto 1539. Viel- 
leicht kann man die Folgenden, von denen er sagt, sie hätten ihm hebräisch 
geschrieben, ab seine Schüler bezeichnen : der obengenannte Andreas Masius, 
Jacob Jonas (?), Oswald Schreckenfnchs, Petrus a Wormaria, Johannes Harius, 
Theodorikus a Gorinchen, Nikolaus Winmann (Vorrede zu seinem Lcxicon 
trilingue). 

*) Die bemerkenswerthe Stelle lautet (Vorrede zum Opus consuramatum) : 
Primus omnium qui nostro aevo colere et plantare coepit hebraicam linguani, 
fnit doctissimus vir Johan. Eeuchlin sive Capnion, de Unguis et bonis literis 
apnd nostros bene meritus, quippe qui multa post se eruditionis suae reli- 
qnit monumenta. Huic fere coaevus fuit in hoc sacro studio, licet aetatc 
multo iunior, incomparabilis ille vir, dominus Oonradus Pellicanus, nam simul 
eodem tempore et in eodem gymnasio Thubingensi hi duo magni viri 
hebraismo operam impenderunt, usi etiam ad hoc mutiüs olFiciis. His ego 
Tbbrt tertius accessi, anno scilicet Christi 1509. Translatus enim ad D. Pelli- 
canum indefesso studio sub fidelissimo praeceptore prima imbibi nadimenta 
ac mox animum appuli ad Biblicas historias. Aus dem oben Angefahrten 
ist nur der Irrthum von dem gleichzeitigen Wirken Pellikan's und Reuchlin's 
in Tübingen zu entfernen. Als R. 1481 in Tübingen war, war P. noch ein 
Kind, und 1521/22, wo R. hier als Professor der hebräischen Sprache lehrte, 
war P. lange von hier fort, vergl. über P. oben S. 19 fg. und unten (Tübingen). 
Auch von mutua officia zwischen beiden Männern ist nichts bekannt, als dass 
Beuchlin dem Pellikan für sein Studium des Hebräischen behülflich war. 
Als vierten in der Reihe der ums Hebräische verdienten Männer nennt 



76 IHe Sehnler des Elus Levita, Paul Fa^^ias und Sebastian M&nsier. 

danach suchten, einen Fehler, den er gemacht hätte, zu ent- 
decken ^). Aber die Missgunst, der er nicht ganz entging^ 
war keineswegs das Gefühl, mit dem man im Allgemeinen 
seine Leistungen aufiiahm: er hatte viel Bewunderer, die von 
ihm wie Johannes Eck sagten, dass kaum jemals Einer in 



Münster den Capito. Dann Uhit er fort: Quo tempore et multi alii docti 
viri per Germaniam et Italiam amore hnios lingoae excitati brevi adeo pro- 
fecerunt, ut editis libris laudem non vulgarem apud posteros meruerint, inter 
quos praecipui sunt Johannes Oecolampadius, Caspams Ammon ins, cuius tarnen 
labor in publicum non prodiit, Udalrichus Zwinglius, Matthaeus Aurogallns 
. . . quibus multi alii successerunt et eo usque in huius linguae studio per- 
venerunt ut publice in academiis hebraismum profiteantur obscurarintque sua 
eruditione suorum praeceptorum nomina quibus ego, sicut debeo, hanc foeli- 
citatem minime invideo. Ueber Aurogallus s. u. Wittenberg, über Oekolampad 
und Zwingli s. u. Basel und Zürich : die Eenntniss der beiden letzteren im 
Hebräischen war nicht allzu bedeutend, jedenfalls geringer, als die einer grossen 
Anzahl der multi alii, die auch eine namentliche Aufzählung verdient hätten. 
Caspar Ammon, Provinzial in Laugingen, scheint ein tüchtiger Hebräisch- 
kundiger gewesen zu sein, vergl. einen Brief des Aegidius von Viterbo an 
ihn vom 15. Dec. 1513 in Henke und Bruns Annales Literarii. Helmstädt 1782, 
vol. I. p. 193 sq., und einen Brief des Wolfgang Rychardus Urbano Regio 
sincero evangelii doctori amico suo carissimo, worin die Stelle vorkommt: 
Dr. Caspar, Augustinianus monachus, cui in hebraeis literis primatum etiam 
a te audivi tribuere, nuper hie (Ulm) fuit, petiitque hospitium: quod et 
denegatum (sie, wol non den.?) est ei. Qui egregium quoddam opus ad 
hebraeas literas ediscendas . . Basileam chalcographis misisse dicitor, 
cuius simile mundus non videt antea. Briefcodex des Wolfg. Bychardus in 
der Hamburger Stadtbibl. No. 503. Ich verdanke die Notiz einer gutigen 
Mittheilung meines Freundes Dr. Alfred Stern in Carlsruhe. Ammon lebt 
noch 1523; in diesem Jahre widmet ihm Böschenstein sein Buch: das gebet 
Salomonis vom driten buch der künig geteutscht von wort zu wort nach dem 
hebräischen buch. 

1) Vorrede zur lateinischen und hebräischen Ausgabe von Elias Levita's 
D^IT Basileae apud Joannem Frobenium. Anno MDXXVII. a . . 1 ä 8 BL. 
m. a 10 Bl. in kl. 8^. Levita selbst habe ihn aufgefordert, sagt er in der 
Widmung an Johannes Erasmus Frobenius, den Sohn seines Verlegers, dann 
habe auch Johannes Eck ihn dazu ermuntert. Ad quod promptum quidem 
me exhibui parviducens etiam quorundam ingratitudinem qui cum nihil in 
publicum aedant, gloriosum tamen sibi ducant, si alios de literarum studiis bene 
meritos lacerent et traducant : cuiusmodi ego quendam novi qui mavult 
Munsteri esse calumniator quam pius interpres et candidus excusator, publicus 
conviciatpr, quam secretus monitor, si quando lapsus est in Hebraismo, nempe 
lingua illa extranea et quae Latinis auribus hactenus omnino incognita fuit, 
ut non mirum sit, si propagatores eins quandoque hallucinari contingat et a acopo 
rrare, quousque altiores inter Christianos haec ipsa lingua radices figat. 



Die Selifller des Eliu Lerit«, P%vd Fa^ns und SebMtUn Kftnster. 77 

Deutschland so vertraut mit der hebräischen Sprache gewesen 
sei, wie er'). 

Fagius hatte wol seine Werke manchmal mit hebräischen 
Verseben begleitet, am Schlüsse seiner Einleitungen einen 
lange ausgeftlhrten Gedanken in ein paar kurze hebräische 
Worte zusammengefasst, oder einen bekannten hebräischen 
Vers hie und da angeführt; ganz anders Münster. Nicht nur, 
dass er dem Johann Oekolampad eine kurze hebräische Grab- 
schrift und einen längeren poetischen hebräischen Nachruf 
widmete *), ist fast keines seiner Werke, namentlich die Wid- 
mungen und Einleitungen, ohne hebräische Stellen, hat er seine 
Bibel mit einer langen hebräisch geschriebenen Vorrede ver- 
sehen und eine eigene hebräische Schrift verfasst. Nur aus 
diesem Grunde verdient dieselbe hier eine Erwähnung, denn 
ihr Inhalt ist nicht dazu angethan, ihr in unserer Darstellung 
einen Platz einzuräumen. „Der Messias der Christen und 
Juden" ^) soll aus den prophetischen Stellen erweisen, dass 



1) Die Stelle Eck's ist auch sonst interessant, and mag darum hier 
eine Stelle finden : Super Aggaeo Propheta Jo. Eckii Commentarius. Solingen 
1538. 40 (L 6b.) Nam cum Munsterus frequenti studio et diligentia 
non poenitenda tantum in Hebraeis literis profecerit, quantum vix alius in 
Germania et cum Judaeis sermone patrio atisus sit congredi, verebar ne Judaei 
supra modum captiosi nobis Christianis insultarent: Ecce hie vester Rabi 
Munsterus, qui plurimum doctus in lingua sancta apud nos famatur, religiosus 
ex divi Francisci ordine, unde reputatior apud vos Nazarenos habetur. 

2) Beides steht im Oecolampadii et Zwinglii epistolae. Basileae 1536 
in 4P, 5 3. 

8) rrtto Messias Christianorum et Judaeorum Hebraice et Latin e. Sebast. 
Munsterus. Describitur in hoc libro ex prophetis Christus totius mundi verus 
salvator: et item larvatus ille Judaeorum Meschias qui a gente illa in hunc 
usque diem frustra expectatur. Videbis lector quam portentosae et absurdae 
de Christo opiniones sint apud hanc excoecatam gentem et quam violenter 
sacram interpretentur scripturam. Basileae apud Henricum Petrum. 153 pag. S. 
lat. Am Ende : Basileae per Henricum Petrum Mense Augusto AnnoMDXXXIX. 
Dann hebräischer Text, rechts beginnend, paginirt H • . K ä 8 BL, mit der- 
selben Unterschrift am Ende wie oben und mit dem Titel: rnS'^'n» Christiani 
hominis cum Judaeo pertinaciter prodigiosis suis opinionibus et scripturae 
violentis interpretationibus addicto colloquium per Sebastianum Munsterum. 
Ist das die zweite Auflage, oder die Schrift 9 Jahre ungedruckt geblieben? 
Ziemlich am Anfang des hebräischen Textes findet sich ; Ifioa n«? ITTTK "DKI 

»mc nn ; - x*"! = ♦nrn «nrfe n p^b dnon riK-naö nstc^a ^a ^ro^ mb nna: 

290 = 1530 n.Ch. Aus der Widmung (Basel, I.Juli 1539) Joanni a Panizonibus, 
Caesareo ad Helvetios legato, eine Stelle, die an Pfefferkorn erinnert : Dici nequit 



78 I>ie Schüler des Elias Levita, Paul FaginB und Sebastian M&nster. 

Christus der wahre Erlöser der ganzen Welt ist und der ver- 
hüllte Messias der Juden, den sie bis auf den heutigen Tag 
vergeblich erwarten ; soll die schrecklichen und thörichten bei 
diesem verblendeten Volke über Christus verbreiteten Mei- 
nungen und seine gewaltsame Erklärung der heiligen Schrift 
zeigen. Seit den dreissig Jahren, in denen er sich mit He- 
bräisch beschäftige (die Schrift ist 1539 veröffentlicht, also seit 
1509, s. 0. S. 75 Anm. 2) und die jüdischen Schriften lese, 
seien ihm überall Verläumdungen und Beleidigungen gegen 
die Christen entgegengetreten, die frommen Ohren unerträglich 
seien, Beleidigungen, mit denen die Juden die Schrift zerfleischen 
und Mschen, namentlich die Propheten, die sie niit ihren ver- 
kehrten Deutungen peinigen, wie ihre Vorfahren den Erlöser 
Christus selbst. Oft, aber immer vergeblich, habe er and sein 
Lehrer Pellikan mit ihnen zu disputiren angefangen ; so wolle 
er denn in diesem Büchlein Alles zusammenstellen, was sie 
ihrem Messias andichten und Schlimmes über die Christen 
reden. Der Inhalt der Schrift, die in Form einer Unterredung 
zwischen einem Christen und Juden abgefasst ist, entzieht 
sich, wie gesagt, hier unserer Erörterung; das Hebräische, 
in dem die Schrift abgefasst, und dem die lateinische 
Uebersetzung beigegeben ist, „weil doch nicht Alle mit der 
hebräischen Sprache vertraut sind'% ist leicht und fliessend 
und verräth grosse Gewandtheit. 

Als Uebersetzer Levita'scher Werke haben wir Münster be- 
reits kennen gelernt, auch sonst entfaltete er in dieser mehr 
unselbstständigen Art eine nicht unbedeutende Thätigkeit. Die 
Keuchlin'schen Rudimente i) gab er neu heraus in fast ganz ver- 
änderter Gestalt. Die Grammatik, die er sehr abkürzte, fasste das 
erste, das Lexikon, das bei Reuchlin zwei Bücher eingenommen 
hatte, das zweite Buch. Viele eigene Bemerkungen gab er hinzn 
(sie sind mit kleineren Charakteren gedruckt, voran steht 
immer der Name Münster), die meist sehr kurz sind und 



quam liorreuda convitia autor libri Nizachon coniiciat in servatorem nostrom 
qui ex professo contra omnia sancta nostra virolento animo scripsit. 

1) ttr1j5!l pttrra H<3fifi3l^ ntl''r>"l 73!Tj pnj5"Tl *ÄD» Dann noch sehr langer 
lateinischer Titel. Basileae per Hcnricum Petrum Mense Martio Anno 
MDXXXVII. 418 S. fol. 






Die Schaler de» Elias Levitii, Paul FagiuH nnd Sebastian Mfintiier. 79 

nanche Bogen hindurch ganz fehlen. Für die Grammatik be- 
liente er sich, wie er sagte, der Noten aus Levitas Lehr- 
büchern; im Wörterbuch bemühte er sich zu den blossen 
iVurzeln auch die abgeleiteten Worte hinzuzufügen und das 
ron Beuchlin zufällig Ausgelassene zu ergänzen. Ein anderes 
liebräisches Lexikon ^), hauptsächlich eine Abkürzung des 
gössen Wörterbuchs Ton David Kimchi, stellte er zusammen, 
wsLS aber erst nach seinem Tode herausgegeben forden zu 
sein scheint. Es ist eine Aneinanderreihung der Stämme, meist 
mit Beifügung der Derivata, die zahlreichen angeführten Bibel- 
steilen sind weder hebräisch noch lateinisch citirt, sondern nur 
kurz der Ort angegeben, wo sie zu finden sind. Das am Schlüsse 
stehende Verzeichniss der in dem Werke benutzten Autoren 
verräth grosse Gelehrsamkeit, es enthält ausser Bibel, Talmud 
und den Targumim und natürlich Kimchi : Raschi ( Jarchi), Aben- 
esra, Levi ben Gerson, Saadias, von Neueren Levita und 
viele Andere. Ausgabe und Uebersetzung eines anderen Werk- 
chens, der Sphaera Mundi, veröffentlichte Münster^ die lateini- 
sche Uebersetzung ist von Oswald Schreckenftichs , die An- 
merkungen schrieb Münster ^). Ebenso rührt die Ausgabe des 
hebräischen Matthäusevangeliums von ihm her und dessen la- 
teinische Uebersetzung; er besass nur ein unvollständiges 
Exemplar des in schlechtem, von Barbarismen strotzenden 
hebräisch geschriebenen Schriftchens und glaubte sich berech- 
tigt die Lücken auszufüllen*). Ein Schriffcchen anderer Art 
gab er unter dem Titel „Logik Rabbi Simeons" heraus*), das 



1) CTTTaa Dp D't^'TtÖn "iBD Dictionarium hebraicum, ultimo ab autore 
Sebastiano Munstero recognitum et ex Babinis praesertim ex Eadicibus David 
Kimchi anctum et locupletatum MDLXIIII. Am Ende: Basileae perFrobenimn 
etEpiscopium. Anno MDLXIIII. Mense Febr. a . . z, A . . Z,aa . . qq. äSBLinSo. 

2) Spbaera mundi et arithmetica hebräisch und lateinisch. Basel 1546 in 4o. 
. Ich kenne diese Angabe nur aus Michaud, Biographie universelle. T. XXIX. p. 574. 

3) Fides Christianorum sancta, recta et perfecta atque indubitata et 

fides Judaeorum : accedit lex Dei nova quae ut doctrina et vita Christi, sive 

Evangelium Domini nostri Jesu Christi secundum Matthaeum, hebräisch und 

lateinisch. Basel 1537 fol. Diese und das vorhergehende Schriftchen werden 

Von Michaud a. a. 0. als sehr selten bezeichnet. 

4) fttJö^ "^'1 *^W ^ t^^?^* Logica Sapientis Rabi Simeonis per Seba- 
stian um Munsterom Latine juxta Hebraismum versa: quae Hebraeorum 
[jommentaria legere volentibus non tarn utilis est quam necessaria. Basileae 



80 Di« Sckftler des Elias Levitft, Panl Fagius und debastian Münster. 

aber von Maimonides herrühren soll ^). Die Uebersetzang des 
Buches sei ihm sehr schwer geworden, bemerkt er, haupt- 
sächlich der philosophischen Ausdrücke wegen; eine üeber- 
setzung ähnlicher Werke, aus denen er sich Raths erholen 
könne, existire nicht, und die ungebildeten Juden, die in 
Deutschland lebten, hätten ihm keine befriedigende Auskunft 
geben können; einer, der flir sehr gebildet und gelehrt gelte, 
und den er gefragt, habe noch weniger gewusst als er selbst 
Daher seien Irrthiimer unvermeidlich. Wir müssen dieses 
offene Bekenntniss annehmen, das gewiss zur Entschuldigung 
vieler Fehler dienen kann, die philosophischen Ausdrücke sind 
so verwickelt und erklären sich oft so wenig aus sich selbst, 
dass bei einem ersten Versuche sie sich zu erläutern , die 
Arbeit Münsters hohe Anerkennung statt bitteren Tadels ver- 
dient 2). 

Auch einige biblische Bücher übersetzte er und fttgte 
ihnen Anmerkungen bei, so Jesajas; in Betreff der Anmer- 
kungen tadeln Einige seine Kühnheit, rabbinische Gonjecturen 
als sicher hinzustellen ^) ; ebenso Koheleth , als er noch in 
Heidelberg war, hauptsächlich auf Anrathen des Martin Frecht*); 
dann das hohe Lied^), das ihm zuerst zu schwer schien, das 
er aber dann auf Bitten einiger Freunde herausgab. Die An- 
merkungen enthalten meist grammatikalische Erklärungen, nnr 
einige wenige Anderes, z. B. eine, wo sein christlicher Stand- 



apud Jo. Frob. Anno MDXXVII. Ort und Jahresangabe nochmals am Ende 
a . . g a 8 BL, h ä 6 Bl. in 8^. Die Widmung Joanni Campensi, sacrae 
Hebraeae linguae eximio apud Lovanium professori datirt Bas. Cal. Not. 
Anno 1526. 

J) Michaud a. a. 0. nach Richard Simon Lettres choisies tom. IV. p. 40 sq. 

2) Diesen hat Richard Simon a. a. 0. in reichem Maasse gegen Münster 
laut werden lassen. Er sagt: Munster ne faisait presque ancun pas sans 
tomber, il etait un pauvre homme lorsqu'il se melait de traduire d'autres 
livres que ceux de la Bible, ou quelques rabbins grammairiens, dans Vinter- 
pretation desquels il a ete aide par Elias Levita. 

3) Nach Michaud a. a. 0. 

4) Das sagt er in der Vorrede zu der folgenden Schrift. 

5) D'n'^ Tp Canticum Canticorum Salomonis Latine iuxta Hebiaicmn 
per Sebastianum Munsterum translatum atque annotationibus aliquot non 
contextum nihil illustratum (?) a . . d a 8 BL in &>, Am Ende : Basileae apai 

1. Frob. Anno MDXXV. 






Die Sehtier dee Eliu LeTito, Paul Fagios und SebeetiaB Mlhister. 81 

mkt heiTortritt. Zn Cap. 6: R. Salomo erklärt ^ seohszig 
öniginnen, das sind: Abraham und seine 59 Nachkommen^ 
^htzig Rebsweiber: Noah und seine Nachkommen bis anf 
brabam. . . . Von allen diesen Nationen war eine schöner, 
)llkommener und dem Bräutigam angenehmer als die übrigen, 
Imlich die israelitische Synagoge zur Zeit des zweiten Tem- 
sls. Wenn dieser Jude, sagt Münster, dies von der christ- 
ßhen Kirche schriebe, die zur Zeit des zweiten Tempels an- 
ag, so würde ich ihm gerne glauben. — Uebrigens war Mün- 
;ers Hauptzweck grammatische Noten zu schreiben, die nur 
ar Erklärung des Textes dienen sollten; im Titel seiner 
.usgabe der Sprüche sagt er dies ausdrücklich'). In den 
jimerkungen folge er dem Beispiele Reuchlin's in seiner Er- 
lärung der sieben Busspsalmen, „aus der wol ein sieben- 
ähriger Knabe hebräisch lernen könne;" er beschränke frei- 
ich die Arbeit ein wenig und gehe nur in den ersten Capiteln 
uch auf das Kleinste und Geringfligigste ein, begnüge sich 
kber bei den späteren mit der Berücksichtigung der wirklichen 
Schwierigkeiten. In der That sind die Anmerkungen voU- 
itändig elementar, die einzelnen Formen werden erklärt und 
labei die allgemeinen Sprach- und grammatikalischen Regeln 
eingeprägt, ohne jeden gelehrten Apparat, höchstens mit Yer- 
v?eisung auf Reuchlin^s und Münster's eigene Grammatik. Von 
Uebersetzungen biblischer Bücher ist noch die der Psalmen 
bekannt, die aber ohne Anmerkungen erschienen^). 

Bei der Ausgabe und Uebersetzung einzelner biblischer 
Bücher blieb er aber nicht stehen, er wagte sich an das 



1) Die erste 1525 erschienene Auflage habe ich nicht gesehen, die zweite 
bt zum Titel : "TH |3 MlöStt^ 'h^ Proverbia Salomonis iam denuo iuxta He- 
braicam veritatem translata et Annotationibus grammaticis illn- 
8t rata authore Sebastiane Munstero. AnnoMDXLVIII. a...tä8Bll. in 80. 
Am Ende: Basileae per Hieronymum Frobenium et Nicolamn Episcopimn 
anno millesimo qmngentesimo quadragesimo octavo. Am Anfang das Vorwort 
Uünster's zur ersten Auflage (15 kal. Jun. 1524), und das inhaltlose PelU- 
tan's zur zweiten. 

2) Ich kenne nur die Ausgabe : Liber Psalmorum Davidis Prophetae et 
legis Ad hebraicam veritatem a Sebastiane Munstero quam düigentissime 
ersos in dem Werke: Liber precum publicarum seu Ministerii Ecclesiastici 
dministrationis Sacramentorum. Fol. 188 . . 299. Am Ende : Londini Excudebat 
homas VautroUerius 1574. 

QeigeT, Studium. ^ 



82 Die Seliüler des Elias Levita, Panl Fagius and Sebastian ICfinster. 

grosse, bisher noch nicht versuchte Werk einer Ausgabe < 
ganzen Bibel mit Uebersetzung ^). Hätte Münster wei 
nichts gethan, als eine Ausgabe des hebräischen Textes "v 
anstaltety so yerdiente er schon unter den Gelehrten, die ^ 
hier behandeln, einen achtungswerthen Platz; so aber, da 
mit Sorgfalt das mächtige Werk genau übersetzte, keii 
Finger breit, sagte er, solle die üebersetzung vom Texte \ 
weichen, „alle Bücher und jedes einzelne Wort abwog, 1 
und her wendete, die Commentare der Rabbinen durchforscl 
und die besten auswählte^S mag man ihm glauben, dass sei 
Arbeit eine ungeheure war. Wenn auch schon Renchlin i 
kühnem Muthe Irrthümer der lateinischen Üebersetzung c 
Hieronymus aufgedeckt hatte, wenn auch Andere flir eine I 
zahl biblischer Bücher eine andere Üebersetzung an Ste 
der angenommenen zu geben versucht hatten, so war 
immerhin ein nicht geringes Wagniss, nun an Stelle der gi 
zen von der Kirche gleichsam heilig gesprochenen Fassn 
eine neue zu setzen. Münster sagte sich selbst, dass m 
sich mit diesem Beginnen leicht glühendem Hasse aussetzte 



1) Der Titel dieses grossen Werkes lautet typographisch genau : Jtt^ 
(in einer EinÜEissung:) D^tpfh Jitt^a "^W Dtf | ttTh|5H sripöl Ö'H^ "HW ^ 

n.i'nrhD bitci "rva riß" ü&i: \ xn^' onDan wpmt bv H^p irtr^ i 

JiCbttn Rnirtö ENTIBILECT0R| HEBEAICA BIJBLIA 1 LATINEPI 
NEQVE NOVA SEBAST.MVNSTERI | tralatione post omneis omniura hactei 
ubiuis gentium aeditiones evulgata | et quoad fieri potuit, hebraicae uerit 
conformata: adiectis insuper e Babinorum commentariis annotationibns h 
poeni- I tendis pulchre & voces ambiguas & obscu- | riora quaeq. elucidantil 
vol. I Pent. Jos. Jud. Sam. Reg. vol. II Prophet. Psalt. Prov. Hi. D 
Chron. Cant. Ruth. Thren. Eccl. (vol. 11 unter dem eig. Titel): Hi sacri 
canonici libri, amice Lector, sie ad Hebraicam veritatem genuina versione 
latinum sunt traducti, ut ne quidem ad latum unguem ab ea dissideam 
Quibus praeterea in locis & sentcntiis obscurioribus opera SEBASTIAN 
MVNSTERI non parum accessit lucis per Annotationes | quas vel exHebraeor 
commentariis, vel ex pro- | batioribus latinis scriptoribus adiecit. 

in fol. vol. I 12 unpagg. foU. 365 foU. vol. II pag. fol. 366—795. 

Am Ende von vol. I: BASILEAE EX OFFICINA BEBEI.UNA, 
PEN- I DIIS MICHAELIS ISENGRINII | ET HENRICI PETRI | 1534. 

von vol. n : BASILEAE EX OFFICINA BEBELLiNA, IM PENDI 
Michaelis Isengrinii et Henrici Petri | 1535. 

ä) In der letzten Einleitung, der eigentlichen SebastianiMünsteri in v< 
Testamentum praefatio ist eine lange Abhandlung überschrieben: An I 
ronymus vulgatae aeditionis fuerit autor? 



Die Seiiüler des Elias Levita, Pao) FagrivB nnd Sebastian Xftnster 83 

aber mich tröstet, sagt er, mein Bewnsstsein, dass ich diese 
Arbeit nicht ans Rnhmsncht oder ans Lnst an Tadel gegen 
die Alten, denen wir sogar sehr viel Dank schuldig sind, da 
- sie, besonders bei dem fast vollständigen Mangel an Büchern, 
Alles geleistet haben, was sie leisten konnten, unternommen 
and nichts anderes beabsichtigt habe, als den hebräischen 
Text, wie er nach den rabbinischen Commentaren festgestellt 
werde, zu geben. . . . Freilich, und hiermit kommt er auf 
seine nnd Fagius' Lieblingsthese, halte er nicht alles, was er 
in diesen Commentaren finde, nach Art gewisser Leute fiir 
Orakel, sondern prüfe das Gelesene, hauptsächlich hüte er 
sieh die kabbalistischen Schwärmereien anzunehmen, die diese 
Schriften so oft verunstalten; oft aber seien sie, selbst wenn 
sie sich in Dunkel und Irrthum beßtnden, Führer zum Rich- 
tigen. In einer eigenen, mit Aufwand von grosser Gelehr- 
samkeit geschriebenen, Abhandlung in einer der Einleitungen 
behandelt er die These, dass die jüdischen Gommentare nicht 
zu verachten seien. Hieronymus habe nur eine unpunktirte 
liebräische Bibel besessen; um sie zu verstehen, habe er sich 
der Hülfe von Juden bedient, denn Kenntniss ihrer Sprache 
und deren Eigenthümlichkeiten sei den Juden nie fremd ge- 
worden, „wenn sie auch das hauptsächliche Ziel der heiligen 
Schrift verkennen, das uns Christus und die Apostel gezeigt 
haben^^ Der Haupttheil der Abhandlung richtet sich gegen 
Angustin Steucho, dem er das Verkehrte seiner AuflPassung 
nachweist, R. Salomo habe fast alle seine Erklärungen aus 
Hieronymus genommen '). Unter den Autoren und Werken, 
die er zu Rathe gezogen habe, nennt er Raschi, David Eimchi, 
Abenesra, R. Menachem, Abraham Hispanus, Verfasser des 
Fasciculum Myrrhe , „Seder Olam" ^) , Moses Gerundensis, 
„ArbaTura". Als richtige Art des Verständnisses der Bibel, 



1) Üeber E. Salomo (Easchi) sagt er einmal: R. Salomon qui inter 
V recentiores antiquior est, nam fait ante quadringentos annos, id quod ex 

Jndaeis Wormaciensibus habco, abi aliquamdiu conunoratns est, cum alioqoi 
natione Gallns faerit. 

2) Aus diesem Buche führt er am Ende seiner Bibelausgabe hebr. mit 
lai. Uebers. an : Catalogus et successio regum Jehuda et Jerusalem ostendens 
quando et sub quibus regibus vixerint singuli prophetae et quid memorabile 
eontigerit sub illis. Sunt autem hacc huc relata ex Sedar olam minori. 

^* 



It 

il 

i 



84 Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagins und Sebastian Mfinster. 

als Zweck ihrer Lektüre stellt er hin, Christus kennen und 
verstehen zu lernen. In der ziemlich ausführlichen hebräi- 
schen Vorrede vor dem ersten Band hebt er diesen Stand- p 
punkt ganz ausschliesslich hervor, preist Christus, tadelt die '^^ 
Irrthümer der Juden und ermahnt sie, dem rechten Worte und 
der rechten Lehre des Propheten zu folgen und ihren falschen 
Weg zu verlassen. „Denn die Propheten", wie er dies in der 
Vorrede zum zweiten Band hervorhebt, die übrigens eine sehr 
schöne Würdigung der prophetischen Literatur enthält, „geben 
fast nur Weissagungen über Christus und die Zukunft seiner 
Lehre". — Der hebräische Druck ist sehr deutlich, etwas schiefer 
liegend als der gegenwärtig gebräuchliche, die Anmerkungen 
sehr kurz und ziemlich ohne Bedeutung. 

Nächst diesen Arbeiten nehmen die grammatischen und 
lexikogi'aphischen eine hervorragende Stelle in der wissen- 
schaftlichen Thätigkeit Münster's ein. Ein hebräisches aus 
den Rabbinen gezogenes Lexikon ist bereits erwähnt, wir 
haben ausserdem ein chaldäisches und ein dreisprachiges zu 
behandeln. Letzteres ^) ist eigenthümlich genug: die lateinischen 
Wörter sind alphabetisch geordnet, daneben stehen die griechi- 
schen, zuletzt die hebräischen, oft vier, fünf und mehr ftr 
einen lateinischen Ausdruck, so dass ein Wort sich zwei und • 
mehrere Male findet, da auf die Nuancen der Bedeutung durch- 
aus keine Rücksicht genommen wird. Den Schluss macht 
ein kleines viersprachiges Lexikon, in dem auch das Chaldäi- 
sche (Rabbinensprache) mit in den Bereich der Betrachtung 
gezogen ist. Die eigentliche Praefatio enthält einige specielle 
Regeln für das Hebräische: dass es keine zusammengesetzten 
Verba habe, dass im Gegensatz zum Lateinischen die Iocä 
rerum meistens umschrieben werden müssten 2), dass die Deri- 



1) niaitsr' üT?'V Dictionarium trilingue in qno scilicet latinis vocabalis ia 
ordinem alphabeticum digestis respondent Graeca et Hebraica. Hebr&icis 
adiecta sunt magistralia et Chaldaica: Sebastian! Munsteri opeia et 
labore congestum. 

üna cum eins Appendice de Hebraicis vocabulis tropis et modis loqnendi. 
tarn apud grammaticos et logicos quam apud philosophos et raathematiooB 
quibus, etsi in Bibliis aut Chaldaicis nusquam invenies, tarnen ipsi Babbin 
passim in suis utuntur libris. Basilea per Henricum Petri. 

2) z. B. fmon n'-a für bahieum. 



Die Sehftler des Elias Levito, Paul Fagins und Sebastian Münster. 85 

vaia durch einfache Nomina, mit yorangesetzter Präposition 
ausgedrückt würden u. s. w. Werthvoll ist namentlich der An- 
hangy der nnter verschiedenen Aufschriften eine grosse Anzahl 
rabbinischer Ausdrücke für Grammatik, Logik und Philosophie, 
Mathematik, Astronomie und eine ziemliche Reihe von Redens- 
arten der wissenschaftlichen Sprache enthält. Das chaldäische 
Lexikon ist nur eine Zusammenstellung chaldäischer Wörter aus 
dem alten thalmudischen Wörterbuch : Aruch, den chaldäischen 
Bibelübersetzungen und den rabbinischen Commentaren '). Von 
grammatischen Büchern ist seine ConjugationstafeP) zu rein 
praktischem Gebrauche bestimmt: es sind Tabellen für alle 
Formen der regelmässigen und unregelmässigen Verba,, aber 
nicht sehr übersichtlich geordnet, danach Tabellen für De- 
klination der Nomina, Verzeichnisse der Indeklinabeln und der 
unregelmässigen Wörter. 

Seine hebräische Grammatik ist kein selbständiges Werk, son- 
dern, wie schon der Titel angiebt, aus verschiedenen Schriften 
des Elias Levita zusammengestellt. Sie ist ziemlich ausftlhr- 
lich und durchaus elementar, verhält sich bei schwierigen 
Fragen, bei neuen von Levita zuerst aufgestellten wissen- 
schaftlichen Thesen durchaus objectiv. So wird die von die- 
sem ausgesprochene Behauptung, die Vokalzeichen rührten 
nicht von Moses her, sondern seien viel späteren Ursprungs, 
mitgetheilt, aber auch die entgegenstehenden Ansichten wer- 
den angefahrt, ohne dass Münster eine Entscheidung zu geben 
versucht. Nichtsdestoweniger ist das Buch sehr brauchbar, 
zwei Auflagen sind bei Lebzeiten des Verfassers erschienen, 
jetzt ist es sehr selten geworden'). Einige Anhänge über 



1) •?[nr Dictionarium Chaldaicum , non tarn ad Chaldaicos interpret^s 
qnam Babinomm intelligenda comment-aria necessarimn : per Sebast. Mun- 
ster um ex Baal Aruch et Chald. bibliis atque Hebraeorum peruschim 
congestum. / 

Basileae apud Jo. Fro. Anno MDXXVII. 

2) D^san rfh Tabula omnium hebraicarum coniugationum iuxta octo 
verborum clJasses pulchre in ordinem digesta. 2 T. Basileae. A. . . C. a 8B11. in 8^. 

3) Ich habe es nach langem vergeblichen Suchen in der Darmstädter 
Hofbibliothek gefunden. Die erste Auflage ist ohne Titelblatt und ohne jede 
Vorrede, sie beginnt: Grammatica hebraica absoluta. Am Ende: Basileae per 
Henricum Petri Mense Martio Anno MDXLII. in &>, Die zweite Auflage hat 
den Titel; ob^n pnp'ri n?»6ö Opus grammaticum consummatum ex varüs 



86 I>io SchfÜer des Elias Levita, Panl Fagius und Sebastian Münster. 

Abkürzungen, Accente, Metren u. s. w. erhöhen den Werth 
des Baches. 

Neben dieser hebräischen Grammatik ist er als erster 
Verfasser eines grammatischen chaldäischen Lehrbuches zu 
erwähnen ^). Mit Stolz weist er darauf hin, dass er der Erste 
sei, der ein solches Werk unternehme, ßeuchlin klage über 
die Mühen seiner Arbeit bei der Herausgabe seines ersten 
hebräischen Buches, während er doch Lehrer gehabt, die 
Unterstützung gelehrter Juden genossen, aus den Büchern 
des Mosis und David Eimchi habe schöpfen können ; mit wie 
viel mehr Becht könne er .über seine Schwierigkeiten und 
Mühseligkeiten sich beschweren, da er keines dieser Hülfs- 
mittel gehabt habe. Die dazu nöthigen Kenntnisse habe er, 
wie er sagt, von seinem Lehrer Elias Levita erhalten, er habe 



Elianis libris concinnatum, complectens scilicet Elementarimn abso- 
lutum, Numerandi rationem, Pronominuin declinationes , Verborum iutegras 
conjugationes, Artificiuin subiiciendomm affixomm, Nominum varias formulas 
et mutationes, Coiisignificativ6ruin Explicationes, Magistrales abbreviatione«, 
Accentuum tractationem, Metromm compositionem. Authore SebastianoMunstero. 
Am Ende: Basileae per Henricam Petri Mense Augusto An. MDL VI. in 8^. 
Dieser Auflage geht eine ziemlich ausführliche Einleitung voran: Clarissimo 
atque praestantissimo viro domino Joanni M.(arbach?) amico candido Sebast 
Munst. S. D., von der einzelne Stücke z. Th. nach Citaten Anderer schon vielfach im" 
Obigen angeführt worden sind. Am Anfange betont er, er habe schon manche 
Schriften des Levita übersetzt, trotzdem habe es ihm und seinen Freunden 
geschienen, als wenn in dieser Wissenschaft noch eine grosse Lücke bestehe. Diese 
habe er nun durch eine die mannigfachen Levita'schen Schriften zusammen- 
fassende Grammatik ausfüllen wollen. Der zweiten Auflage ist der hebräische 
Text und die Uebersetzung des Tobias beigegeben, den er von Oswald 
Schreckenfachs aus Memmingen erhalten hatte; wie bekannt, hatte auch 
Fagius schon dieses Schriffcchen veröffentlicht. Schreckenfachs begleitete die 
Ausgabe mit einem nichtssagenden hebräischen Briefe. 

1) nK*TD3n 1K W*f ^iP^ P^ip. Chaldaica grammatica, antehac a nemine 
attentata, sed iam primum per Sebastianum Munsterum conscripta et aedita, 
non tam ad Chaldaicos interpretes quam Hebraeorum commentarios intelli- 
gendos, Hebraicae linguae studiosis utilissima. 

Item in DWT'B, hoc est commentaria Hebraeorum 

Eegulae aliquot generales 

Modi loquendi Hebraici plurimi 

Abbreviaturae Hebraicae generales, nee non plurimae speciales et latine 
et Hebraice explicatae 

Per eundem Sebastianum Munsterum. 

Basilea apud Jo. Fro, Anno MDXXVIL 



Die Sclifller des Elias Lerito, Paul Fag^us und Sebastian Mftnster. 87 

die Beschäftigung mit dieser Sprache für nothwendig gehalten^ 
denn die Vertrautheit mit ihr trage viel dazn bei, das Hebräi- 
sche, selbst das Biblische, recht zu verstehen. „Die Juden in 
Ihrem Dahindämmem und ihrer krassen Unwissenheit belasten 
diese heilige Sprache mit Barbarei und beflecken sie mit 
SchmntZ; während sie doch die heiligen Propheten^ die biblischen 
Schriftsteller so rein überliefert haben/^ Die Grammatik ist 
sehr ausführlich, hier bedarf es nur ihrer kurzen Erwähnung; 
einige Uebungsstücke aus dem Deuteronomium, Josua, Jeremia, 
Ezechiel, den Psalmen sind mit ihrer lateinischen Uebersetzung 
angehängt. Andere Beigaben sind zerstreut uns bereits in 
anderen Schriften begegnet, den Schluss machen zwei he- 
bräische aber inhaltlose Anreden an den Leser. 

Ausser den bereits besprochenen Schriften Münster's, 
Uebersetzungen , Erklärungen biblischer Schriften , Wörter- 
büchern und grammatischen Werken bleibt nur noch Weniges 
zu erwähnen übrig: ein hebräisches Ealendarium, das er 
namentlich als nützlich ftir Historiker und Astronomen er- 
klärte^), ein Schriftchen theologischen und geschichtlichen 
Inhalts, in dem er neben den 13 Glaubensartikeln des Mai- 
monides die 10 Gefangenschaften Israels (4 unter Sanherib, 
4 unter Nebukadnezar , 1 unter Vespasian,. 1 unter Hadrian), 
die Geschicke Israels in denselben und in der Zwischenzeit 
erzählte, und eine Ausgabe nebst lateinischer Uebersetzung 
des jüdischen Geschichtschreibers Josippon gab^), und end- 
lich eine Schrift, in der er die 613 Ge- und Verbote*) der 



1) Ans M. Neandri Erotemata p. 256. Sebastian! Mnnsteri Kalendarinm 
Hebraicnm, ex Hebraeornm penetralibns iam recens editnm qnod non tarn 
Hebraicae studiosis qnam bistoriographis et astronomiae peritis snbserviie 
poterit. Frobenins 1527 in 40. vgL cÜe Nachtrage. 

2) I ■JITlttr' nrna IfOV l "Wn IT'aJl "ns^i l üTW TTWV wyo Tredecim arti- 
coli fidei Jndaeomm item compendium elegans historiamm Joseph!, complectens, 
Acta LXX Interpretum, Gesta Machabaeomm , facta Herodum, Excidium 
Hierosolymitanum, item decem captivitates Judaeomm. Haec per Sebastianum 
Monstemm et Hebraeis et Latinis legenda exarantnr, anno Christi MDXXIX. 

Am Ende: Wormatiae apud Petmm Schotter. 

Die Angabe ist aus Weller: Altes ans allen Theilen der Geschichte. 
CJhemnitz 1766 II, S. 104—113. 

s) ?mT{ nrOBD Catalogus omninm praeceptorum legis mosaicae qnae ab 
iebraeis sexcenta et tredecim numerantnr cum succinctaBabinomm expositione 



88 Di« Uniyersiiäten. 

Juden zusammenstellte und ihnen einen lateinischen Auszag , 
beigab. Ganz habe er es nicht übersetzen wollen, um das I 
Werk nicht allzusehr anzuschwellen, schon aus diesem Auszug ' 
werden die des Hebräischen unkundigen Leser ersehen, big 
ZU welchem Grade von Wahnsinn und Verblendung die Juden 
sich verstiegen hätten. 



VI. 

Die Universitäten. 



Daniit, dass einzelne Männer sich dem Studium der he- 
bräischen Sprache hingaben, war aber nicht genug geschehen; 
um wirklich in die Reihe der Wissenschaften zu treten, musste 
es an den Stätten eine Pflege finden, wo sich alles zusammen- 
drängte, was in der wissenschaftlichen Beschäftigung des 
Zeitalters eine Bolle einnahm: auf den Universitäten. Und 
wirklich ist auf fast allen wichtigeren deutschen Universitäten 
von dem Beginn des 16. Jahrhunderts an das Hebräische als 
Lehrgegenstand aufgenommen worden. Es wird am besten 
sein, wenn wir, mit annähernder Bestimmung der Zeitfolge, 
die einzelnen Universitäten durchnehmen. 

Der Churfürst Ruprecht IL von der Pfalz hatte, dem Bei- 
spiele vieler anderer Fürsten seiner Zeit folgend, in seiner 
Hauptstadt Heidelberg eine Judenverfolgung veranstaltet (1391). 
Die Universität, der er die von den Juden zurückgelassenen 
Bücher überliess, betrachtete dieselbe nicht grade als ein 
werthvolles Geschenk; sie verkaufte dieselben und hielt nur 
ein Exemplar des Talmud zurück^). Kaum ein Jahrhundert 
spät^ aber war Heidelberg der erste Ort, an dem von 
Reuchlin Hebräisch gelehrt wurde, wenn es auch heimlich 



et additione traditionum quibus irrita fecerunt mandata dei. Haec Sebast 
Mnnsteras utriusque linguae Latinae et Hebraicae studiosis legenda impartii 
Baeileae excudebat Henricus Petrus. a...i a 6 Bll., k ä 5 Bll. Am Ende: 
Excudebat Henricus Petrus Mense Martio Anno MDXXXIII. Dann folgt der 
hebräische Text mit besonderem hebr..und lat. Titel tt?...K a 8 Bll, in 8^, 
1) Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg, I, S. 225, 



r 



Die TJniyenit&ten. 89 

geschehen musste. Als regehnässigen Professor der hebräischen 
Sprache können wir auch Matthäus Adrianns nicht betrachten, 
von dem wir gesehen haben, dass er in Heidelberg gelehrt hat. 
Aber das Bedürfiiiss, einen ordentlichen Professor flir dieses 
Fach anzustellen, machte sich bald geltend. Es war überhaupt 
ein neues Streben ia die Universität eingezogen, man wollte 
den übrigen nicht nachstehen, suchte neue Kräfte zu ge- 
winnen, z. B. den Erasmus, und blickte fast neidisch auf 
Tübingen, das BeuchHn besitze (1521 ^). In einer besonderen 
Eingabe wandte man sich in demselben Jahre an den Ghur- 
ftarsten, er möge Böschenstein, der mit gewichtigen Empfeh- 
lungen Reuchlin's, Caspar Ammon's, Oekolampad's in Betreff 
seiner Kenntnisse nach Heidelberg gekommen war, als Lehrer 
der hebräischen Sprache anstellen und ihm ein Gehalt be- 
stimmen; für letzteres begnügte man sich sogar mit dem be- 
scheideneren Vorschlag, die 4 Fakultäten sollten kleine Bei- 
träge zum Unterhalt des neuen Professors bewilligen *). Gegen 
letzteren billigen Vorschlag konnte der Churftirst nicht wol 
etwas einwenden, er selbst wollte freilich nichts beisteuern, 
und da die Beiträge der Fakultäten , der artistischen und der 
Universität je 10, der juristischen 5 — 6, der medicinischen 



1) Der Dekan und die Artistenfakultät machten eine Eingabe beim 
Churfürsten, in der sie um Berufung des Erasmus baten. Sie sagten darin 
über Eeuchlin : Etsi non desint et huic nostrae universitati fama et doctrina 
non ignobiles, attamen non tales, ut possint in publicum tarn repente prod- 
ire admiratione tanta, ut solent qui editis iam multis voluminibus illustres 
evaserunt: qualis est e milibus unus Doctor Joannes Reuchlinus, ex publico 
stipendio Tybingensium conductus grecae et hebraicae linguae professor, quod 
haec scheda bis literis inclusa indicat. Nach den Akten abgedruckt bei Hautz, 
I, S. 369, Anm. 25. 

2) Quandoquidem Jo. Boeschenstein Eslingensis hebraeae linguae insi- 
gniter auditus, aliquorum (quibus respublica nostrae universitatis non parum 
curae esset) precibus victus, ad nos divertisset, suae vero non vulgaris audi- 
tionis nobilium aliquot Germaniae academiarum, atque Joannis Beuchliui, 
iurium, Joannis Oecolampadii et Casparis Ammani Theol. Doctorum aliorum- 
qne doctissimorum hominum non poenitenda attulisset testimonia . . . petit 
facultas artium, ut sua dementia apud Gymnasii nostri proceres iUi ipsi 
Stipendium pro linguae hebraeae professione constitui demandaret aut, si 
ipsum modo fieri non posset, saltem ad tempus hie ex publicis quatuor facul- 
tattim aerarüs aleretur, donec reformatio studiorum inchoaretur. (1521) Hautz, 
I, S. 371, Anm. 29. 



90 ' Die Universitäten. 

1 — 2 Goldgulden, zum Fristen des Lebens nicht hinreichten, 
so verliess Böschenstein bereits im August 1522 die Uni- 
versität ^). Der Lehrstuhl blieb 2 Jahre unbesetzt; 1524 wurde 
Sebastian Münster zum Professor angenommen, sein Gehalt 
betrug jährlich 25 Gulden ; die 5 Gulden jährliche Erhöhung, 
die man ihm 1526 bestimmte, mögen ihm auch nicht sonderlich 
gefallen haben, schon 1527 verliess er Heidelberg 2). Die 
Nachfolger, die man ihm gab, waren höchst unbedeutend, die 
Universitätsakten wissen nichts mehr von ihnen als ihre Namen, 
es lohnt sich kaum sie aufzuzählen : Georg Sibold von Ketters- 
hausen 1529, Valentin Kleymann 1531, Valentin Mikrander 
und Johann Koller 1538 ^). Für eine Reihe von Jahren nadi 
dem Abgange des Letzteren lassen sich aber nicht einmal 
Namen nennen, erst 1551 wurde der Lehrstuhl durch den 
getauften Juden Paul Stäffelstainer"^) besetzt. Glänzend 
war die Stelle grade nicht : ftir das erste Jahr erhielt er 50 Gulden 
Gehalt, 1555 wurde ihm eine Zulage von 30 Gulden gewährt. Das 
Programm, in welchem der Rektor der Universität zu seiner 
ersten Vorlesung einlud, ist noch erhalten, danach sollte der 
neue Professor Bibelerklärung und grammatikalische Ausein- 
andersetzungen vereinigen. Das Ziel der Vorlesungen sollte 
sein, die Hörer zum Verständniss der schwierigen Sprache, 
die Viele von philologischer Lektüre zurückhalte, zu führen 
und in ihnen eine Liebe zu jener sehr alten Theologie zu 
erwecken ^). Wie lange Staflfelstainer in Heidelberg gelehrt, ist 
ebenso unbekannt, als der Erfolg, der seinen Unterricht begleitete. 
Hatte Reuchlin in Heidelberg das hebräische Studium 
eingeweiht, so war er es auch, an den sich der Churfürst von 



1) Hautz I, S. 371 fg. 

2) a. a. 0. S. 374. Es wäre interessant über die Lehrthätigkeit dieser 
beiden bedeutenden Männer Genaueres zu wissen. 

3) Hautz I, S. 378 fg. 

4) Derselbe, der uns als Lehrer Johann Eck's (s. S. 30, Anm. 1) be- 
gegnet ist? 

5) Idem hie auspicabitur cras ab ennarratione celebris dicti quod de 
mundi duratione in domo Heliae sonuisse traditur. Grammatica deinceps 
tractabit compendia ac praecepta e scriptura petitis cxemplis illustrabit idque 
curabit sedulo, ut ad phrasin, quae multos a philologicis lectionibus arcet, 
aJsuefieri auditor possit vetustissimamque illam paulatira amare theologianu 
Hautz I, S. 428 fg. 



Die Univerdtäten. 91 

Sachsen wandte, als er an seiner Universität Wittenberg 
dem hebräischen und dem griechischen Studium Eingang ver- 
Bchaffen wollte. Beuchlin fühlte sich nicht kräftig genug im 
hohen Alter diese Last zu übernehmen; fUr das Griechische 
empfahl er, wie bekannt, seinen Grossneffen Melanchthon, 
und auch ftar die Besetzung der hebräischen Professur machte 
er seine Vorschläge. Von Oekolampadius , den er empfahl, 
musste er zugleich berichten, die Baseler hätten ihn bereits 
genommen; Paul Bitius^), der Leibarzt des Gardinais von 
Gurk, der sich namentlich durch seine kabalistischen Werke 
einen Namen gemacht hat, schien ihm „zu fest und wohl zu 
Btehen'% um ihm eine Aenderung seiner Stellung anzubieten; 
als dritten zu der Stelle Geeigneten nannte er Conrad Pelli- 
kan: er glaubte, wenn seine Oberen, die Barflisser, zustimm- 
ten, würde es leicht sein ihn für den Lehrstuhl in Witten- 
berg zu gewinnen. „Man fönde vielleicht sonst,^^ schliesst er, 
„getaufte Juden, wer dess gute Erfahrung hätte; aber ftir- 
wahr, wenn sie nicht in lateinischer Zunge gelehrt sind, so 
könnten sie uns künstlicher Weise in Begeln nicht lehren; 
denn in teutschen Landen empfahen die Juden ihre Sprach 
allein aus gewöhnlichem Brauch,^ das aber uns nicht so mög- 
lich ist, sondern wir müssen das Hebräische ^rstlich durch 
Kegeln, und darnach durch viel Lesen der Bücher gleichwie 
die lateinischen und griechischen Zungen überkommen^* 2), 
Es ist nicht sicher, ob der Churfürst diese Vorschläge in der- 
selben Weise billigte, wie er dem Plane, Melanchthon nach 
Wittenberg zu ziehen, seine Zustimmung gab; jedenfalls ist 
seine Antwort nicht erhalten. Aber nachdem Melanchthon 
seine Stelle angetreten hatte, suchte man ihm einen CoUegen 
für das Hebräische zu geben ^). Denn um Lehrer der Jugend 



1) Von ihm sagt Erasmus, der überhaupt von seiner wissenschaftlichen 
Tüchtigkeit und seinen sonstigen treflflichen Eigenschaften entzückt ist: Is 
demum vere mihi videtur Israelitam agere, suoque cognomini pulchre 
respondere, cujus omnis voluptas, omnis cura omne otium ac negotium in 
divinis literis. Erasmus Ricardo Bartolino 10. März 1516. Opp. III col. 190 
Epist. CCX. 

2) Reuchlin an den Churfürsten Friedrich von Sachsen 7. Mai 1518, 
in Corpus Reformatorum ed. Bretschneider vol. I, uro. 14, coli. 27 — 31. 

« 3) Hütten schreibt in demselben Jahre an einen Freund von dieser ihm 
bekannt gewordenen Absicht, Vergl. Böcking, Hutteni opera vol, I, p. 187, 



92 Die Unirersit&teB. 

im Hebräischen za werden, dazu waren weder die Kenntnisse 
Lnther's noch die Melanchthon*s hinreichend. Der Letztere 
namentlich beschäftigte sich zwar viel mit Hebräisch, er liess 
gleich in der ersten Zeit seines Wittenberger Aufenthaltes 
hebräische Bibeln von Leipzig herbeischaffen, damals ein seltener 
Schatz, wegen dessen Erlangung er sich beglückwünschen 
konnte ^), er war weniger in seiner schriftstellerischen Thätig- 
keit als in seinen Vorlesungen bei ' Erklärung biblischer 
Bücher bemüht, die Nothwendigkeit des Zurückgehens auf den 
hebräischen Text hervorzuheben, er war ein grosser Verehrer 
der hebräischen Sprache und billigte, da er sich nichts heil- 
sameres, wahreres, feineres und höheres denken konnte als 
diese Studien, die Ansicht derer keineswegs, die dieselben 
ftir thöricht und roh erklärten ^). Die Pflege des Hebräischen 
in Wittenberg schien ihm ein hoher Ruhm der Universität; 
er datirt eine Vorrede ^) aus der Wittenberger Akademie, „wo 
durch die Gnade des weisesten Mäcenas aller Gelehrten, des 



1) An Spalatin (Sept.) 1518 and an Christoph Scheurl 24. Sept. 1518. 
Corp. Ref. vol. I, colL 43, 48. 

2) An Johann Hess 17. April 1520, Corp. Ref. I, voL 158. ffier ist 
auch eine Rede anzuführen, die er über Nothwendigkeit und Nutzen des 
hebräischen Sprachstudiums schrieb, Corp. Ref. vol. XI, coL 867 — 877, De 
studio linguae Ebreae (1549), die aber ziemlich unbedeutend ist. Er freoe 
sich, nicht vor Ungebildeten zu reden; aber selbst bei Gebildeten gelte die 
hebräische Sprache für barbarisch. Diese ziehen lateinisch und griechisch 
bei weitem vor. Freilich, wenn man Eleganz der Sprache, angenehme Er- 
zählung verlange, dann sei es besser, sich im Herodot zu vertiefen, quam 
legere Thalmudicos libellos, in quibus et tempora mundi manifeste errore 
mutilata sunt et tantum est insulsitatis, ut Alexandrum somnient gessisse 
bellum cum Dario filio Hystaspis qui successit Cambysi; sei es nützlicher, 
von der Weisheit des Themistokjes, von der Gerechtigkeit des Aristides sich 
unterhalten zu lassen , quam legere fanaticos furores ben Cosban. Das sei 
allerdings wahr: Literatur und Philosophie hätten in den griechischen und 
lateinischen Schriftstellern ihre ausgezeichnetsten Vertreter gefunden, sed 
in ecclesia Dei carere lingua Ebrea non possumus. Da genügten 
auch Uebersetzungen nicht, obwol manche, wie Luther's Bibelübersetzung, 
unendlichen Werth hätten; man müsste an den Text selbst herangehn, der, 
oft schwierig und dunkel, eignes Nachdenken und eifrige Wahrheitsliebe ver- 
lange. Trotz seiner Schwierigkeit nehme aber doch das Studium der hebräi- 
schen Sprache nicht so in Anspruch, dass nicht auch Zeit für die Beschäfti- 
gung mit andern Wissenschaften übrig bleibe. 

3) Zu der von Luther herausgegebenen Erklärung von Pauli epistoU 
ad Galatas. 



Di« Unirenit&toil. 93 

Churftirsten Friedrich, die rechten Studien in den 3 Sprachen 
Lateinisch y Griechisch und Hebräisch umsonst gelehrt wer- 
den^' ^); er entschloss sich sogar einmal, als ein Lehrer für 
diese Sprache fehlte^), kurze Zeit auch dieses Amt zu ver- 
walten, aber er ftlhlte doch selbst am besten, dass ihm zur 
vollen Uebernahme dieser Thätigkeit die Fähigkeit fehlte. 

Man suchte also einen Professor flir das Hebräische. Es 
ist von vornherein klar, dass die Stellung eines solchen, in- 
mitten eines vorzugsweise theologischen Lehrkörpers, neben 
Männern, wie Luther und Melanchthon, die nicht nur durch 
den Grad ihrer Kenntnisse, sondern durch den eigen- 
thttmlich hervorragenden Platz, den ihnen die Bewunde- 
rung ihrer Berufsgenossen zuerkannt hatte, eine Art Ober- 
aufsicht über Alles ausübten, was unter ihren Augen vor- 
ging; es ist klar; dass die Stellung eines Lehrers der Sprache, 
deren richtiges Yerständniss die Grundlage ihrer ganzen 
Theologie bildete, eine schwierige war, und dass ein selb- 
ständiger Geist, der sich in seiner Lehrmethode und in seinen 
Ansichten nicht beschränken lassen wollte, hier schwer, wenn 
nicht gar unmöglich, eine Wirksamkeit auszuüben im Stande 
war. Hierin mag wol der Grund liegen, dass es ziemlich 
lange dauerte, bis man den rechten Mann gefunden hatte, 
dass eine Anzahl Versuche fruchtlos blieben, und dass, wenig- 
stens in den ersten Jahrzehnten, keiner in Wittenberg dauernd 
die hebräische Sprache gelehrt hat, der unter den Kennern der- 
selben einen bedeutenden Rang einnimmt. Diese Behauptungen 
können freilich nur Vermuthungen bleiben, die zerstreuten 
Quellen, die wir zu Käthe ziehen können, erlauben uns keine 
sicheren Schlüsse. 

Von Johannes Bösch&nstein, der als erster die Stelle ein- 
nahm, ist schon in anderm Zusammenhang gesprochen; nach 
ihm ist von einem Bartholomäus Caesar die Rede. 
Luther, der jeden neuen Ankömmling mit grossen Lobsprüchen 
empfing, um dieselben freilich oft bald genug mit bitteren 
Schmähungen zu vertauschen, sagt von ihm — es ist die 



») 1519 C. R. I, coL 125. 

2) 21. Mai 1519 a. a. 0. col, 81: Interim ego psalterium praelego, dum 
doctior aliquis conducitur. 



94 t)ie üniveTsit&ten. 

einzige Stelle, in der er von ihm spricht, in den Briefen Me- 
lanchthon's findet sich gar keine Erwähnung des Mannes — : 
er habe eine lateinische Rede von ihm gehört, untermischt 
mit Hebräischem, die habe ihm sehr gefallen ; es scheine ihm, 
wenn man diesen gewinnen könne, werde sich der Weggang 
Böschenstein's ertragen lassen. Gott, auf die Pflege unserer 
Studien bedacht, hat auch ohne uns gesorgt ^). Einige inter- 
essante Details geben einige Briefe des Andreas Carlstadt. 
Danach verdankt Caesar die Aufinerksamkeit, die man ihm 
zuwandte, der Empfehlung des Böschenstein. Dieser habe 
seine allgemeine Gelehrsamkeit, seine specielle gründliche 
Ketotniss der hebräischen Sprache hervorgehoben, zu deren 
Erlernung er viele Jahre hindurch grossen Fleiss angewendet 
und namentlich Reuchlin's Unterricht sich zu Nutzen gemacht 
habe. Plötzlich aber habe Böschenstein sein Urtheil über ihn ge- 
ändert, seinen eignen Entschluss, von Wittenberg fortzugehen, 
habe er aufgegeben, ihm sei an Gelehrsamkeit doch Keiner in 
Deutschland zu vergleichen; was aber Caesar anbetreffe, so 
stehe er in seiner Kenntniss dem Melanchthon um Vieles nach. 
Auch andere Schmähungen habe er auf Caesar gehäuft, den er 
früher mit Lobsprtichen überschüttet habe; vielleicht sei auch 
das Gerücht, die Leipziger wollten Caesar ftlr sich gewinnen, 
nur von ihm erfunden, um sich des unbequemen Gegners zn 
entledigen. Die Wittenberger Studenten seien aber sehr 
begierig, ihn als Lehrer zu erhalten; Spalatin möge Alles 
thun, um diese Wünsche zu befriedigen. Sie gingen frei- 
lich nicht in Erfüllung: Carlstadt schreibt, Caesar wolle 
nicht kommen, und kann sich die Sinnesänderung nicht er- 
klären 2). 

Nach Caesar war es Johann Cellarius Gnostopoli- 
tanus, den man nach Wittenberg ziehen wollte. Er war in 
Heidelberg früher gewesen und wollte jetzt in Leipzig die 



1) Luther an Spalatin 11. Januar 1519 bei de Wette: Luther's Briefe, 
Sendschreiben und Bedenken I, S. 210. üeber Böschenstein lautet die Stelle: 
ideoque nobis visum est, quando ille veteranus omnino maturat reoessum, 
hoc assumto in vicem illius, recessus eins fcratur. 

2) Die Briefe, für die der im Text ge«rebene Auszug geniigen mag, 
finden sich in J. G. Olearius : Scrinium antiquarium. Arnstadt 1682, p. 428q, 
45, p. 52—56; sec. fer. post epiphan, Keminiscere und Die Fellcis 1519. 



Die ünirersit&ietL ^b 

hebräische Sprache lehren; Luther und Melanchthon zeigen 
sich gleich eifrig ihn zu gewinnen^). Aber wenige Wochen 
darauf schreibt Melanchthon: Der Hebräer , den sie hätten^ 
wolle nicht lehren^ abgeschreckt durch die Schwierigkeit des 
Psalters, den er nun schon binnen Jahresfrist erklärt habe ^). 
Das scheint sich auf Gellarius zu beziehen. Möglicherweise 
war das nicht der wirkliche Grund, bekanntlich stand Gel- 
larius bei der Leipziger Disputation auf Eck's Seite ^) und es 
wird Niemand den Wittenbergem verargen kilnnen, dass sie 
sich hüteten, einem erklärten Feinde Eingang bei sich zu ver- 
schaffen. Noch unglücklicher war der Versuch, den man mit 
MatthäusAdrianus machte, der, wie oben genauer erzählt 
ist, nach sehr kurzer Thätigkeit in vollem Unfrieden aus Witten- 
berg schied. 

Erst 1521 vnirde ihm ein Nachfolger gegeben. Matthäus 
Aurogallus, ein Böhme, hatte einige Jahre in Wittenberg 
studirt, er war Melanchthon und Luther bekannt geworden, 
beiden erschien er zur Besetzung der vakanten Professur ge- 
eignet, vielleicht ebensosehr, weU man ihn als einen getreuen 
Anhänger kannte, als seiner Befähigung wegen ^). Melanch- 
thon berichtet, dass pr ihn aus dem Stegreif Vieles aus dem 
Hebräischen habe ttbersetzen und erklären sehen ß). Luther 
bediente sich seiner Unterstützung bei der Bibelübersetzung ^). 
Von seinen Schülern und von seiner Lehrthätigkeit in dieser 



1) Melanchthon an Spalatin 21. Mai 1519, Corpus Refonnatorum I, 
coL 81; Luther an Spalatin 22. Mai 1519 bei de Wette: Luther's Briefe etc. 
I, S. 278. lieber Cellarius vgl. unten: Leipzig. 

2) G. Spalatino 29. Juli 1519 Corp. Ref. I, col. 104 fg. 

3) Darum bezweifelt Pörsteinann, der Verfasser der Anmerkungen in den 
ersten Banden des Corp. Ref., dass diese Stelle sich auf Cellarius beziehe. 

4) Luther an Spalatin 19. März 1521, de Wette I, S. 574; Melanchthon 
an denselben 21. März 1521 Corp. Ref. I, col. 362 sq. 

5) Mel. a. a. 0. : Ipse vidi ex tempore multa enarrantem ac reddentem 
de Hebraeis. Eine andere kurze Bemerkung desselben an denselben 14. Juni 
1521: Inprimis Aurogallum praeficiendum hebraeis scholis. Corp. Ref. I, 
col. 897. 

€) Melapp^ V sagt in der Vita Crucigeri (Declamationes, alte Aus- 
gabe, Tomr ^) : Etsi Lutherus Ebream linguam probe callebat, tarnen 
quia cojr \iorum sciebat non aspemandam esse, adhibuit vires in 
^ }in&u Vditos Aurogallum, Crucigerum et Forsterum. Hos et 
iudices.iir \ et suae fidei et diligentiae testes haberi voluit. 



^6 Die UniTdrsit&ten. 

Sprache, die er bis zu seinem Tode 10. November 1543^) 
fortsetzte, ist sonst nichts bekannt. Die hebräische Gramma- 
tik 2), die er geschrieben hat, erflillt den Zweck eines Leit- 
fadens vollkommen. Nach den Regeln flir das Lesen der 
Buchstaben, Silben und Wörter folgen Beispiele flir die Ac- 
cente, Tabellen für die Zahlen, Pronomina, Substantiva, danack 
die Conjugation und die Regeln für die übrigen Redetheile: 
Adverbia, Conjugationen, Interjektionen. Der hebräisch«! 
Grammatik folgt ein ungemein dürftiger Abriss der Eigenthüm- 
lichkeiten des Chaldäischen, dann eine ziemliche Anzahl voi 
einer nicht nach alphabetischer Reihenfolge und überhaupt 
ohne jedes System zusammengestellten Anzahl von Abbre-| 
viaturen, den Schluss macht das „Lied Moses^^ in hebräischer 
Sprache. Wie gesagt, die Grammatik ist ein guter Leitfadei 
und sie ist schon früh wegen ihrer Bequemlichkeit und Ntiti- 
lichkeit jftir die Studirenden gerühmt worden^). 

Nach Aurogallus* Tode wurde die Professur dem Lukai 
Edenberger übertragen; ein Stück des Briefes, in d 
Luther denselben dem Ghurfürsten Johann Friedrich empfiehlt, 
ist interessant genug, um erkennen zu lassen, was Luther bei 
seinen Candidaten hauptsächlich suchte: „E. K. F. G. wo! 
die hebräische Lektion dem M. Lukas Edenberger leihen 
befehlen, nicht allein desshalb, dass er sich zu dieser 
schwerlich behilft, . . sondern dass er E. K. F. G. und uns AlleifJe 
wol bekannt, dass er treu und fleissig, auch ernstlich ist über 
der reinen Lehre, welchs alls vonnothen ist dem, der hebräisei 
lesen soll. Denn viel Ebraisten sind, die mehr rabiniscb. 



1) Vgl. Scriptor. publ. propos. a Professorib. in Academia Witeberg 
(1559). T. I, p. 72 und Bismark an djer Anmerk. 3 anzuführenden Stelk. 

2) Ich kenne nur eine spätere Auflage: Grammatica hebraeae chaldae 
aeque linguae a Mattheo Aurogallo in lucem aedita, pluribusque in lods ab 
autore emendata et aucta. Basileae apud Henricum Petrum. Anno MDXXXH 
A...L. ä 8B11. in 16« (169 S.). Von S. 142—159: De chaldaeae et hehnm 
linguae. Die Abkürzungen unter dem Titel : Abbreviationes quibus Judaei ii 
commentariis super veteris instrumenti Bibliis passim usi sunt. 

3) Nach der kurzen Lebensbeschreibung des Aurogallus in Bismail: 
Vita et Res Gestae praecipuorum Theologorum Liber primus Continens Tita« 
et res gestas Theol. Viteb. Halae Saxonum 1614 Bl. I 1 und 2: Oiaa- 
maticam hebraicani quoque edidit, quam alicubi D. Selneccerus ob facilitatea 
et utilitatem studiosis sanctae linguae commendat. 



Dm Vmf«niUteB. 97 

(un cbristlich sind, und docli die Wahrheit ist, wer nicht 
oristam sucht und sieht in der Bibel und ebräischer Sprache, 
ir stehet nichts und redet wie der Blinde von der Farbe" 0- 

Von Edenberg's wissenschaftlichen Leistungen und seiner 
ehrthätigkeit ist Nichts bekannt^). Auch war sein Aufenthalt 
I Wittenberg nur kurz, ebenso wie der seines Nachfolgers, 
es durch seine spätere theologische Thätigkeit so bekannt 
lewordenen Matthias Flacius Illyrikus. Er war nach 
Wittenberg gekommen hauptsächlich zum Studium des Griechi- 
«hen und Hebräischen. Melanchthon erkannte die grossen 
Pftlügkeiten des jungen, kaum 24jährigen Mannes, man machte 
hn zum Professor der hebräischen Sprache; nur viermal 
wöchentlich sollte er lesen, man setzte ihm daftir einen Gehalt 
^on 100 Goldgulden aus. Er erklärte die Schriften des alten 
Cegtaments mit vieler Anerkennung; aber nicht lange hielt 
Sttihn, 1547 nach der Capitulation Wittenbergs wanderte er 
Kit den übrigen Professoren aus, aber diese kehrten ohne 
hl zurück^). 

Ihm folgte Johann Forster, nach Böschenstein wol 
l6r beste Schüler Reuchlin's. Er hatte seinen Lehrer eine 
BTze Zeit, wie es scheint, in Ingolstadt vertreten (1521), 
iUin hatte er hauptsächlich auf dem theologischen Kampf- 
satz sich geübt und, nach einem Zeugniss Melanchthons ^), 
^er Neigung nicht ausschliesslich der Beschäftigung mit der 
ßbräischen Sprache zugewendet. Desselben Empfehlung ^) 
Eitte er es zu danken, dass er 1537 eine Anstellung als Pro- 

*) Luther an den Churfürsten Johann Friedrich, hei de Wette V, S. 606, 
December 1543. 

8) Nur findet sich schon aus dem Jahre 1548 von Edenherger eine — 
Bingens unbedeutende — (Praelectio) in Ebraeam Grammaticam in: Scripta 
llbl. propos. in Acad. Witteh. (1560) Tom I, D 3 sq. 

3) Ueber Flacius s. die Nachträge. 

*) Er schreibt an Camerarius: Forstemium (Forsterum) iudico esse 
fikdesto ingenio praeditum, et in sacris literis mediocriter versatum, neque, 
i molti (iireipoxocXoi, qui se Hebraicis literis dedidere, nimium delectari suo 
^dio. Angefahrt bei Strobel: Vermischte Beiträge zur Geschichte und Lite- 
»tur. Nürnberg 1775, in den ausführlichen Mittheilungen über Forster, 
129—160. 

5) Ebenso wie der Luther's, vergl. Schnurrer: Nachrichten yon den 
ehrem der hehr. Literatur in Tübingen, der auch erzählt, dass Forsters 
«halt 200 fl. betrug. Verschiedenes über Forster s. in den Nachträgen. 

Geiger, Stadium. 7 



98 t^io Universitäten. 

fessor der hebräischen Sprache und Theologie in Ttibingen 
erhielt; von hier seiner lutheranischen Gesinnungen wegen 
den Reformirten verdächtig geworden und entlassen, war er 
9 Jahre in durchaus praktisch -theologischen Aemtem thätig. 
Erst 1549 kam er nach Wittenberg, zuerst ohne Amt; man 
wusste noch nicht, ob Flacius lUyrikus zurückkehren werde, 
der Wittenberg verlassen hatte, um, wie er sagte, nicht einw 
Veränderung des Gottesdienstes beizuwohnen. Als Gehalt 
wurden Forster 300 Goldgulden versprochen, eine flir jene 
Zeit recht respektable Summe ^).- Von seinen Schülern ist 
hauptsächlich LäliusSoccinuszu nennen*), der sich freilich 
weniger durch seine Kenntniss des Hebräischen, als durck 
seine theologische Wirksamkeit bekannt gemacht hat. Forster 
starb nach einer 7jährigen glücklichen Lehrthätigkeit im Jahre 
1556 3). Das Werk, das seinen Namen hauptsächlich bekanat 
gemacht hat, ist sein hebräisches Lexikon^). Es ist nöthig, 
dass wir bei demselben verweilen, und dass, ehe wir seinei 
Inhalt zergliedern, wir Forster's Ansichten, die er bei Ab- 
fassung des Werkes zu Grunde legte, ein wenig nachgebn. 
In einem Worte kann man es ausdrücken: in ihm prägte sick 
mit am schärfsten und schroffsten die Gesinnung aus, die 
Luther über die hebräische Sprache und ihre Behandlung ge- 
hegt und seinen Schülern eingeflösst hatte. „Die Kenntniss 
der hebräischen Sprache", beginnt er, „ist der Kirche nöthif 



r^i 



^4 



1) Die letzten Angaben aus einem Briefe Melanchthon's an den Füntaf^ 
Georg von Anhalt 29. März 1549, Corpus Reformatorum vol. VII, p..356. ie 

2) a. a. 0., p. 632. 

3) Camerarius vita Melanchthonis, ed. Strobel, p. 320, der bei dieser Ge- 
legenheit über ihn sagt : Joannes Forsterus, hebraicarum literamm inprimiaperi- 
tus, qui varia et duriore aliquando fortuna conflictatus tandem Wittenbeifi* 
consederat, doctrina sua Academicam illam communitatem augens atqne omas^ 

4) Der typographisch genaue Titel dieses wichtigen Werkes lautet: 
DICTIONARIVM i HEBRAICVM NOVVM , NON EX RA | BINOBVH^ 
COMMENTIS NEC EX NOSTRATIVM DOCTORVM | stulta imitatio« 
descriptum, sed ex ipsis thesauris sacrorum Bibliorum | et eorundem aocon^ 
locorum collatione depromptum, cum phrasibus | scripturae Veteris et No*» 
Testament! diligenter annotatis. j| 

Autore Joanne Forstero Augustano, sacrae Theologiae Doctore, ac, 
Hebraicae linguae professore in Academia 
Vuitebergensi. jj 
Frobeu'a Buchdruckerzeichen BASILEAE MDLVII. ■- i 



Die Unirersitateiu 99 

d sorgfältig aus den Quellen geschöpfte Wörterbücher Bind 
^ Schatzkammern, in denen die Sprache aufgewahrt wird.^^ 
»er was sind die Quellen? Sind es die Babbinen? Hören 
r Forster's Antwort: „Viele Jahre nach dem Wieder- 
T^achen des Evangeliums habe ich gesehen, dass ebenso 
e in den Synagogen und Schulen der Juden, so bei. den 
iristen beim Uebersetzen und Erklären der h. Schrift die 
bbinischen Commentare gleichsam wie heilige Mysterien 
►ttes von allen mit grösster Dehmuth und Verehrung ange- 
tet werden. Daher konnten wir den wahren Sinn der hei- 
en Schrift nicht erlangen." Dieser traurige Zustand der 
nge habe ihn zur Abfassung seines Lexikons veranlasst, 
seien bisher schon von Christen Werke geschrieben wor- 
n, aber sie haben keinen Werth •, bei ihnen sei Christi Wort 
igetroflFen: „Wenn ein Blinder einen Blinden fuhrt, so 
aucheln sie beide." „Und blind sind die Führer wirklich; 
) haben kein Licht, keine Kenntniss von Gott, keinen Geist, 
iine wirkliche und gründliche Bekanntschaft; mit irgend 
ler Wissenschaft oder Kunst, kein Verständniss der Sprachen, 
ßht einmal der hebräischen" ^). Aber eine solche Finstemiss 
rfe nicht fortdauern, die christliche Religion habe nöthig, 
SS sie zerstreut werde. „Sie muss der Sprache eine be- 
ndere Pflege angedeihen lassen, die die erste und älteste 
, in welcher die Gottheit, Vater, Sohn und heiliger 
jist, diesen wunderbaren Schauplatz der Welt und alle Ge- 
liöpfe in ihr geschaffen hat, in der die ganze Dreieinigkeit 
3ichsam im Bilde sich dargestellt hat. . . Durch diese Sprache 
ir der Sohn Gottes allein wirksam, mit ihr schenkte er den 
endgestorbenen neues Leben. In ihr nannte Adam alle 
liere, alle Vögel und Fische mit Namen, als sicherstes 
dchen, dass sie die passendste und geeignetste ist, um die 
ätur der Dinge auszudrücken. — Bis zum babylonischen 
bnrmbau gab es keine andere Sprache, als diese; nach die- 



^) Darauf folgen mehr positive Anklagen : Dicat mihi nniversa ipsorum 
niagoga, comportatis omnibus suis libris, quid proprie hoc nomen nilp^ 
?nificet et quae sit ipsius etymologia, similiter fntS^» Ipfe?. TÖ» JSK. Dann 
ebt er 68 Kegeln zum leichteren Verständniss der hebräischen Sprache, 
>er die Buchstaben und ihre Bedeutung, über die Deklination und den Ge- 
such der Substantiva, über Conjugation und Verba. 

7* 



100 l>ie UniversHäten. 

gern Ereigniss folgte, hervorgerufea durch den schrecklichen 
Zorn Gottes, zum unglaublichen Schaden der Kirche, Ver- 
schiedenheit und Verwirrung der Sprachen, in der dennoch 
Gott diese Sprache rein und unverderbt in dem heiligen Heber 
und seiner Familie erhalten hat bis Lot, von Lot bis Abraham 
und seiner Nachkommenschaft, um ihm in dieser Sprache 
jene Verheissung zu verkünden über seinen gesegneten Sa- 
men, welcher ist unser Herr Jesus Christus". 

Man sieht, es ist nicht leicht möglich in Überschwang- 
lieberen Ausdrücken sich zu ergehen. Neben der Heiligkeit 
der Sprache wird aber auch ihr Nutzen hervorgehoben, einmal 
gegen die Juden, „um die von den Rabbinen hervorgebrachten 
Verschlechterungen zu erkennen, die den Worten innewohnende 
Bedeutung, ihren wahren Sinn zu zeigen und gegen die Spötte- 
reien Jener zu vertheidigen", dann auch gegen die alten lieber- 
Setzungen, um beurtheilen zu können, wie gotteslästerlich und 
abergläubisch es ist, was sie über Christi Verdienst enthalten. 
Auf die Rabbinen kommt er immer wieder zurück. Wenn er 
in schönen Worten zeigt, dass nur die hebräische Sprache 
allein den wahren Gott lehre und die wahre Gottesverehrung, 
dass sie allein Furcht und Treue, Gehorsam und Geduld, Be- 
scheidenheit und Ergebung vorschreibe, dann fehlt der Nach- 
satz nicht: aber hüte Dich vor den Lehrsätzen der Rabbinen, 
die voll von Schmutz und Schändlichkeit sind ; wenn er in 1 
einem Gebete Gott bittet, die Liebe zur hebräischen Sprache! 
immer stärker werden zu lassen, dann vergisst er nicht zn 
bemerken: um sie von den Irrthümern der Juden zu reinigen. 

Aber er bemüht sich sehr die Meinung nicht aufkonunen 
zu lassen, als kenne er, der das Studium der jüdischen Er- 
klärer sehr abrathe, dieselben selbst nicht. „Wenn es einen 
gibt, der seine Fähigkeiten an den Rabbinen verschwendet, 
der sie in seinem Hause auf eigene Kosten als Lehrer unter- 
halten, der sich oft und lange in ihren Synagogen hemih 
getrieben und ihre Commentare fleissig gelesen hat, dann ist 
es Forster, und dennoch habe ich nichts Ausgezeichnetes, 
nicht was besonderen Lobes werth wäre, davongetragen." 

Sein Lexikon, recht eigentlich eine Frucht dieser Rab- 
binenverachtung, ist daher entsetzlich einseitig. All das Gute, 
was er aus jüdischen Commentatoren, Grammatiken ziehen 



Die Universitäten. 101 

konnte, hat er Bei Seite geworfen, man Jiann sagen, er kennt 
nur die Bibel und seine eigene hermeneutische Fertigkeit, die 
alten Schriftsteller, soweit sie in Sacherklärung in Betracht zu 
ziehen waren, und die Kirchenväter, obwol er sich auch ent- 
schieden dagegen verwahrt (schon im Titel des Lexikons), 
in kindischer Nachahmung ihnen zu folgen. Von seinem 
Lehrer Reuchlin hat er viel gelernt, namentlich in der äusseren 
Eintheilung, obwol ja der Weg, den er folgte, ganz verschie- 
den ist von dem, den der Lehrer eingeschlagen hatte. Er 
gedenkt desselben mit vieler Liebe. Nachdem er ihn als sei- 
nen Lehrer gerühmt und erzählt hat, dass er seinerseits von 
W es sei den ersten Unterricht empfangen hatte, fährt er fort: 
Ich erwähiie gern diese Männer, damit die Nachwelt diese 
Wohlthat Grottes im Auge behalte, dass jene, schon so früh 
wie von göttlicher Eingebung getrieben, sich der Verbreitung 
dieser Sprache hingegeben haben. 

Man hat das Lexikon wegen seiner durchgängigen Rück- 
sichtnahme auf die Bibel eine gute Bibeleinleitung genannt; 
vielleicht dürfte der Ausdruck Bibelconcordanz noch passen- 
der den Werth oder in jedem Falle die Eigenthtimlichkeit des 
Werkes bezeichnen. Unter eine jede Stammwurzel werden 
sämmtliche Formen eingereiht, in der diese Wurzel sich 
findet, die Conjugation des Verbums und die Hauptzeiten jeder 
einzelnen Conjugation und die von dem Verbum abgeleiteten 
Nomina. Die Stämme, die numerirt sind: 1 — 1758, sind natür- 
lich nach ihren Anfangsbuchstaben eingetheilt; am Anfange 
einer jeden dieser 22 Abtheilungen steht ein Bibelvers, der mit 
dem zu besprechenden Buchstaben beginnt; am Ende derselben 
sind die zu jedem Buchstaben gehörigen Quadrilitera, soweit 
sie nicht unter den dreibuchstabigen Wurzeln ihren Platz ge- 
funden haben, und Peregrina zusammengestellt. Bei den ein- 
zelnen Wörtei'n wird oft nur ganz kurz die Bedeutung ange- 
geben, oft, wenn grammatische Schwierigkeiten oder sonstige 
Unregelmässigkeiten sich finden, dieselben ausführlich er- 
läutert und eine Masse Beispiele aus dem alten Testament zu 
ihrer Erklärung angefligt, deren Nutzen freilich dadurch, dass 
sie nur lateinisch und nicht hebräisch gegeben werden, fast 
illnsorisch gemacht wird. Zur Erklärung der Worte wird die 
chaldäische Uebersetzung , werden griechische, lateinische, 



102 I>ie Umyersit&ien. 

auch deutsche Worte angeführt; zur Analogie viele SteUen 
aus dem neuen Testament; zur Sacherklärung, wie bereits 
bemerkt, einige Classiker, einige Kirchenväter, von Neueren 
Nikolaus von Lyra. Die jüdischen Commentatoren sind, "wie 
es sich von selbst versteht, ausgeschlossen, nur R. Salomo 
findet sich einigemal erwähnt. So wenig Freund der Juden 
und ihrer Commentatoren auch Forst er war, die Gerechtigkeit 
muss man ihm widerfahren lassen, dass er sein Lexikon nicht 
mit Polemik, mit Schimpfreden gegen diese ftlllte. Man siebt 
doch fast an jedem Schritte, den er thut, dass es ihm in 
tiefem Ernst um die Erforschung der Wahrheit zu thun ist, 
so beschränkt auch der Standpunkt ist, von dem aus er die 
Wissenschaft betrachtet. 

Eine kurze Zeit (1557 fg.) verwaltete Panl Eber die 
Professur, der schon früher einmal zur Aushülfe einge- 
treten war^). 

Am 18. März 1560 hielt Heinrich Moller seine Antritts- 
rede als Professor der hebräischen Sprache in Wittenberg ^). Da 
sonst keine Leistungen dieses Mannes erwähnt werden, er 
auch (s. das Fgde.) nur kurze Zeit sein Amt verwaltet n 
haben scheint ^), so mag es erlaubt sein die Rede etwas näher 
zu betrachten. „Durch eine besondere Wohlthat", beginnt der 
Verfasser, „hat Gott der Kirche immer Männer zu Theil wer- 
den lassen, bald mehr, bald weniger, die der hebräischen 
Sprache kundig waren." Die Kenntniss derselben sei zwar 
durch die Schuld der faulen und unwissenden Mönche des 
Mittelalters fast verschwunden, aber nie völlig. Auf einer 
Synode *) sei bestimmt worden, das Hebräische solle auf den 
Universitäten gelehrt werden, dann haben Nikolaus von Lyra, 






1) Vergl. Nachträge zu S. 97, Anm. 3. 

2) Adhortatio ad cognoscendam linguam hebraeam a Mag. Heniioo 
Mollero Hamburg., hebraico Professore; habita d. 18. Martii 1560, zuletit 
gedruckt in Corpus Reformatorum (Melanchthonis Opera), vol. XII, coL 385 
bis 392. 

^) Ich finde ihn noch erwähnt in dem Wittemberger Lektionskatalog 
von 1561 : M. Henricus Moller enarrabit textum hebraicum minonun pro- 
phetanim bei Strobel: Neue Beiträge zur Literatur des 16. Jahrhunderts 
1790 I, S. 126. 

4) Dem Wiener Concil 1312. 



Die ünWendtäten. lOB 

Paul von Burgos, Petrus Galatinus ^) die Kenntniss fortgepflanzt. 
Dieselbe, sei für die Kirche so nothwendig, „dass die Studireu- 
den der Theologie durch strenge Befehle der Regierung an- 
gehalten werden mtissten sie sich anzueignen" ^). Seien ihnen 
dagegen die Quellen fremd, so folgen daraus verschiedene 
Naehtheile: die heiligen Schriften würden nicht gelesen wer- 
den; durch ihre Unkenntniss würden Zweifel über den Willen 
€k>ttes hervorgerufen, der in diesen Schriften seinen Ausdruck 
gefunden; man mttsste sich an Uebersetzungen halten, die, 
wenn sie schlecht und mit mangelndem Yerständniss der 
Phrasen und Bilder abgefasst seien, schiefe und unrichtige 
Deutungen enthalten ^) ; Polemik könne nur dann richtig geflihrt 
werden, wenn man in das einzugehen wisse, was in den 
Quellen stehe. Daher müsse man sich bemühen ein Yer- 
ständniss der Quellen herbeizuführen. „Um diese Gewissheit 
fiber die Meinungen der prophetischen und apostolischen 
Schriften in den Gemüthem hervorzurufen und durch diese 
ßewissheit ein eifriges Lesen der Schriften zu erzielen, muss 
man diese Sprache lernen, weil die Kirche unmöglich be- 
stehen kann, wenn die prophetischen und apostolischen Bücher 
verachtet werden"*). 

Am Anfang der sechsziger Jahre war Johannes Dra- 
konites in Wittenberg. Als Schüler des Paul Fagius hatte 
er dessen trefflichen Kenntnisse in sich aufzunehmen ge- 
wnsst. Er trug sich mit grossen Planen : er wollte eine Biblia 
Pentapla herausgeben, die er als Aufgabe seines Lebens be- 



1) Petrus Galatinus ein gelehrter Italiener, ein Freund Reuchlin's. 

-Wie wenig historisch die Auffassung Moller's ist, liegt auf der Hand; 

Gralatinus hätte sich seihst am wenigsten einen directen Nachfolger der 

mittelalterlichen Interpreten des A. T. genannt, sondern willig als Schüler 

Beuchlin's hekannt. 

2) Guhernatorum severitate opus esset, ut cogerent eos, qui aluntur 
ut Ecclesiae doctrinam discant, adiungere ad id Studium linguam Graecam 
et Ebream, col. 386. 

3) Darauf folgt eine längere Auseinandersetzung über die Irrthümer 
der Juden und über die Missverständnisse der Griechen und Römer in ihren 
Uebersetzungen, mit zahlreichen Beispielen. 

*) Ut igitur et certae sint mentes de sententia propheticorum et 
apostolicorum scriptorum, et horum lectio propter certitudinem magis appe- 
tatur, lingua haec discenda est, quia ubi sperhuntur libri prophetici 
et apostolici, ibi Ecclesiam esse impossibile est. col. 391. 



104 Die Unirersitaten. 

trachtete, an verschiedenen Orten Schritte that, um thätige 
Beihülfe, namentlich Geldunterstützung zn finden, von Zeit zu 
Zeit Bruchstücke jener Ausgabe veröflFentlichte, um das Inter- 
esse der gelehrten Welt zu erregen und wachzuhalten. Aber 
nachdem er durch das bereitwillige Entgegenkommen des 
Ghurfürsten August von Sachsen zu seinem Ziele gelangt 
schien, starb er 1565 und das kaum begonnene Werk hatte 
sein Ende erreicht^). Man hatte in Wittenberg überhaupt 
keine Zeit mehr zu wissenschaftlicher Beschäftigung. Schon 
nach Luther's Tode hatten fast nur theologische Streitigkeiten 
die Gemüther beschäftigt, die Federn in Bewegung gesetzt; 
nachdem mit Melanchthon's Tode (1560) der letzte Damm 
einer zuletzt freilich sehr wankenden Autorität gebrochen 
war, gingen die Wissenschaften in dem allgemeinen Trubel 
theologischen Zankes völlig unter. 



I 



Das Andenken Reuchlin's wird bei jedem Schritte wach- 
gerufen, den wir thun. Auch in Ingolstadt ist er es, der 
zuerst als öflPentlicher Lehrer im Hebräischen unterrichtete. 
Wie weit sein Schüler Forst er ihn ersetzte, ist nicht bekannt. 
Nach ihm scheint überhaupt ein besonderer Lehrer für da« 
Hebräische nicht angestellt gewesen zu sein. Unter den Auf- 
trägen, die dem berühmten J oh. Eck bei seiner dritten Reise 
nach Rom mitgegeben wurden, figurirt auch der, er solle für 
die Universität Ingolstadt neben der Erlaubniss einige griechi- 
sche Präceptores zu halten auch die erlangen, einen Professor 
des Hebräischen zu haben ^). Man sieht aber nicht, ob imd 
inwieweit diesem Auftrage entsprochen worden ist. Eck selbst 
war ein tüchtiger Kenner des Hebräischen, aber es ist nicht 
bekannt, ob er auch specielle Vorlesungen über die hebräi- 
sche Sprache gehalten hat, die er bei seinen theologischen 



1) Der Churfürst hatte den Superintendenten Paul Eber mit der Fort- 
setzung beauftragt, der aber freilich nicht der geeignete Mann dazu war. 
Ueber Drakonites vergl. Strieder : Hessische Gelehrtengeschichte III , S. 194 
bis 212. 

2) Wiedemann : Dr. Johann Eck, Eegensburg 1865. S. 186. 



Die Uniyersitäten. 105 

wol berücksichtigen mochte. Als zerstreute Notiz findet sich 
nur, dass Wilhelm Uelin 1536 — 1543 in Ingolstadt das He- 
bräische gelehrt hat ^). 



Wir begleiten Beuchlin auch auf dem letzten Schritte 
seiner Laufbahn 2). Er war 1521 von Ingolstadt nach Tü- 
bingen gegangen. Wir haben schon gesehen, dass bereits 
an der Wende des Jahrhunderts sich hier Männer gefunden 
hatten, die, des Hebräischen kundig, gern bereit waren ihre 
Kenntniss Andern mitzutheilen '); aber den Namen eines 
öflFentlichen Lehrers verdient erst Beuchlin. Sein Nachfolger 
war Robert Wakfeld. Er blieb zwar eine Reihe von Jah- 
ren in Tübingen, bis 1530, aber er gehört seiner Geburt und 
seiner Erziehung nach England an und, was er schriftstelle- 
risch leistete, kam auch mehr seinem Heimatslande — er 
lehrte bis zu seinem Tode 1534 in Oxford — zu Gute^). Die 
Art und Weise, in der man seinen Nachfolger Jakob Jonas 
behandelte, zeigt einen sehr traurigen Verfall der Achtung, 
die man einem Lehrer einer so oft als heilig gepriesenen 
Sprache hätte entgegenbringen sollen. Seine erste Anstellung 
vom 1. Mai 1528 (?) war auf ein halbes Jahr mit einem Ge- 
halte von 15 Gulden; dafftr sollte er täglich eine Stunde lesen. 
Dann trieb man die Munificenz so weit, ihm für ein Jahr 
50 Gulden zu bewilligen, freilich mit der Bedingung, sich fiir 
jede Stunde, die er versäumte, ^^ Gulden abziehen zu lassen. 
Er resignirte bald darauf auf die Stelle (1533), bat aber 
doch, man möchte sie ein Jahr lang, so lange wollte er fort 
bleiben, unbesetzt lassen. Indess hielt er selbst es für ge- 
rathener den unwürdigen Verhältnissen zu entsagen, und von 



*) Schnurrer : Nachrichten von den Lehrern der hebräischen Literatur 
in Tübingen. 

2) Ich folge für Tübingen als Hauptquelle dem in der vor. Anm. und 
auch früher vielfach erwähnten Buche von Schnurrer. Es beschreibt in 
ziemlicher Ausführlichkeit das Leben aller Nachfolger Reuchlin's, und 
während es so viel Unnöthiges für uns bietet, enthält es auch Alles, was 
für unsern Zweck von Werth ist. 

3) s. oben S. 19. 

4 Schnurrer, S. 67—70. 



106 Die ÜniveröitÄten. 

dem König Ferdinand sich mit einer hohen amtlichen Stellung 
betrauen zu lassen. Dabei traf er in Wien wieder mit seinem 
früheren Schüler Widmanstadt zusammen, der ihm in der 
Ausgabe der syrischen Uebersetzung desi neuen Testaments 
ein schönes Denkmal gesetzt hat i). Von Wilhelm Uelin, 
der ihm folgte und der später in Ingolstadt seine Thätig- 
keit fortsetzte, ist gar nichts bekannt; von seinem Nach- 
folger Johann Forster, den man in anderer Weise be- 
handelt als den armen Jonas, ist bereits an anderm Orte 
gesprochen. Nur für kurze Zeit kann Tübingen einen Mann 
für sich in Anspruch nehmen, der weniger durch seine Lei- 
stungen, als durch die Meister Sebastian Münster und Elias 
Levita, denen er seine Kenntnisse verdankt, bekannt ist: 
Erasmus Oswald Schreckerifuchs. Er war 1549^) zum 
Professor der hebräischen Sprache vorgeschlagen und "ging, 
trotzdem der Senat ihn zu ernennen verweigerte, doch hin 
und ertheilte einige Jahre hindurch privatim Unterricht. In 
Freiburg lehrte er dann als Professor die Mathematik, neben- 
bei auch Hebräisch; es scheint, dass er, auch sonst seinem 
Lehrer Münster folgend, diese beiden Studiengebiete ver- 
einigte, wenigstens deuten Uebersetzungen zweier hebräischer 
Werke, die Astronomie und Mathematik behandeln, die 
Sphaera Mundi des R. Abraham Hispanus und die Arithmetik 
des R. Elija, darauf hin. 1556 hatten in Tübingen die flirst- 



1) Auch diese Worte — sie finden sich in der Widmung des angege- 
benen Buches an König Ferdinand, Wien 5. Id. Jun. 1555 — bei Schnurrer 
(S. 75) : quod . . . Jonas, quo tempore eum in Suevorum gymnasio utramque 
linguam (hier ist mit diesem Ausdruck hebräisch und griechisch gemeint) 
celebritate magna docentem erudit iomnes venerabantur, mihi iam tum adoles- 
centi stimulos admoverit. 

2) Als 2. Lehrer der Schule in Memmingen stand er mit dem Otten- 
beurer Mönche Nikolaus Eilenbog in Verbindung, der ihn u. A. einmal an- 
fragte, ob in allen Exemplaren der Bibel der Vers, der mit dem Buchstaben 
Nun anfangen sollte, fehlte. Dieser verglich das Targum, consului etiam Maso- 
reth, de quo an audieris nescio, quod, ut paucis scias, omnium tum versuum tum 
dictionum tum literarum insuper etiam omnium apiculorum, vel additiones vel 
defectum K"ipörDlS^ summo studio et observatione tam meminit quam rationem ha- 
bet. Auch hier fand er nichts ; um EUenbog's Zweifel ganz zu zerstreuen, ob die 
Auslassung des Verses einer Nachlässigkeit der Abschreiber zuzuschreiben sei, 
sah er auch Eabinorum opiniones praecipue R. Salomonis nach. Der Brief schliesst: 
D'bv:: rhn «tr. (Nie. Ellenb. Epist. vol. lU, üb. IX, fol. 162. Cod. lat. Paris. 8643.) 



Die Universitäten. 107 

liehen Visitatoren den Antrag gemacht, „es sollte dahin ge- 
sehen werden, dass ein geschickter und gelehrter Hebraeus 
zu Wege gebracht werde, sonderlich aber möchten ßektor und 
JRegenten bedacht sein, ob und wie Schreckenfuchs von Frei- 
burg hierher zu dieser Lektur gebracht werden könnte." Doch 
erfolgte kein Schritt darauf, obwol Schreckenfuchs erst 1575 
starb. Ausser den schon erwähnten Schriften hat er noch 
eine Ausgabe der chaldäischen Uebersetzung des hohen 
Liedes und des Predigers ^ veranstaltet, der er ein hebräi- 
sches Druckfehlerverzeichniss voranschickt und als Anhang 
eine hebräische Leichenrede auf seinen Lehrer Sebastian 
Münster mitgab. Nur zu bedauern ist, dass die Bede, 
der ein gewisses Geschick in der Diktion nicht abzuspre- 
chen ist, ihrem Inhalt nach so völlig werthlos ist, ftir das 
Leben dessen, dem sie gilt, kaum den kleinsten Beitrag 
liefert, während grade Schreckenfuchs, wie kein anderer, be- 
rufen gewesen wäre, das Leben seines Lehrers zu schreiben, 
fiir das uns nun leider die Quellen abgehen. 



Der Zeit nach hätte Leipzig einen Platz vor Ingolstadt 
und Tübingen verdient. Schon im Jahre 1518 hatte Mosel- 
lanus in einer Rede erklärt, wie der Fürst daran denke eine 
Professur des Hebräischen zu schaffen, damit Nichts an einer 
vollkommenen Universität fehle ^); in demselben Jahre hören 
wir von dem Pläne, Bartholomäus Cäsar, der in Wittenberg 
nicht ankommen konnte, für Leipzig zu gewinnen; 1519 will 
Johann Cellarius dort lehren^). Von seinen wissenschaft- 



1) Basel 1558. 285 S. in 80. Ein hebräischer Brief ist oben, S. 85, 
A. 3, angeführt. 

2) S. 0. S. 3, Anm. 1. 

3) Corpus Reformatorum I, col. 81 sq. Melanchthon schreibt an Spa- 
latin 21. Mai 1519: Heri nobiscum fuit Hebraicus quidam (später: Joanni 
Cellario nomen est) mediocriter emditus et aliquamdiu in negotio grammatico 
versatus Heydelbergae antea professus elementa eßpaixd et iam Lipsiae prae- 
lectnrus . . . Hat er in Leipzig schon damals gelehrt, so geschah das wol anf 
eig^e Hand, denn in dem „Lehr- und Stundenplan für alle Fakultäten von 
1519" (vgl. Zamcke, Statutenbücher S. 34 fg.) findet sich keine hebräische 
Lektion aufgeführt. 



108 I^io Universitäten. 

liehen Leistungen ist sein Isagogicon zu erwähnen 0. Es ist ein 
Leitfaden für die Studirenden, aber nicht etwa um sie mit 
der ganzen hebräischen Sprache, sondern nur um sie genau 
mit den Buchstaben bekannt zu machen. Besonders lang ver- 
weilt er bei den Vokalzeichen, bei den Schwierigkeiten der 
einzelnen Buchstaben, die sich inmitten eines Wortes, nament- 
lich in der Conjugation leicht verändern, oder Neigung zur 
Verstärkung durch Dagesch u. a. zeigen , spricht über die 
hauptsächlichsten Satzzeichen wie Athnach, über die Zahl- 
zeichen, für die eine Tabelle folgt. Ein paar Seiten Abkür- 
zungen machen den Schluss, aber man fragt vergebens, wel- 
ches eigenthümliche Princip ihre Zahl und ihre Ordnung be- 
stimmt hat 2). Auch dass Bernhard Ziegler in Leipzig 
hebräisch gelehrt hat, wissen wir, aber es ist weder bekannt, 
wann, noch mit welchem Erfolge er seinen Unterricht ertheilt 
hat. Nach Melanchthon's Ürtheil, der, so lange Ziegler in 
Wittenberg war, sich mit ihm oft über die Schwierigkeit dieser 
Sprache unterhielt^), war er ein überaus fähiger Mann; keiner, 
meinte Melanchthon, in Wittenberg und in Leipzig sei ihm 
vorzuziehen, namentlich da er seine Fähigkeiten zum Nutzen 
der Kirche verwende, und mit grosser Geschicklichkeit die 
prophetischen Schriften erläutere 0. Sonst begegnen wir nur 



1) Isagogicon Joannis Cellarii Gnostopolitaiiae in hebraeas literas 
Omnibus hebraicarum literarum candidatis non minus utile quam necessariniD. 
Die beigegebenen Gedichte Reuchlin's, Melanchthon's, Hakus', der W^idmungs- 
brief an Eeuchlin tragen das Datum 1519, a...e a 4 Bll. in 4® Am Ende: 
Ex Neocademia Anshelmiana Hagenoae. Thomas Anshelra war bekanntiidi 
auch der Drucker Reuchlin'scber Werke. 

2) Abbrevationes perpulchre scitu quibus frequentissime Hebrei utuntnr. 

3) Multumque et saepe collocutus est de eins linguae difficili et obscura 
tractatione. . . Camerarius Vita Melanchthonis ed. Strobel p. 70. 

*) Das. in einem Anm. m angeführten Buche: Tanta est vis ingenii 
in Zieglero ut neminem in his duobus Acaderaiis ei proponendum ducani 
et hanc vim naturae confert ad Ecclesiae utilitatem, magna dexteritat« illu- 
strat prophetica scripta. Nach einer Mittheilung des Herrn Prof. Zamcke 
übertrug am I.Juni 1542 Herzog Moritz die Lektion der hebräischen Sprache 
an B. Ziegler. (Vgl. Zamcke: Urkundliche Quellen, S. 543, Nro. 28, abgedruckt 
bei Brandes, Beiträge zur Charakteristik des Herzogs Moritz, S. 32.) Die 
Stellung des hebräischen Professors war eine eigenthümliche, sie schwebte 
in der Mitte zwischen der theologischen imd philosophischen Fakultät (Gretschel, 
Die Universität Leipzig, S. 101). 



Die Universitäten. 109 

noch einer Notiz aus dem Jahre 1524, dass der Herzog Georg 
von Sachsen die Bezahlung des Gehaltes filr den Professor 
der griechischen und hebräischen Sprache eingestellt habe^). 
Die Männer y die uns in Leipzig begegnet sind, waren 
selbst unter ihren Zeitgenossen kaum allzusehr bekannt; in 
Basel begegnen wir dagegen Männern, die eine grosse Be- 
deutung während ihres Lebens besassen und deren Verdienste 
auch heute noch unsere Anerkennung verdienen: Johannes 
Oekolampad und Wolfgang Fabritius Capito. Sie 
hatten sich beide nach tüchtigen Lehrern formen können. 
Ersterer war ein Schüler Reuchlin's, letzterer des Matthäus 
Adrianus. Schon 1515 rühmte man des Oekolampad's he- 
bräische Kenntnisse. Johann Sapidus empfiehlt den jungen 
Oekolampad an £rasmus als einen, der mit dem Yerständ- 
niss des Griechischen und der Theologie eine nicht gewöhn- 
liche Kenntniss des Hebräischen verbinde 2), und vielleicht 
hatte diese Empfehlung zur Folge, dass Erasmus sich seiner 
Hülfe bei der Ausarbeitung der Anmerkungen zum neuen 
Testamente bediente, „um darauf aufmerksam zu machen, wie 
weit die im neuen Testamente vorkommenden alttestament- 
lichen Anführungen, sie seien nun aus der Septuaginta oder 
aus dem hebräischen Grundtext geschöpft, von diesem ab- 
weichen oder mit demselben übe^-einstimmen" 2). Vielleicht 
durch die gemeinschaftliche Arbeit mit Erasmus angeregt, 
beschäftigte er sich mit Hieronymus und gab mit seinem 
Freunde Johann Brenz*) einen Index zu H's Werken heraus 
mit Erklärung der darin vorkommenden griechischen und he- 
bräischen Wörter*) (1520). Er war Professor der Theologie 
in Basel geworden, als solcher lehrte er auch seit 1523 he- 
bräisch; die erste Vorlesung war eine Erklärung des Jesajas. 
In einem Briefe an Caspar Hedio lobt er diesen sehr, dass er 



1) vgl. meine Recension über J. 6. Schmidt: Petrus Mosellanus, Gtött. 
gel. Anz. 1868, S. 1539. 

2) Erasrai Opera (ed. Lugd. Bat. 1706), tom III, col. 1543, Epist. 
App. XXXII, Schlettstadt 15. Sept. 1515. 

») Herzog: Leben Johann Oekolampad's. Basel 1843, 1. Band, S. 120. 
*) Einen Schüler Adrians, s. 0. S. 43, A. 3. 
5) Herzog, a.,a. 0. I, S. 123. 



110 I>ic tTniTendtäteiL 

sich mit Hebräisch beschäftige , bedauert, dass er selbst za 
wenig Müsse habe, um seine Kenntnisse darin zu erweitern. 
„Unangenehm erscheint diese Sprache gegentlber dem 
hochtrabenden Wesen der lateinischen und der 
Verweichlichung der griechichen Sprache. Es ist 
aber eine heilige Sprache und ffir die heiligen Studien höchst 
nützlich. Ihre Vernachlässigung hat viel Ketzereien und Irr- 
thtimer veranlasst. So wie Du ein wenig fortgeschritten bist, 
wirst Du mit Bewunderung wahrnehmen, in welch' klarem 
Licht dasjenige strahlt, was Dir jetzt noch dunkel vorkommt. 
Aber ich ermahne Dich und die Ermahnung ist wahrlich nöthig: 
Sei nicht nach jüdischer Weise neugierig. Die Schrift hat 
ihre wichtigen Stellen, diese suche auf und sammle sie" ^). 

Oekolampad hielt nicht lange den hebräischen Unterricht 
in seinen Händen. Der ruhige Fortgang der Universität war 
durch die politischen und religiösen Unruhen eine Zeit lang 
unterbrochen worden; in der neuen von dem Baseler ßefor- 
mator entworfenen Uipversitätsordnung.(1529), die der Wieder- 
eröffnung voranging, wurde bestimmt, dass in den theologi- 
schen Vorlesungen auch über das alte Testament gelesen 
werden solle, dass aber ausserdem ein Professor der hebräi- 
schen Sprache Grammatik lesen und einige Bibelverse er- 
klären solle mit Beachtung der Wurzeln, der Deklination und 
Conjugation 2). In Folge dessen wurden noch 1529 Versuche 
gemacht, den Bartholomäus Wolfhard nach Basel zu 
ziehen und neben der theologischen Stellung, die man ihm 
zudachte, ihn auch zu veranlassen den hebräischen Unter- 
richt zu übernehmen; aber der Versuch missglückte, weil, wie 
es scheint, Wolfhard eine jede andere Beschäftigung als Be- 
einträchtigung seines theologischen Berufes ansah ^). Seine 



1) Die Briefstelle ist wörtlich entnommen aus Herzog a. a. 0. I, S. 
223 fg., der weder die lateinischen Worte, noch den Ort, wo er die Stelle 
gefunden hat, angiht. 

2) Herzog a. a. 0. 11, S. 176. 

ä) 2 Briefe Oekolampad's an Wolfhard bei Herzog (Anhang) II, S. 297 fe. 
In dem zweiten, 10. Mai 1529, schickt er ihm seine Berufung zu, obwol 
Wolfhard noch nicht zugesagt hatte, und schreibt dabei: Quamyis autem 
Hebraicae linguae professio iniungatur, occasionem serviendi Christo minime 
iefuturam. Von Wolfhard's religiösem Eifer habe ich interessante Belege 






Die ITniversitäien. 111 

Weigerung ist nicht zu beklagen, denn an seine Stelle kam 
Sebastian Münster nach Basel, dem er seine grosse segens- 
reiche Wirksamkeit bis zu seinem Tode 1552 zu Gute kom- 
men liess. 

Wolfgang Fabritius Capito war eigentlich nie Pro- 
fessor in Basel, aber seine wissenschaftliche Thätigkeit in 
der hebräischen Sprache fällt in die Zeit, da er als Stifts- 
prediger in Basel wirkte (1515 — 1519), und ist daher am besten 
hier zu behandeln. Sein Lehrer war Matthäus Adrianus, bei 
dem er sich auch später in wissenschaftlichen Fragen Baths 
erholte^); da er kein öflFentliches Lehramt bekleidete, so hat 
er auch natürlich wenig Schüler gehabt. Hartmann von Hallwill, 
dem er seine Grammatik widmete, hat er privatim im Hebräischen 
unterrichtet; aber auch P.Fagius rühmte ihn als Lehrer. Capito's 
Grammatik ist eine der ausführlichsten aus jener Zeit, aber, wie 
mir scheint, für den Unterricht nicht so brauchbar, wie andere; 
in der Mitte finden sich oft den Zusammenhang unterbrechende 
Abschweifdngea über die chaldäische Sprache, über die Ver- 
dienste Reisebus, Potken's, Ritius* u. A. m. Das erste Buch enthält 
die Regeln über die Buchstaben, ihre Theilung, über die Vo- 
kale und die Eigenthümlichkeiten der einzelnen, über die Be- 
deutung und Werth der Vokalzeichen, über die Accente, zu- 
letzt eine ziemliche Reihe alphabetisch geordneter Abkürzun- 
gen und Zahlzeichen; das zweite Buch handelt über Conju- 
gation und Deklination und giebt für Beides sehr ausftlhrliche 
Tabellen. Das Buch erschien in mehrfachen Auflagen (1518, 



in einigen Briefen gefunden, in denen er die neue Lehre gegen seinen väter- 
lichen Freund Nikolaus Ellenhog, der der alten Kirche treu geblieben war, 
vertheidigt. Sie sind in Paris handschriftlich in der Briefsamralung des Letz- 
teren aufbewahrt. Cod. lat. 8643. Bibl. Imp. 

1) Eine solche Belehrung, ebenso wie eine von Caspar Ammon, ist in 
dem gleich anzuführenden Buche (H 2 b) mitgetheilt. lieber Capito und 
Adrianus vgL oben S. 43, Anm. 1, und S. 45. 

2) Üeber die ersten nur unvollständigen Ausgaben vgl. Baum: Capito 
und Butzer, Elberfeld 18öO,S. 577 fg. Die erste vollständige war: V. Fa- 
britii Capitonis Hagenoii Theologiae Doctoris et Concionatoris Basiliensis, 
Hebraicarum institutionum libri duo. In inclyta Germaniae Basilea. A..Z, 
Aa..Ii a 4 BU. in 40. Am Ende: Basileae apud Jo. Frobenium mense Ja- 
nuario Anno MDXVIII. 



112 Di» CuTMiilUeiL 

1525 y 1531) und hatte sich grossen Beifalls zu erfreuen^). 
Von sonstiger wissenschaftlicher Thätigkeit Capito's für die 
hebräische Sprache ist aber nichts zu berichten, ausser einer 
Ausgabe des hebräischen Psalters^). Er trug sich mit dem 
Plane y ein hebräisches Lexikon herauszugeben; schon seit 
1516, noch 1519 erinnert man ihn daran ^), aber es wurde 
nichts daraus. Er meinte, wenn er nur Geld hätte und schön 
lateinisch schreiben könnte, dann wolle er wol im Hebräischen 
so Ausgezeichnetes leisten, dass ihn auch der gelehrteste Jude 
nicht leicht übertreffen könnte^). Aber jedenfalls war seine 
Armuth weniger Schuld daran, dass er seine schriflistellerische 
Thätigkeit für das Hebräische unterbrach, als die theologischen 
Kämpfe, die seine Zeit in Anspruch nahmen. Ganz gab er die 
Beschäftigung damit doch nicht auf; noch 1528 berichtet er 
Zwingli von seinen hebräischen Studien^). 



1) Martio Dorpius achreibt an Erasmus: Fabritins (Capito) acutissiims 
Hebraicoram radimentonim iustitationibuä, lingaam quam discunt, sanctain 
quantopere iUustravit. 14 Juli 1518. Erasmi Opp. III, col. 331, Epist. CCCXXIII. 
V^l. auch Baum a. a. 0., S. 24. 

2) Sie erschien 1516. VgL Baum, S. 578, der die Ausgabe auch nicht 
gesehen hat und ihre Beschreibung nach Biederer gibt. 

3) Otho Brunfels schreibt an ihn : Hebraica studia mea ad annum ferne 
intermissa ob frequentes meas infirmitates, rursum incipio tractare. Fac nt 
Dictionarimn hebreum quod nobis pollicitus es, prodeat in lucem. 15. Febr. 
1519. Widmungsschreiben des Schriftchens: Confatatio Sophistices et Quae- 
stionum curiosarum , ex Origine , Cypriano , Nazianzeno . . . Selestadii apad 
Lazarum Schüremm . . . Mai 1520 (Aus Bocking's Bibliothek in Bonn). Ob 
Capito's libellus de annotationibus Hebraeorum erschienen ist, um dessen 
Zusendung Erasmus bittet (Lachnero et Frobenio 1517, Opp. III, col. 1655, 
Epist. App. CCXXXVI), oder ob hier eine Verwechselung des Erasmus vor- 
liegt, weiss ich nicht. 

4) Capito an Erasmus (2. Sept. 1516): Comparo mihi suppellectilem 
latinae linguae ex tuis potissimum operibus, utinam satis mundam et copiofiam. 
Editurus aliquando Lexicon Hebraicum gestientem reprimit inopia qui nove- 
rim quam nihil agat in tarn sterili loco rudis industria, divitiis illis destituta. 
Quod si mihi proprietas foret et elegantia verborum, me confiderem in 
Hebraeo praestiturum quod non facile posset vel doctissimus Judaeonun. 
(Erasmi Opp. III, col. 1568, Epist. App. LXXV.) 

^) Capito Zwinglio : Hebraea yetera perlustro quarum eruditio hac nostia 
vulgari diversissima est. Opera Zwinglii ed. Schuler & Schulthess II, p. 209, 
ultima Juüi 1528. 



Die Universitäten. 113 

Neben Basel war Zürich einer der hervorragendsten 
geistigen Mittelpunkte der Schweiz; wie dort Oekolampad 
wirkte, so war hier Zwingli reformatorisch umgestaltend thätig. 
Trotz der Vorwürfe, die ihm Joh. Eck machte, als verstünde 
er kein Hebräisch^), scheint er sich doch eine ziemlich ge- 
diegene Kenntniss dieser Sprache erworben zu haben, haupt- 
sächlich durch den Unterricht des Jakob Ceporinus (Wisen- 
danger), der selbst 1522 in Zürich öfifentlich Hebräisch zu 
lehren beginnt. Aber wie alles Theologische, so nahm Zwingli 
auch das Lesen des hebräischen Textes und dessen Ueber- 
setzung ins Lateinische für sich in Anspruch; erst als ihm die 
Last zu schwer wurde, überliess er es seinem Lehrer Ce- 
porinus 2). Als dieser indess im nächsten Jahre starb, 
fthlte man doch das Bedürfniss, einen eigenen Professor der 
hebräischen Sprache zu haben. Conrad Pellikan, der 
den an ihn gerichteten Ruf gern annahm, — und der uns be- 
reits von früher her bekannt ist — hatte auch in Basel, wo 
er Professor der Theologie war, viel für Verbreitung der he- 
bräischen Sprache gethan; als seine Schüler werden Joh. 
J^risius und Sebastian Guldibeck genannt. Am 26. Febr. 1526 
traf er in Zürich ein, am 1. März begann er seine Vorlesungen. 
A^ehnlich wie Münster gehört er flir sein ganzes Leben nun 
derselben Universität an, er stirbt erst am 6. April 1556. Von 
Seinen literarischen Verdiensten ist zum Theil schon oben ge- 
sprochen. Ausgaben verschiedener Bücher der Bibel mit Com- 
ttientaren werden von ihm erwähnt, aber es scheint, dass sie 
öbenso wie die einen mächtigen Folianten grosse Erklärung 
fcnm Pentateuch auf den hebräischen Text keine Rücksicht 
trimmt und zu seiner Erklärung nichts Neues hinzubringt 3). 
Sein Lexikon, bei dessen Anfertigung er sich auch der Bei- 
btilfe eines gelehrten Jünglings Marci Heilandi bedient haben 



1) z. B. : „man sieht, das Zwingli nit kan die puerilia, der kinder ding 
i-n Hebreischen, das er seycht gelert ist im Hebreischen." Eck's Verlegung 
"Öer Disputation zu Bern 1528. S. 91. 

2) J. J. Hottinger, Helvetische Kirchengeschichten, III. Theil, Zürich 
1708. S. 52, 99, 233. 

3) Hottinger a. a. 0., S. 121, 289 fg., 824. In der Pariser Bibliothek 
iahe ich in dem Werke u.d.T. : Commentaria Bibliorum Tiguri 1532, 257 Bll. 
^ Fol., nur die Erklärungen des Pentateuch gefunden. 

Geiger, Studium. **> 



114 I^ie Universitäten. 

soll, wird häufig angefiihrt, ebenso wie seine 1540 erschienene 
Grammatik '). Eine poetische hebräische Grabschrift widmete 
er seinem Freunde und Meister Zwingli. ^) Mit einer merk- 
würdigen Aeusserung begrtisste er die lutherische Bibelüber- 
setzung: er habe sie mit dem hebräischen Text verglichei 
und sie gefalle ihm ausserordentlich, weil nun nur noch 
Lehrer nöthig hätten den Text nachzusehn ^). Pellikan's Nach- 
folger war Petrus Martyr. Ein interessanter Mann; ge-| 
borener Italiener hatte er sich in früher Jugend, durch seim 
Drang theologische Kenntnisse zu erwerben getrieben, 
hebräische Sprache mit Hülfe eines Juden zu eigen gemaci 
hatte dann als Prior in Lukka einen eigenen Professor M 
Hebräische, den EmanuelTremellius^), angestellt und v 
seinen Kenntnissen für sich so viel als möglich zu profitiren 
sucht, hatte sich dann, da er sich der Reformation anschlo 
in Italien nicht mehr halten können, war nach Strassburg 
gangen, wo ihn der Ruf nach Zürich traf. Er lehrte hier 
zu seinem Tode, 12. Dec. 1562 0). Von seiner literarisch 
Wirksamkeit ist mir nichts bekannt. 



!f 



r 



Fast zu gleicher Zeit wie in Zürich wagte ein kühD( 
Mann in Köln mit dem Ertheilen von hebräischem Unterrid 
mit öffentlichen Vorlesungen über diese Sprache aufzntret 
(1525), in Köln, wo das Andenken an jenen berühmten Kami 
gegen die jüdischen Bücher noch lebhaft genug vorbände 
war, wo überhaupt die freie Wissenschaft noch kaum ai 
fangen hatte eine Stätte zu finden, wo die weltlichen 
geistlichen Machthaber, wo die Leiter der Universität mit coi 
sequenter Strenge an dem Alten festhielten in Lehre 



1) In den meisten Gelehrtenlexicis und biographischen Werken, z. B. 
Pantaleon, Prosopographiae heroum. Basileae 1566, p. III, p. 119. 

2) Die Grabschrift nimmt als Text Ps. 112, V. 6, 7. Sie findet» 
in Oecolampadii et Zwinglii Epistolarum libri IV, 1536 in Fol., am A 

3) Pellikan an Thomas Blanrer: et vehementissime placet, ut minor^ 
posthac necessitas sit investigandi hcbraicam veritatem nisi tantrnn Ptm- 
ceptoribus, angeführt bei Hottinger a. a. 0. S. 121. 

4) Ueber Em. Tremellius vgl. unten S. 128. 

5) Hottinger a. a. 0. S. 753 ff. 860. 



bie Universitäten. 115 

-»eben und wo bis dahin unter der Bürgerschaft, unter der stu- 
lirenden Jugend, sich zwar manchmal ein freierer Geist geregt, 
«nlliges Aufnehmen der von Aussen hereingetragenen Ideen 
»ich gezeigt, aber nie stark genug bewiesen hatte, um die 
festen den Geist umklammernden, umspannenden Fesseln zu 
•prangen. Der Mann, der hier versuchte eine Sprache zu 
lehren, die weit mehr, als anderer Orten, unter den herrschen- 
den Kreisen Kölns als gefährlich, als ketzerisch betrachtet 
•nirde, verband damit eine offene Ketzerei, er suchte in sei- 
len akademischen Vorträgen die lutherische Lehre in die 
feister der Jugend einzuschmuggeln. Der Mann war Theodor 
''abritius. Ein trefflicher, achtungswerther Mann, der eigner 
nstrengung Alles verdankte, was er geworden war. 15 Jahre 
''ar er ohne jeden Unterricht aufgewachsen, da fand er einen 
Önner, der sich seiner annahm, ihn in die Schule schickte. 
ber seine Sehnsucht trieb ihn nach Wittenberg; dadurch ent- 
emdete er sich seinen Beschützer. Er studirte Theologie und 
ebräische Sprache. In bitterer Armuth hielt er es 4 Jahre aas, 
^in Bett war Stroh, seine Nahrung Wasser und Brot, selten 
Sitte er etwas Besseres, Wein niemals. Erst im flinften Jahre 
iTbesserte sich seine äussere Lage durch die erworbene 
enntniss des Hebräischen, die ihn von da an befähigte durch 
Uterricht Geld zu erlangen ^). In Köln hatte er mit seinen 
orlesungen sofort einen grossen Hörerkreis um sich ver- 
tmmelt, man sog gierig das Gift ein, das er spendete. Kaum 
ciren seine Bemühungen um Verbreitung der evangelischen 
^hre, und noch mehr der Erfolg, von dem seine Anstren- 
Dlngen begleitet wurden, bekannt geworden, so verbot ihm 
er Rektor Theodorich Schiderich mit den übrigen Universitäts- 
beren jede Vorlesung an der Universität; als er fortfuhr 
livatvorlesungen zu halten, wurde ihm 1527 jedes Lehren 
Qtersagt und er aus der Stadt gejagt 2). Von da vertrieben 
ar er nach Hessen gegangen, aber nur in theologischen 
«mtern thätig gewesen. Er verliess Hessen, da seine religiöse 
eberzeugung ihm nicht gestattete die Doppelehe des Land> 



1) Cornelius: Die münsterischen Humanisten (Münster 1851), S. 31 flf. 

2) Bianco: Die alte Universität Cöln I, S. 403. 



116 1*1- r 



pideii Phih}«p zq billigesu nfid starb ak Svperiotend 
Zeite 157(» - ;. Wie grern er «eine iieliri»c*eii Studien l 
zeigt z. B^ djuȤ er is dnem Briefe an den Landgraf< 
^er HebiMi^ onterBdireibt ^ ;. T<fli mdch litcrariscl 
behen werden zwd eenaiuit, die diesen Studien ihi 
«stebnn^ rerdmoken: die Institiitioiieß »xanimaticae in 1 
sanetam Coloniae iri2^, die mehrere Anflag^ra erlebte 
Tabniae dnae de nominibnf^ Heliraeonmi muu altera 
bi«^ B^idleae 1M5-,. — Waa Köfai beöifit so findet si 
Kaebricfat, das« l»ei der dortigen Unirergitat eine Le( 
braica eich bi«; zom Jahre U7i^ beCuid. welche ers 
den Keü^cblnss vom 2.-^. Aprfl desselben Jahres eii 
E« ist freilich nicht bekannt, wann diese Leetio ge 
wurde, mid nur zmn TheiL wer die Kachfolger des F 
i^ewesen sind, wenn es deren fibeiiiaiqyt gleich nach 
Fortgänge gegeben hÄt^i. 



Howeit war es nnn doch in dem Bewnsstsein alle 

die e» mit der Wissenschaft ernst nahmen, gekonmie: 

«J« inan in Marburg im Jahre 1526 an die Grändm 

UüiversitÄt ging, die freilieh recht eigentlich dem Be( 

de« protestantischen Hessens entspre^en sollte, 

fast von selbst verstand, neben den Lehrern der grie 

und lateinischen Sprache einen Professor des Hebräij 

berufen. Der erste, dem man dieses Amt anvertran 

Sebastian Xncenns, ein geborener Holländer, ein 

des Adrianns, der in Löwen auch nach seines Lehre 

g«Ag fleissig das Hebräische betrieben, dann in Lö 

Gent Vorlesungen gehalten, sich durch seine freien A 



^) C'OrmtliiiB a. t.. 0. 

*) Uer Brief i*l Wi Coni^liii!« iin Auhtii^ init^:«tbeilt, er behs 
rein jirJTate Aögfeltigföbfit. 

«) Endi uud «mlHT BeaWucydopidie, l.Stttion, Bd. 40, Tl 
Worauf we^i die An|r»V»e gründet, daas Fabrititis auf ein Jahi 
ProfeMHir der hebraifielieii Sj»raeLe nach Witt^'nberg gegangen- 
ich ideht 

♦J Biaaco: Die alte Univenitit C^On I, S. 358, 

f>) Vgl. die Nachtrags, 



Die Universitäten. 117 

den Hass der Mouche zugezogen hatte, nach Wittenberg ge- 
gangen war, dort freudig die Gelegenheit ergriffen hatte sich 
im Hebräischen weiter zu vervollkommnen und dem an ihn 
gelangtet Rufe nach Marburg als Professor geni folgte. Wenige 
Jahre, nachdem er seine Stellung angenommen hatte, auch ein 
Schriftchen — wol als Leitfaden für seine Vorlesungen — über 
hebräische Grammatik ^) veröffentlicht hatte, war ihm sein Amt 
verleidet, — vielleicht wegen der geringen Zahl seiner Schüler 
— er warf sich auf die Jurisprudenz und nahm wenige Monate 
vor seinem Tode, der am 18. April 1536 erfolgte, das Amt 
eines Raths und Beisitzers am Hofgericht an 2). Sein Nach- 
folger war JohannesLonicerus, der bereits in Frankfurt a.O. 
hebräisch unterrichtet hatte und nun länger als 30 Jahre, von 
1536 bis zu seinem Tode 20. Juni 1569, das Lehramt der he- 
bräischen Sprache in Marburg verwaltete ^). Trotz dieser langen 
Amtsdauer hat er keine Schrift über die hebräische Sprache 
hinterlassen, nicht einmal irgend ein Zeugniss seiner Beschäfti- 
gung mit hebräischer Literatur oder Geschichte der Juden, man 
müsste denn eine lateinische Uebersetzung der Schrift Luther's, 
„dass Jesus Christus ein geborener Jude sei", dahin rechnen *). 



1) De literarum, vocum et acceiituum hebraicorum natura s. de prima 
sermonis hebraici lectiooe libellus ex optimis quibusque Eabinorum com- 
mentariis studiose collectus. Accessit de servientiuni literarum officiis per 
Augustum Sebastianmn Nucenum compendium. Marpurgi 1532 in 8o. 

2) Strieder, Hessisches Gelehrtenlexikon, X. Band, S. 104 — 106. Beiläufig 
bemerke ich, dass Nucenus zuerst ein Freund des fruchtbaren Dichters und 
Epigrammatikers Euricius Cordus (vgl. z. B. Euricii Cordi Opera poetica, 
Helmstädt 1615, p. 403) später sein bitterer Feind wurde (vgl. Krause : Eu- 
ricius Cordus. Hanau 1863, S. 102). 

3) Strieder a. a. 0. VIII, S. 75—85. 

4) Die von ihm herausgegebene Schrift : Divinae scripturae veteris novae- 
que omnia, Argentorati W. Cephalus 1526 in 8^, ist nichts als eine Text- 
ausgabe der griechischen Bibel. Bemerken swerth ist höchstens, dass an dem 
Buchdruclierzeichen sich neben einem griechischen und lateinischen Verse 
auch der hebräische ♦ 'V^ pp) ''5Ä3 iho rHiT findet. Verschweigen will ich 
nicht, dass in dem oben Anm. 2 angeführten Gedicht steht: atque diserte 
Lonicere, Graiarum nova fama literarum. Das geht allerdings auf die Zeit 
vor 1536; oder sollte Lonicerus später die griechische mit der hebräischen 
Professur vereinigt haben? 



118 Die Univenitftten. 1 

Die Universität Wien sank tief herab, seitdem der HiimaH(l er 
mus seine lebenskräftige Thätigkeit hatte einstellen müsmoiu^^ 
seitdem jedes wissenschaftliche Streben vor der religiösen Bil?tot< 
wegung zurückgetreten war. Es ist nicht nnsere Aufgabe znnnMiil ^^ 
suchen, ob dieses Weichen des wissenschaftlichen Sinnes eowj^ ^ ^ 
nothwendige Consequenz des Protestantismus gewesen, od« Ali ^"^^ 
es hervorgegangen w^ar aus einer bedauerlichen Starrheit der AAI^t^ 
bänger der alten Kirche, die, fest hangend an den Lehrsätzen YeA^Ve 
gangener Jahrhunderte, auch von der veralteten Sitte, mit dcrÄlRäU^ 
Wissenschaft früher betrieben war, nicht abgehen zu dürfen meorÄÄDt- 
ten : in Wien scheint Beides zusammengewirkt zu haben. EmstliehfcAt 
Anstrengungen zu einer Hebung der Universität wurden erst duiAet^^ 
die Reform von 1554 versucht, aber auch diese wurden in der 1^ * 
Folgezeit durch die Kämpfe, in denen die Jesuiten mit den bi»- fc^ 
herigen Leitern der Universität um die Herrschaft rangen, fast iflnrii^^ 
sorisch gemacht. Dass bei dieser Lage der Dinge, bei diesem l 
Zustand des wissenschaftlichen Lebens überhaupt, von der Pflege 1 
des hebräischen Studiums sich nicht besonders Bühmenswerthes I 
sagen lässt, ist natürlich 0. Im Jahre 1529 hatte der Bischof r 
Job. Fabri von Wien in einer Unterrichtsanstalt, die er in dem f 
ihm vom Kaiser geschenkten Magdalenenkloster errichtet hatte, l 
die 13 Stipendiaten, die daselbst ein Unterkommen fanden, I 
einem Präsidenten unterstellt, der Magister artium und trilinguis, | 
also auch des Hebräischen kundig sein musste ^) ; für die Univer- | 
sität war erst 1533 Antonius Margaritha als erster Professor | 
der hebräischen Sprache berufen worden 3), am 13. Okt. 1544 



1) Nebenbei sei bemerkt, dass auf dem Wiener Concil 1312 die Be- 
stimmung getroffen wurde, dass die hebräische, arabische und syrische Sprache 
am Sitze des römischen Hofes, in Paris, Oxford, Bologna, Salamanca gelehrt 
werden dürften. 

2) Rudolf Kink, Geschichte der k. Universität Wien 1854 I. 1, S. 244, 
Anm. 283. Auch für die obigen allgemeinen Bemerkungen ist die Darstellung 
dieses völlig nach Akten gearbeiteten Buches benutzt worden. 

3) Für dies und das Folgende zum Theil Kink a. a. 0., S. 270, Anm. 324. 
Dass Margaritha, wie dort angegeben wird, Professor in Tübingen war, 
ist wohl ein Irrthum, wenn er sich auch vielleicht eine Zeitlang daselbst 
aufgehalten haben mag, wie auch Kaltcnbäck : Oesterr. Zeitschr. für Geschichte 
und Staatskunde 1837, S. 18, berichtet. Margaritha war auch nicht der 
Sohn des Rabiner Samuel, sondern des Jakob Margolith in Regensburg, s.o. 
S. 37 und 




Die Universitäten. 1 19 

wurde der Italiener Franz iStankarus ^) berufen, schon 1546 
aber mnsste er wegen Ketzerei — wol bemerkter Hinneigung 
zum Protestantismus — abtreten. Ob gleich darauf Andreas 
Plank ihm gefolgt ist, an dessen Stelle 1552 — 1554 Johann 
Sylvester als öffentlicher Lehrer der hebräischen Sprache 
trat, lässt sich nicht entscheiden. Der letztere hat eine hebräi- 
sche Grammatik geschrieben und damit verbunden eine Aus- 
gabe des Propheten Jonas mit lateinischer Uebersetzung ver- 
anstaltet^). Wilhelm Posteil hat in Wien gelehrt, wie es 
scheint, mit Sylvester zu gleicher Zeit; obgleich er das hohe 
Gehalt von 200 fl. bezog, machte er sich bereits 1. Mai 1554 
aus dem Staube; und der gelehrte Joh. Alb. Widmanstatt 
wird als nieder -österreichischer ßegierungskanzler und seit 
1554 Superintendent der Universität kaum Zeit gefunden 
haben als Lehrer thätig zu sein 3). 



Ein gleiches Schauspiel des Verfalles wie Wien bot im 
Anfang der dreissiger Jahre auch Erfurt. Der Humanismus mit 
der Reformation hatte zwar zeitweilig triumphirt, aber sein 
Sieg, mit Gewalt erkämpft, wurde in Ztigellosigkeit benutzt; 
Rohheit und Unwissenschaftlichkeit herrschte an der Stätte, 
wo früher eine geistige Regsamkeit gewaltet hatte, auf die 
ganz Deutschland mit Stolz hinsah. Man machte in Erfurt 
häufig Anstrengungen, die versunkene Grösse wieder herzu- 
stellen; bei einem solchen Versuche dachte man auch daran, 
einen Lehrer für das Hebräische zu berufen, die Wahl fiel 
auf Georg Wicel. Die characteristische Rede, die Wicel 
für den Antritt seines Amtes vorbereitet hatte, ist oben schon 
vielfach benutzt. In derselben zeigte er, was er von seinen 
Schülern verlangte: „Ich will nicht hebräische Briefe, nicht 
hebräische Reden, nur das will ich, dass Du Dich an die 
hebräische Bibel gewöhnst, dass Du Dich mit den Phrasen 



1) Melanchthon sagt von ihm: Stankarus ... ist in Ebräischer Sprach 
wohl gelahrt. 1553, Corp. Reform. VIII, col. 166. 

2) Institutiones Grammatices Ebreae 1552. Die beiden Namen giebtKal- 
tenbäck an a. a. 0. S. 29. Kink spricht nicht davon. Ueber Plank vgl. die Nachträge. 

3) Widmanstatt's Verdienste für die syrische sind hier ebensowenig wie 
die Postell's (eines Franzosen) für die arabische Sprache näher zu erörtern, 



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Die Universitäten. 121 

Den Schluss unserer Betrachtung machen zwei Universi- 
täten im Norden Deutschlands: Königsberg imd Eostock. 
Die Königsberger Universität wurde 1543 gegründet: schon 
in den ersten Jahren ihres Bestehens 1546 findet sich ein 
Professor der hebräischen Sprache Andreas Wesseling^) 
— 1551. In seiner Eröffnungsrede legte er den Nutzen und 
die Nothwendigkeit der hebräischen Sprache dar , wies auf 
seine schon früher erprobte Fähigkeit im Unterrichten dieser 
Sprache hin, und verhiess in dieser neuen Stellung den be- 
währten Weg nicht zu verlassen. Er wollte die hebräische 
Grammatik vortragen und die hier gegebenen theoretischen Er- 
örterungen durch Erklärung der Psalmen praktisch belegen 2). 
Sein Nachfolger Franz Stankarus verwaltete sein Amt 
kaum zwei Jahre lang, um Johann Sciurus Platz zu machen, 
der früher Professor der griechischen Sprache gewesen war 



1) Für Königsberg kann ich leider nur Amold's Historie der Königsberger 
Universität, Königsberg 1746, 2Theile, folgen; unsere Stelle n.S.356— 360. 

2) Oratio de studiis linguae ebraicae in Corpus Eeformatorum vol. XI 
(1843), col. 708—715. Ich citire einige Stellen daraus: Quid enim mira- 
bilius est quam hanc linguam gentis Ebraeae, natam procul ad Euphratem, 
seu Jordanem, nunc ab homine Germano hie doceri in littore maris Balthici, 
inter Germanos, Sarmatas, et alias gentes, quae prorsus alienissimae a lite- 
rarum cultura fuerunt? . . . Fidelissimi autem interpretes linguam Ebraicam 
etiam senes didicerunt, quia iudicabant lectionera Ebraicam consulendum 
esse, ut Hieronymus, Lyranus, Burgensis: et npstro tempore Galatinus, Com- 
plutensis (!), Wesselus, Capito (das ist jedenfalls ein Druckfehler für Capnio, 
wie nicht bloss die Stellung zwischen Wessel und Agrikola zeigt, sondern 
auch der Umstand, dass Eeuchlin sich wirklicli erst in seinem Alter gründliche 
Kenntnisssd. Hebräischen angeeignet hat, wie er selbst berichtet, (s.u. 8.123, A. 1.) 
während dies bei Capito durchaus nicht der Fall ist), Rudoljihus Agricola et 
multi alii. (lieber Wessel und Agrikola s. 0. S. 21 ff.) . . . Neque haec ita dico, 
quasi non errent etiam saepe illi, quibus lingua Ebraea ita nota est ut Judaei, 
etsi grammaticam suani bene callent, tamen flagitiose hallucinantur in tota 
Prophetarum enarratione. . . . Und am Schluss: De me non prolixe dicam, 
callere me linguam propheticam mediocriter, multi norunt in iis Academiis 
(wo Wesseling früher gelehrt hat, darüber habe ich mir keine Kenntniss ver- 
sphafTen können), in quibus antea docui, ubi et diligeutiam ef fidem auditori- 
bus probavi. Spero igitur me recte et utiliter facturum officium in hac 
Academia: tradam Grammaticam Ebraeam et adiuugam Psalmorum enarra- 
tionem, ut exempla lectionis, vocabula et phrasin proponam. Haec simpli- 
cissima docendi ratio doctis viris etiam in aliis Academiis probatur. Sequar 
autem sententias probatas nostrae Ecclesiae, quas solas et veras et nativas 
esse non dubito. , . 



122 Die Universitäten. 

und nun theologische und hebräische Vorlesungen mit einander 
verband. Die Professur der hebräischen Sprache gehörte zur 
philosophischen Fakultät; in den Statuten findet sich, dass 
der Professor im Sommer die bist. Bücher des A. Testaments, 
im Winter die 5 Bücher Mosis erklären solle ^). Erst 1 553 dachte 
man daran, eine Professur fUr's Hebräische zu errichten. 
Andreas Wesseling, von Melanchthon empfohlen 2), be- 
kleidete als erster die Stelle. In seinem langen Wirken, er 
starb erst am 4. Januar 1577, „trug er nicht wenig dazu bei, 
die alttestamentlichen Studien, die damals nur von Wenigen 
in ihrer Bedeutung erkannt waren, wieder in ihre Rechte ein- 
zusetzen und emporzubringen". Selbst noch am ^ude seines 
Lebens dachte er an die ihm liebgewordenen Studien. In 
seinem Testamente bestimmte er ein Stipendium für drei 
Studirende der Theologie, denen er das Studium' der hebräi- 
schen Sprache besonders zur Pflicht machte ^).^ Mit ähnlichem 
Eifer wie er wirkte sein Nachfolger Henning Adendorp, 
der freilich nur vorübergehend lehrte, und Nicolaus Goniäus, 
der bereits seit 1570 um Verbreitung hebräischer Studien 
bemüht war und als Professor bis 1589 seine Anstrengungen 
eifrig fortsetzte, Er hatte in Wittenberg studirt und dort von 
Juden Unterricht genossen^). 



1) Araoldt a. a. 0. II, S. 346, 347. 

2) Melanchthon an Herzog Albrecht, Joh. Drakonites, Joh. Aurifaber 
10. Sept. 1552 Corp. Ref. vol. VII, col. 1066—1070. 

3) Krabbe, Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert. 
S. 548 fg. 

4) Krabbe a.a.O., S. 731 fg.— Beiläufig sei erwähnt, dass auf der 1559 
gestifteten Universität Jena auch bald ein Professor des Hebräischen thätig 
war. In dem Lektionskatalog von 1564 heisst es: Ubiorem linguae Ebreae 
cognitionem ex praelectionibus Aedonis (!)... studiosi petent bei Strobel. 
Neue Beiträge zur Literatur des 16. Jahrhunderts. 4. Bd., S. 70. 




Pie Schulen. 123 



vu. 

Die Schulen. 

Das Hebräische wird heutzutage in den Schulen keines- 
wegs als obligatorischer Gegenstand gelehrt, die dazu be- 
stimmten Unterrichtsstunden werden fast ausschliesslich von 
denen besucht, die die theologische Laufbahn wählen und die 
hebräische Sprache zu ihrem Studium nöthig zu haben glauben. 
Anders in der Zeit, mit der wir uns hier beschäftigen. Der 
einmal erwachte Eifer für diese früher ungekannten Studien 
bewirkte, dass man ernstlich die Frage erwog, ob dieselben 
auch ftir die Jugend geeignet seien, und dass diejenigen, 
welche die Frage bejahend entschieden, wirklich in den 
Schulen hebräisch lehrten. 

Beuchlin hatte einmal gesagt, dass alle diejenigen, die 
nach den Aposteln mit ihrer Kenntniss des Hebräischen der 
Kirche genützt, dieselbe sich erst im vorgerückteren Alter er- 
worben hätten'). Es scheint fast, als ob das nun ein ver- 
breitetes Vorurtheil gewesen sei, man könne das Hebräische 
nicht in der Jugend erlernen. Dagegen wurde aber doch viel 
Widerspruch laut. Fagius widmet eines seiner Bücher^) 
einigen Schülern und ermahnt sie mit den übrigen Wissen- 
schaften auch das Hebräische in früher Jugend zu erlernen. 
„Denn ich stimme keineswegs denen bei, die meinen, erst 
nach Aufnahme aller Fächer der Wissenschaft und Kunst, in 
reiferem Alter, soll man die hebräische Sprache kosten, als 
wenn sie nicht auch ihre Zeit verlangte, und es nicht ebenso 
nützlich ja nothwendig sei, sich ihr von Anfang an in gleicher 
Weise hinzugeben, wie den übrigen Sprachen" % Auch Johann 



1) Nemo ferme omnium post apostolos orthodoxam ecclesiam hebraicis 
literis illustravit qui non eas in provecta aetate discere coeperit. Einl. z. 
3. B. der Rud. hebr. 

2) Senteutiae vere elegantes 1541. 

3) Auf denselben Gedanken kommt er auch in der Widmung der Schrift : 
Sententiae morales ben Syra, Isnae 1542, an Gaspanis Heidelinus zurück: als 
Patrone suche er Männer qui sua opera sanctam linguam hebraeam apud 
studiosos eins promoyeant mecumque pomeria eins ampliare studeant. Dazi; 



] 24 Die ä<rk«l«B. 

Forster hatte warm diesen Grundsatz vertheidigt 0. Grade] 
die Jugend, meinte er, müsse an das Stndinm der hebräi- 
sohen Sprache gewohnt werden, nachdem sie die Anfangs- 
gründe der lateinischen und griechischen gelernt habe, damit |li 
sie die heilige Schrift besser verstehen lerne und das Licit 
des Wortes Gottes der Nachwelt tibergeben werde, nicht er- 
lösche, sondern dieses Studium ihm gleichsam zur Nahrung 
diene. Namentlich für die Jugend biete diese Sprache einen 
unermesslichen Vortheil. Alles was in ihr geschrieben worden, 
sei heilig und rein, während die Denkmäler der übrigen 
Sprachen soviel Anstössiges enthielten, dass die Jugend leicht 
daran strauchle." 

Diese Ansichten th eilte auch Michael Neander, er gab 
ihnen eine bestimmte praktische Richtung, formulirte sie in • 
einem förmlichen Unterrichtsplan und hat sie in der Schule 
von Ilfeld, der er in so glänzender Weise vorstaiid, zur Aus- 
filhning gebracht. Man solle, meint er ^), als hebräische Lehr- 
bücher „das Opus consummatum Mtinsteri und Eliae Levitaic 
Grammaticen nehmen", den hebräischen Unterricht bei einem 
Knaben erst beim 16. Jahre beginnen, und auch dann nur' 
täglich 2 Blättchen „in Hebraeis tabülis" ihil lernen lasseti, 
um sie in einem Jahre zu Ende zu bringen. „Darnach — um ihm 
nun selbst das Wort zu lassen — möchte man ihm pro excimplo 
praeceptorum Graramatice exponiren, parvum Catechiömum 
Lutheri hebreum, item Evangelia hebrea oder etwa Genesift, 
dieweil diese Bücher und alle Libri historici in der Bibel Viel 
leichter seien, denn Davidis, Salomonis und der Propheten 



sei namentlicli Heidelinus der geeignete Mann qui scliolae Lindaviensi praeest 
eoque iuventiiteni suae disciplinae concreditam in hcbraea etiam lingaa magna 
cum ingenii felicitate erudire potest. 

1) In der Vorrede zu seinem Lexikon, die so ziemlich Alles enthält, 
was er über die hebräische Sprache dachte: In prirois autem iuventus post- 
qnam fundamenta jecit linguae Latinae tum Graecae, assuefocienda est ad 
hoc Studium Hebreae linguae, ut sacram scripturam rectius intelligere discat 
et ad i)osteritatem transmittatur nee extinguatur lux verbi dei sed studio 
linguae hujus accendatur et tanquam pabulo alatur. Von den übrigen Sprachen 
(piaelibet suum habeant contagiura quo iuventus facile infici queat. 

2) Das Folgende ist genommen aus seinem „Bedenken, wie ein Knabe 
zu leiten und zu unterweisen", auch mitgetheilt bei K. Schmidt: Geschichte 
der Pädagogik III, S. 139 fg. 



Die Schuien. 125 

Büeher, welche sehr . sehwer aucb was die Grammatioam be- 
laugt. Es ist aber Hebraea lingaa nicht allein den Theologis 
nutz, sondern auch nöthig allen Studiosis, worauff sie auch 
jr leben lang gedenken zu beharren, dieweil sie alma mater 
ist omnium linguarum, omnibus aetatibus, omnium gentium, 
welche alle aus jvem Leib gekommen, denen sie allen gibt 
und wiederümb von keiner Sprache etwas nimpt oder ent- 
lehnt. Und keine Sprache in der weit so ungeschaifen, die 
nicht vocabula hebraea von der Mutter als zu jrem Erbtheil 
behalten." 

Er hat in seiner Schule das Hebräische selbst gelehrt, 
und das Buch, das er anfänglich zu eigenem Nutzen zusammen- 
stellte, dann als ersieh überzeugt hatte, es gereiche auch den 
seiner Pflege Anvertrauten zum VortheiP), herausgegeben^). 
Das Buch verräth vollständig seinen Zweck als Schulbuch. 
Es ist in Fragen und Antworten getheilt, die zum Auswendig- 
lernen bestimmt scheinen. Die 6 Theile enthalten die Grund- 
züge der hebräischen Grammatik; der erste handelt über die 
Buchstaben im Allgemeinen, über die Zeichen Dagesch, Schewa, 
über die Besonderheiteji der einzelnen Buchstaben ; der zweite 
über das Verbum, über seine einzelnen Conjugationen, über 
das regelmässige und unregelmässige, die gegebenen Eegeln 
durch zahlreiche Tabellen erläuternd; der dritte über das 
Nomen; der vierte ist eine Ergänzung zu zwei und drei, er 
bespricht die Schwächung und Veränderung der Vokale im 
Verbum und im Nomen. Die übrigen Satztheile bilden den 
Inhalt des 5. und 6. Theils, im fünften werden die Präpositionen, 
Zahlwörter, im sechsten Pronomina, Adverbien uud Conjnnctio- 
nen, behandelt, am Schluss einige Regeln über Accente, Metrum 



1) S. 24 der Vorrede des gleich zu nennenden Buches. 

2) Sanctae linguae hebraeae Erotemata . . . Omnia vero ita absoluta 
brevitate, facilique ordihe tractata, ut non modo tyrones Grammaticae he* 
braeae praeeepta inde nuUo cum negocio intra paucas septimanas addiscere 
possint, sed etiam perfectiores iam ibidem inveniant quod ipsos iuvare 
queat. Accessei-unt ad finem dicta veterum Eabinorum de JESV MESSIA 
mundi salvatore. Item Catalogus librorum quorundam praecipuorum in 
lingua Hebraea, CLaldaea, Aethiopica, Arabica, Graeca etLatina: Orania in 
gratiam studiosorum linguae sanctae aMichaele Neandro Soraviense edita., 
Basileae apud Joannem Oporinum. Am Ende: 1556men8e Augusto. 153S. in8*. 



126 Dk äekmkfl. 

beigefügt Die Enrähimiig ron ykr AbbreriatiireD ist seltsam 
gemig^ da sie weder so sehen noeh so baldig sind^ um einen 
besonders hervorragenden Platz zn verdienen M. 

Die bereits im Titd angegebenen Zusätze^ die streng- 
genommen zu der Grammatik gar nieht geboren^ sind einmal 
Dieta qnaedam^ ein interessantes aber dnrchans seltsames Ge- 
misch Ton Sätzen nnd Ansspraehen ans Bibel, Taignm, Rabbinen 
und ehristliehen aneh neneren Schriftstellern^ z. B. eine Stelle des 
Flacins DhTicns fiber Jehova^ eine Anzahl Auszüge ans dem 
Werke des Peter Galatin: De areanis cathoKeae veri- 
tatis n.s. w.; dann nnter der An&chrift Catalogns ein Ver- 
zeiehniss von hebräischen Bibeln, von griechischen nnd lateini- 
schen Ausgaben des alten und neuen Testaments. Das Yer- 
zeiehniss ist keine trockene Aufzahlung, es ist begleitet von 
vielen Bemeikungen, Stucken aus der Einleitung einiger Bücher^ 
z. B. bei der Bibel des Chimenes, bei dem Psalterium octaplnm 
des Augustinus Justinianus, bei Bombeig^'s Targum (1517), fiir 
das ein genaues Inhaltsverzeichniss folgt, ebenso bei Fagins' 
Ausgabe des Targum. Auf die Bibelausgaben folgen die 
Editionen einzelner Bücher und Traktate, worunter namentlich 
des Fagius' Sententiae patrum ausfuhrlicher besprochen werden ; 
bunt durcheinander werden darauf die Schriften von Levita, 
Beuehlin, Münster und einer grossen Zahl Anderer aufgezählt, 
gewiss nicht ein vollständiges bibliographisches Verzeichniss 
aller erschienenen Schriften, aber eine gute Hinweisung auf 
viele seltene und fast ganz unbekannte. Zuletzt wird eine 
vollständige Aufzählung der Traktate des Talmud g^eben, 
einige Schriften des Bambam nnd Alphes ; den Schluss machen 
Stücke ans Beuchlin's Kabbalah, aus einer Schrift Theodor 
Bibliander's, Sentenzen ans den Sprüchen der Väter mit la- 
teinischer Uebersetzung nnd Hinzuziehung deutscher Sprtich- 
wörter zur Analogie. 

Ein nieht minder berühmter Sehulmann, als Michael 
Neander es war, Johannes Sturm, t heilte nicht die An- 
sicht, das Hebräische als ebenso berechtigten Gregenstand, wie 
die übrigen Sprachen, in die Schulen einzufiihren. Man mnss 



1; Es sind mriK'LWil T7D TT! TÖK ♦ honn COnr — die Anfangs- 
l^hstaben der Namen der 7 Planeten; KKS'a^pK pD jÄ TTBS rmn und rcarTi» 



Die Schuieü. 1 27 

freilich bedenken, dass Hauptziel des Strassb. Pädagogen war, 
seine Schüler in der Sprache Cicero's reden zu lassen, in den 
Anschauungen der Römer und Griechen zu erziehen ; da konnte 
sich ftlr das Hebräische allerdings keine Stelle finden. Und wie 
seine Einrichtungen überhaupt zum guten Theil typisch für die 
Gymnasien der späteren Zeit bis auf unsere Tage geworden 
sind, so findet sich bereits bei ihm der Vorschlag, die he- 
bräische Sprache höchstens als fakultativen Lehrgegenstand 
aufzunehmen, mit dem eigenthümlichen Zusatzgrunde neben 
dem bereits erwähnten, dass er seine Schüler nicht zwingen 
wolle eine Sprache zu treiben, die er selbst bis zu seinem 
59. Jahre leider zu erlernen versäumt habe, in der er freilich 
nun, nachdem er sie ohne fremde Hülfe zu erlernen begonnen 
habe, das Uebrige leicht sich anzueignen hoffe *). 

Es wäre ein zeitraubendes und sehr unfruchtbares Ge- 
schäft alle Schulen aufzuzählen, die in gleicher Weise, wie der 
Stürmische Plan das will, dem Hebräischen keinen rechten 
Platz unter den Lehrgegenständen anwiesen ; erwähnt sei nur, 
dass in einigen aus jener Zeit bekannten Schulplänen das 
Hebräische nicht aufgeführt wird : in dem Frankfurter, der von 
dem Dichter und Philologen Jakob Micyllus herrührt^), und 



1) Joan. Stunnii Classicarum Epistolarum libri III sive Scholae Argenti- 
nenses restitutae. Argentorati MDLXV^ fol. 47 — 49. Joannes Sturmius Eliae 
Hyberi amico, interpreti Hebraeo. Linguae Hebraicae institutionem in curiis 
consulto non proposuimus primnm qnia multum profecisse illum arbitror, qui 
ante sextnm decimum aetatis annum, facnltatem duarum linguarum mediocrem 
assecntus est : una cum dicendi disserendique doctrina : et praeter catechesin 
Ecclesiae, in curiis etiam Evangelia et apostolorum cognovit epistolas et 
psalmodiis exercitatus est et reliquos sacros libros, in quotidianis coUegii 
recitationibus : saepe per illos annos quibus in curiis docentuf, possent reco- 
gnoscere. Deinde quia consilium meum est, sermonis Hebraici grammaticam 
extra ordinem tradi: aliqui earum horarum quibus in classicis tribubus non 
docetur: et cuivis concessum est quod velit extra ordinem discere, modo 
liberale sit, et moribus non officiat, et cursum non impediat in studio classi- 
corum. Postremo tametsi poeniteat me huius linguae studium usque in hunc 
annum quinquagesimum nonum distulisse : tamen nolim alios cogere ut faciant 
quod ipse non feci. Hortor tamen omnes, ut ad duas illas classium linguas etiam 
hanc adiiciant (?), meo exemplo : qui superiore proxima estate ea fundamenta 
absque doctore posui hujus sermonis : ut absque ope et voce magistri sperem 
quod reliquuin est brevi posse in hoc curriculo perficere. 

'') Vgl. J. Classeu : Jakob Micyllus. Frankfurt 1858. S. 147 ff. 



1) Vgl. das angeführte Buch von Herzog II, S. 173 fg. 

2) Ordnung dess Na wen Studii vnd yetzt aufgerichten Collegij jn Fürst- 
licher Stadt Zwickau. 1523. lOBU. in 4^, wieder abgedruckt bei Weller: 
Altes aus allen Theilen der Geschichte 1766. II, S. 678 ff. 

3) Weyermann: Nachrichten von ülmischen Künstlern und Gelehrten, 
Ulm 1798 I, S. 84. 

*) Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon. Zusätze von Nopitzsch Bd. VII, 
S. 68 ff. Daselbst auch : „Oslander lernte 1529 von dem Juden-Schulmeister 
Wölfflein zu Schnaitach chaldäisch." Ueber seine ersten hebräischen Studien 
theilt Jo. Manlius: Locorum communium coUectio (ed. 1560) p. 532 unter 
dem Titel : Osiandri ingeniosum inventum. Folgendes mit : Oslander scribens 
Hebraicum Alphabetum invertebat chartam : tunc in altera facie chartae erat 
Graecum Alphabetum. 

ß) S. 0. S. 114. 

6) rv ntta -sisn -leo (152 S. in 12 o) o. 0. 24. Elul 1554, 314 nach der 
kleinen Zahl. Die lateinische Vorrede ist datirt: Argentorati III Idus 
Aprilis Anno MDLIIII . . . Die zweite im Text angeführte Stelle lautet: 
Nam id summa diligentia, maxima soUicitudine in hac scriptione cavi, ut 
de faece Rabinorum verba et phrases non haurirem, sed illud, quantum res 



128 Die Schulen. 

dem Basler, der jedenfalls unter Mitwirkung Oecolampad's |t 
entstanden ist'); die Schule in Zwickau soll nach dem Titel 
des Schulplans zwar „auf drey Hauptsprachen, Hebraysch, 
Griechisch und Lateinisch gestellt" sein, aber in dem Schul- 
plane selbst wird auf Hebräisch gar keine Rücksicht ge- 
nommen ^). 

Dagegen hatte in gleicher Weise, wie Neander in üfeld, 
der berühmte Paul Fagius in seiner Schule zu Isny das 
Hebräische gelehrt; hatte im Jahre 1527 der Ulm er Rath dem 
Michael Brodhag den Befehl ertheilt, „dass dem jetzigen 
Provisor, der in bayden sprachen hebreysch und kriechiseh 
für ander berompt und erfarn die schul zu verleyhen und dem- 
selben jnn seinen alden zu geben wer, die knaben getrewlich 
Inn latein und obgemelten bayden sprachen zu undterweisen 
umid zu lernen, damit sy jnn denselben auch geübt und erfarn 
werden"^); war Andreas Oslander 1520 in Nürnberg als 
Lehrer der hebräischen Sprache angestellt worden *). Em anuel 
Tremellius, der uns schon als Lehrer des Petrus Martyr 
begegnet ist ^), war in den fünfziger Jahren erster Lehrer der 
Schule in Hornbach und hat gewiss dort seine Kenntniss 
des Hebräischen zu verwerthen gewusst. Er trat auch schrift- 
stellerisch auf in einem hebräisch geschriebenen Schriftchen ß). 



Scblnss. 129 

Diese Sprache wählte er hauptsächlich der Juden wegen, „denn 
obgleich heute das israelitische Volk unserer Religion feindlich 
ist, so unterlässt es doch nicht, Alles zu lesen, was von uns 
hebräisch geschrieben wird, um Alles zu wissen, was wir zu 
ihren Gunsten oder gegen sie urtheilen, in welchen Punkten 
wir mit ihnen über die Gottesverehrung und die Frömmigkeit 
uneins sind." Aber freilich der Sprache der Rabbinen wolle 
er sich nicht bedienen, oder, um mit Tremellius zu reden: 
„Aus dem Schmutze der Eabbinen will ich die Worte und 
Phrasen nicht schöpfen, sondern, soweit der Stoff es gestattet, 
die Redegattung anwenden, in der die göttlichen Aussprüche 
in den heiligen Büchern geschrieben sind." Die Schrift war 
hier nur zu erwähnen, weil des Tremellius als Lehrer gedacht 
werden sollte, auf den Inhalt näher einzugehn, der vollständig 
theologischer Art ist, würde die Grenzen dieser Arbeit tiber- 
schreiten. 



vm. 

Schluss. 



Wir haben das Erwachen und die allmähliche Ausbreitung 
des hebräischen Sprachstudiums vom Anfang bis in die sechs- 
ziger Jahre des 16. Jahrhunderts verfolgt, haben den Wider- 
willen, der sich zuerst gegen seine Aufnahme kund gab, die 
Begeisterung, mit der man sich dann ihm zuwandte, das ruhige 
Vorwärtsschreiten, mit dem man den einmal betretenen Weg 
verfolgte, betrachtet, indem wir die einzelnen Universitäten, 
die Schulen, durchgingen, bedeutendere Männer besonders nach 
ihren Leistungen kennen zu lernen suchten. Ein fester End- 
punkt ist nicht gefunden. Der neue Aufschwung, den das 
Studium durch Buxtorf nahm, gehört einer späteren Epoche 
an^); die Zeit, die das Ende unserer Betrachtung bildet, ist 



patiebatur, genus orationis adhibui, quod Divina oracula faenint in sacris 
voluminibus conscripta. 

1) Es ist interessant zu sebn, dass am Ende des von nns besprochenen 
Zeitraums doch in Manchen das Bewusstsein herrschend war, es bleibe noch 

Geiger, Studium. 9 



13Ö scW«. 

eine Zeit des Sinkens, eine 2^it, die liöclistens im Stande ist, 
das früher Vorhandene zu wahren, nicht fähig, Nenes zu pro- 
dneiren; eine Zeit, in der die theologische Fehde die Geister 
Aller derer gefangen nimmt, die etwas mehr verlangen, als 
den kleinen täglichen Bedürfiiissen des Lebens nachzugebn, 
sie aber so in Ansprach nimmt, nm zn jeder wissenschaftlichen 
Beschäftigong nntaaglich, zu jedem freien GredankenanfschwaDg 
unfähig zu machen. 

Der Charakter eincT Zeit prägt sich in allen Ereignissen 
ans, die in ihr einen Platz einnehmen; der eben geschilderte 
traurige Charakter der Zeit, die wir verlassen haben, zeigt sich 
auch in einem unsem Gegenstand berührenden Elreigniss, das 
wenig bekannt ist^). Der Talmud war seit dem gegen ihn 
hervorgerufenen Sturm im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr- 
hunderts, der ihm fast den Untergang kostete, in Deutschland 
unter den Christen wenig bekannt geworden, und der geringen 
Kenntniss entsprach seine geringe Verbreitung. Ambrosins 
Frohen in Basel will 1579 den Talmud drucken lassen; da 
den Juden der Eintritt in die Stadt nicht erlaubt ist, so er- 
sucht er, ihm zu gestatten, einen hineinzunehmen, „dieweil 
dieses Werk eine besondere Art habe, deren die Druckergesellen 
bisher nicht genugsam geübet und der Sprachen unerfahren." 
Aber der Kaiser Rudolf ü. erklärt durch ein Schreiben, der 
Talmud sei gegen den Glauben und die christliche Religion; 
er untersagt den Druck. „Ein gründlicher Bericht wird an 
den Kaiser abgesandt, gezeigt, dass Censur und Universität 
das Werk gestattet habe; aber die erlangte Concession ist 
nur, ein Exemplar solcher talmudischer Bücher dem Kaiser 
zur Durchsicht zu schicken." Aber nachdem er es erhalten, 
schickt der Kaiser keine Antwort; auf ein Schreiben des 
Bürgermeisters und Raths vom 25. Juli 1579 verlangt er die 
Vernichtung des Buches, „da im Talmud die heilige Dreifaltig- 



viel zu thnn übrig: MattMas Flacius Ulyricus zahlt 1562 unter drei Dingen, 
die zur Vollendung der Kirche noch fehlten, auf: separata et plena aliqua 
bebraeae linguae illustratio. Angeführt bei Baur: Die Epochen der kiith- 
lichen Geschichtsschreibung. Tübingen 1852. S. 43, Anm. 1. . 

1) Die im Text gegebene Erzählung folgt der gut nach den Quellen 
gearbeiteten Darstellung v.Streuber : Beiträge zur Basler Buchdruckergeschichte 
in den Beiträgen zur vaterländischen Geschichte. Basel III. Bd. 1846, S. 83 sqq. 



Schlnss. 131 

keit und unser einiger Erlöser und Seligmacher Jesus Christus 
geschmäht werde." 

Neue Bitte Frobens, die von einem Gutachten der Uni- 
versität unterstützt wird : im Talmud seien herrliche, nützliche 
und wohlgegründete Lehren begriffen, Fehler und Irrthümer 
kämen auch in den Evangelien und alten Schriftstellern vor, 
die doch gedruckt seien, Reuchlin und Galatin haben ihn 
gleichfalls vertheidigt, die darin vom Kaiser Maximilian unter- 
stützt worden seien. Doch erst 1588 wurde der Talmud ge- 
druckt, beide Parteien erklärten sich mit der Censur des In- 
quisitors Dr. Markus Marinus zufrieden, die das Ihrige that^). 

Es bedurfte dieses Beispiels nicht, um zu zeigen, wie viele 
Vorurtheile man dem Studium dieser Sprache entgegentrug; 
wir haben deren genug bemerkt. Auch das ist klar, das 
Studium wer nicht immer durch einen wissenschaftlichen Eifer 
hervorgerufen ; es diente der Theologie und wurde oft in ihrem 
Dienste missbraucht, aber im Ganzen war es das ernste Stre- 
ben nach Wahrheit, das seinen Begründer und auch den 
giössten Theil seiner Nachfolger beseelte. 



1) Ueber die Wirksamkeit dieser Censur vgl. z. B. die lehrreichen Be- 
merkungen bei Em. Deutsch : Der Talmud (Berlin 1869) S. 6 fg. 



Rackträse. 



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ibKtammaciisi &- tittti nrmntra md Itnicn. ils r^^nL ^^TWi-äf Xjs« Sjaochi, 

fliir Jocä. Iät 5irM«i2^r E«=5jciisin^r Aa ir*ü* r^iüi-ir war ia. seinei 
%jt ffseääBi& = Xiihi J^iJ!« «fttaSi^ Aiic ^^i^juataL:. öl atiBKX W;dei* 



N&ch träge. 133 

legung der Schrift sagt der eifrige Katholik Cochläus: Textui hebraico 
nituntur Judaei hostes Christi et vos Catholicae fidei reprehensores et hostes 
ecclesiae : Lutherani, Zwingliani et Anabaptistae. LXXII interpretes maximae 
semper fuemnt in ecclesia Christi authoritatis a temporibus usqueApostolorum, 
qnibus nixi sunt antiquae ecclesiae Doctores onines usque ad unum Hierony- 
mum qui sua translatione hanc de annis primae aetatis diversitatem in- 
vexisse creditur. Quod si res aequa trutinetur libra (quamquam difficile est 
pronuntiare, utra lectioiium praeponderare debeat) multis respectibus apud 
ecclesiae filios potior videri poterit lectio et sententia LXXII interpretum. 
J. Cochlaeus: In quatuor Andreae Osiandri coniecturas de fine mundi. 1545 D 1. 

Zu S. 17. Für die Seltenheit und Kostbarkeit hebräischer Bibeln in 
damaliger Zeit noch zwei Notizen. Trithemius überlässt seine ganze Biblio- 
thek dem Kloster Spanheim und nimmt nur eine kleine gedruckte hebräische 
Bibel mit sich (Epistolae p. 384. Jacobo Kymolano 16. Aug. 1507.). 1518 wird 
eine hebräische Bibel nach unserm Geld für 49 Thlr. 10 Sgr. und 1520 eine 
solche mit Commentaren für 86 Thlr. 10 Sgr. verkauft. Beide Notizen aus 
Oskar Hase: Die Koburger, Buchhändlerfamilie zu Nürnberg. Leipzig 1869. 
S. 78, A. 2. S. 84. 

Zu S. 18. Von Wichtigkeit würde es sein, wenn die von Steinschneider, 
Bibliographisches Handbuch S. 156, Nro. 2290 angefiihrte Schrift : J. C. Ulrich 
-De lingua hebr. inter Christianos ante Reuchlinum culta. Halis.. . ? [Handschr. 
Notiz V. Gesenius] bekannt wäre. 

Zu S. 26. Unbeachtet geblieben ist der Spott der Lamentationes 
obscurorum virorum (I. 14) gegen Loans: SigiUum autem quod vides, mihi 
commodato dedit Jacobus Johel Judeus quinquies circumcisus, et bonus 
Reuchlinista. 

Zu S. 30, Anm. 1. Ueber seine hebräischen Studien spricht Eck in der 
Epistola de ratione studiorum, Ingolstadt 1543 in 4^ (B 1»): Audivi tunc (als 
er Levita's Schüler war) Rhomae etiam Sancten Pagninum et Achacium pro- 
fessores Hebraismi ; in Chaldaeo praeter versionem in Pentatheucon Complu- 
tensem usus sum Magistro Munstero, qui prae ceteris egregie emulatur et 
assequitur Heliam, trimestri quoque Judaeo Loto usus sum praelectore. Beete 
dixi nie usum, quia cum utriusque grammaticae esset asymbolus, nihil prae- 
stare poterat praeter usum. 

Zu S. 30, Anm. 2: und Nicolaus Apelles aus Egweil, der 1522 Professor 
der Theologie in Ingolstadt, 1532 Prediger in Marburg wird und 1545 stirbt. 
Vgl. Mederer, Annales Ingolstadiensis Academiae. Pars I. Ingoist. 1782. 
p. 116. 196. 

Zu S. 32, Anm. 2. Eine Zeit lang, als der Streit mit den Kölnern ihn 
ganz in Anspruch nahm, Hess er in seinem Unterricht eine Pause eintreten. 
Mutian schreibt an ihn: Quod si vacatione recuperata docere velles quae 
cumulatissime didicisti, mitterem ad te optimos auditores. Nuper Crocus 
Britannus . . cum apud me quiesceret et Grocinum et Aleandrum et nescio 
quos magistros laudaret, deesse sibi dixit hebraicam sapientiam, quam omni 
via prosequi vellet. 13. Sept. 1516. (Epp. ill. vir. z iil») Richard Crokus, 
ein Engländer, während einiger Jahre Professor des Griechischen in Leipzig, 
scheint später, nach seiner Rückkehr nach England, noch hebräisch gelernt 
zu haben, wenigstens wird ihm ein hebräisch geschriebenes Gutachten zu-, 
geschickt und vorausgesetzt, dass er darüber ein Urtheil abgeben könne. 



134 

Mittlieiliiiig Wrigltts im Geign: Jodisdie Z rita c hiift fvi Wnsenschaft und 
Leben V. S. 216. 

Za S. 35. Ebenso wie BendifiB mit gi ü mu n . Fr e imnth e die Mangel 
der alten latetnisdien Kbela b e ia e iiun g tadelt, tlrat es aneii sein Freund nnd 
Tertbeidiger Peter Galatin. In seinem mannig&di interessanten Werke De 
arean» catbolieae reritatis (1518), das die Wabrbeiten des chnstlichen 
Glaubens ans dem Talnind nnd andern jndisdien Bochem beweisen soll, und 
in Form Ton Gesprieben xwiscben dem Terfuser, BencbÜn nnd dessen Hanpt- 
linnd Hoebstraten gesdirieben ist, sagt Gabtin einmal (foL LXX): Et boc 
est, qnod dictum est: Oscnlamini fiKnm; bncnsque traditio. Wonraf Hoch- 
straten: Editio nostra: appiaebendite disdi^inam Idc babet; und Galatinns 
entgegnet: Antbor nostrae editionis aeq[niTOcati<Hie Tocaboloram deeeptns, 
nraha bmge aliter transtnlit qnam reritas bebraica babeat. Lieet enim baec 
dictio „Bar^ qnandoqne fiüam, qnandoqne disriplinam sire doctrinam, qnan- 
doqne frnmentnm, qnandoqne pnmm sire mnndnm. qnandoqne electmn 
ngnifieet etc. 

Zn S. 35, Anm. 2. Der Heran^ber dieses — naeb einem Exemplar 
der Hamburger Stadtbibliotbek Ton J. L. Hoffinann in Steinscbneideis 
bebraisdier Bibliograpbie 1. Band. Berlin 1858. S. 107 bescbriebenen — 
Lexikons ist, wie H. a. a. O. angibt, der Bnefabandler' Dirck Martens ans 
Aakt, der zu Löwen, wo er aucb Professor der lateiniscben und bebräiscben 
JBpracbe gewesen sein soll, in seiner Druckerei scbon 1518 bebräisebe Lettern 
besass. Das angefahrte Bucb soU in Löwen 1520 gedruckt sein. 

Zu S. 43, Anm. 1. Die in der mir erst später bekannt gewordenen 
Originalausgabe zwischen Capito und nactus stehenden Worte „&ctu8 in 
oppido Bruchsellensi yerbi dei praeco" machen meine Anmerkung überflüssig. 
Wie lange Adrian in Bruchsal (oder [vorher oder nachher?] in Middelbnrg 
s. o. S. 45, Anm. 6) sich aufgehalten, ist nicht zu bestinmien. 

Zu S. 46, Anm. 3. Die Bede Adrians erschien u. d. T.: Oratio de 
Hnguarum laude, LoTanii habita (A. 1519) 40. Wittenb. Jo. Grunenberg. 
1520. 4 Bll. Die Angabe ist aus Steinschneider: Bibtiograplusches Hand- 
buch S. 3, der hinzufügt: Im Epilog heisst es: „Habita fuit haee oratio 
in Colleg. Buslidiano LoTan. non aÜo studio quam ut trium linguarum peritia 
commendaretur Theologiae studions** etc. 

Zu 8. 48. Auf Adrian ist wol auch folgende Stelle der Universitäts- 
matrikel von Freibuig zu beziehen (22. Jan. 1521): Commissum Doctori 
Joanni (Lonicero) theologo, ut Wittenbergam pro Magistro Lova- 
nie^si hebraice docto scribat, quo veniente conveniatur cum eo ad probam. 
Mitgetheilt in Schreiber: Geschichte der Universität zu Freiburg (1859) 
2. Band, 8. 212, Anm. ♦♦ 

Zu 8. 48, Anm. 4. Die im Serapeum a. a. 0. gegebene Noüz ist nach 
Steinschneider, Bibliographisches Handbuch S. 2 zu berichtigen. Das Schrift- 
chen mit der Widmung an J. L. (Jakob Lemp? den bekannten Tübinger 
Theologen, dem auch Beuchlin seine Septem psalmi poenitentiales (s. o. S. 36, 
Anm. 2) gewidmet hatte), in der Adrian „ausdrücklich als Veranlassung des 
Schriftchens angibt, dass Jemand [in dem Schriftchen selbst nochmals: 
quas transtnlit quidam] die Gebete ins Lateinisch^ auf eine den Genius der 
hebräischen Sprache beleidigende Art übersetzt habe." Dieser „Jemand" 
Ißt ohne Zweifel Johannes FfefTerkom s. o. S. 41, Anm« 1. 



Zu S. 54. Gildemeister (i. d. Ztsch. d. deutsch -morgenl. Ges. 1860, 
Bd. XrV, S. 301) fuhrt folgende Schrift Böschensteins an: Contenta lihelli. 
Precatio ad divam . Yirginem Hehraica per Jo. Boschenstain | uersa qui 
linguae proprietatem , pocius quam elegantiam do- ' cere voluit | Epistola 
ad Reuerendissimum j Yuiennensem Episcopum. j Confessio Judeorum coram 
dno coeli & ! terre in die propiciationis Leuit 23. | Psalmus 19 | Pro rege. 
A. E. Excusum Augustae Vind. in offic. Sigism. Grymm Medici ac M. Vuirsung 
Anno MDXXI. 6 BIL in 40. 

Zu S. 55. Boschensteins deutsche üehersetzung des Büchlein Ruth, an 
die einige hebräische Todtengebete mit deutscher üebertragung angehängt 
sind. Nürnberg 1525 in 4^ schliesst sich derjenigen der Klagelieder würdig 
an oder übertrifft sie noch : vgl. Biederer, Nachrichten zur Kirchen-, Bücher- 
und Gelehrtengesch. 2. Band. Altdorf 1765. S. 375— 381. Ueber Böschen- 
stein ist noch nachzutragen der Artikel bei Erhard: Gesch. des Wiederauf- 
blühens wissenschaftl. Bildung in Teutschland. Magdeburg 1832. III, 
S. 332 — 340, der aber, ausser der bibliographischen Zusammenstellung, für 
unsem Zweck ohne sonderlichen Werth ist, und die Abhandlung von Wiede- 
mann in der Oesterreichischen Vierteljahrsschrift für katholische Theologie 
1863, S. 70-— 88, die mir leider nur aus einer Anführung bekannt ist. 

Zu S. 64, Anra. 3. Von dieser Schrift spricht er in dem von ihm 
herausgegebenen Targum Onkeli zu Deut. 4, 16: Quibus cum Judaeus doctus 
quidam ante ducentos annos ad fidera Christianam conversus in libello H^- 
braico quem contra illos pro nostra religione scripsit quemque ipse superio- 
ribus annis latine factum in lucem edi curavi, non inepte respondeat, causas 
pias ostendens, cur Christiani in templis suis imaginem habeant, — putavi 
pio lectori rem non ingratam facturum, si verba ejus hie recenseam quae in 
gratiam studiosorum linguae sanctae primum hebraice, dein latine referam. 
Darauf folgen drei Foliospalten aus dieser Schrift, hebräisch mit lateinischer 
üehersetzung. 

Zu S. 68, Anm. 4. Auf manchen Büchern, z. B. der Ausgabe der Sprüche 
der Väter, befindet sich bei dem Baume noch ein Storch, der Frösche verzehrt. 
Crusius (Annales Suevici 1595 Pars III, p. 679), der das bemerkt, fügt hinzu : 
propter affinitatem nimirum Jacobi Froschesseri, qui et ipse typogrophiam 
hanc iuverit. Froschesser (Ranivora) druckte selbst später ein Werk des Fagius. 
s. S. 73, Anm. 1. « 

Zu S. 73. Dieselbe Bemerkung über Toldot findet sich bereits bei 
Reuchlin: De verbo mirifico 1494 (ed. 1514, g. 5 a). 

Zu S. 76. Anm. 1. Hierher gehört auch eine Stelle aus der Widmung 
der Schrift Logica Rabi Simeonis an Joannes Campensis, Professor in Löwen : 
Scis, quam pauci hodie in nostra sint Germania qui libris velint iuvare He- 
braicum Studium retracti fortassis et deterriti quorundam sjcophantarum 
conviciatrice lingua. Ego autem pttDÜ sh^ et plane rerum peritia parum 
doctus ut audaculus saepius in publicum prorumpo, cmn interim tu, Pelli- 
canus, Aurogallus, Jacobus Jonas, et multi alii Hebraicae linguae professores 
apud vestros dclitescatis qui hanc provinciam longo felicius et gloriosius 
subire valeretis. 

Zu S. 87, Anm. 1. Das hier angeführte Werk (mir nachträglich aus 
der Gott. Üniv.-Bibl. bekannt geworden), 200 paginirte Seiten, 3 unpag. BU. 
am Anfang und 8 am Schluss in 4^, gehört nur insoweit in den Bereich 



136 

nBKKT Betraciitixii^, als es ais hebiüäelien QaeOeii gesdiöpft i^t und eine 
reidie KeimtiiiaB «ler Spndie zeigt: der Gegenstand selbst liegt unserer Be- 
nrtbeflong zu fem. Sehr intereaBant sind einige Worte, die Münster in der 
Widmung an Bemhapi. Episeopos Tridentinissw braadit : Siqmdem tu onus es, 
IMentLHme praesnl, exd nc^n nii>l» egix Temm et omnes sa^rae lingnae can- 
didati. ad qiH« meae perrenerint laenbratioBes. qnas in Hebraiäm«> molior, 
ptorimom «iebent; qnippe qni prxiieipem n«jätnzni [den König Ferdinand?] 
male persnasom, qnaä scripta mea nnnqnam non perniciosis sub- 
serrirent tnmnltibas. 5iBpici*>ne überaatL adeo nt liberalitatem etiam 
se dignam äenäerim. 

Zu S- 97. Anm. 3. TgL Wilhelm Preger. Matthins Flaeiik» lUTrikns und 
seine Zeit. 2 Bamle. Erlangen 1859 und 1861. I S. 21 fg.. 23. 3?! Schriften 
über das Hebrüäche sind ron ihm nicht bekannt. Eine Frucht seiner Witten- 
berger Torlesungen ist wol nur «üe bei Preger II S. SIS angefahrte Schrift: 
Argumenta I^fanorum sexaginta distributis online rersuum sententüs^ dictata 
a M. Flaeio fflyrico in Aeademia WitebergensL PhD. Melanchthon. 8® Franc«)f. 
ex off. Petr. Brubadui 1.55«J. 250 pagg. Preger sagt: ..seheint Ton Me- 
lanchthon dem Drucke übergeben^; wahrscheinlich hat dieser aber auch An- 
theil am Inhalt, denn während Flacius in Wittenberg war. gab ihm Mel. 
„ungebeten die Smnmarien zu den Palmen,, die er öffentlich zu erklären 
gedadite"^. I S. 24. Paul Crell sdireibt in der Dedikation einer späteren Auf- 
lage des Büchleins, die er besorgte : Hos in Psahnos &) commentariolos breves 
quidem, sed utfKaHhnos et doctrina multiplici refertos ante ann«Ds aliquot 
^Melanchthonj ingratissimo cuidam discipulo et hosti suo (Flaeio) praescripsit. 
»Witeb. 1561) bei Strobel: Neue Beiträge z. Lit. bes. d. 16. Jahrh. I79i1 I, 
S. 161. — In der Zeit zwischen Fladus' W^^gang und Försters Ankunft 
mag Paul Eber die Stelle proTisoriseh innegehabt haben: er wird in einem 
Verzeichnias der Wittenberger Professoren Ton 1547 als Lehrer des Hebräischen 
angegeben bei Strobel : Batzenbergers geheime (Jeschichte Ton den Chur- und 
sächsischen Höfen. 1775. S. 86, Anm. 68. In demselben Jahre (1547) schreibt 
audi Caspar Cruciger in seinem Anschlag: Adiungam autem et Ebraicae 
Hnguae Grammaticen et Enarrationem Tel Psalmorum Tel ProTerbiorum Sa- 
lomonis, 23. Oktober 1547 in Corpus Reformatorum ed. Bretsehneider toL VI 
coL 712. 

Zu S. \(t2. Die Abhandlung Tom Ucent. Förster^ ^Johann Forster, 
ein Bild aus der Reformationszeit**, in der Zeitschrift für historische Theo- 
logie 1869 S. 210— -238, ist für unsem Zweck ohne Werth. Das Lexikon Forsters 
wird zweimal S. 219 u. 237 nur kurz erwähnt: die Mittheilung, dass Forster 
„1515 in Ingolstadt den berühmten Beuchlin hörte'^ und dass er .,niit Reuchlin 
in näherem mehijährigen Verkehr stand", möchte schwer zu beweisen sein. 
Neben der oben S. 132 erwähnten Aeusserung Tgl. femer: „Magister Forste- 
mius klagte D, M. Luther, dass sein Predigtamt ihm säur und schwer an- 
käme, und alle seine Predigten ihme zu eng wären, auch würde er oft irre 
drinne, er wollte, dass er noch bei seiner alten Profession (nämL der hebr. 
Professur) geblieben wäre." Luthers Tischreden hgg. Ton Forstemann, 
Bd. 2. Leipz. 1845. S. 371. Gegen Forsters Lexikon wandte sich Johann 
Isaak in folgender Schrift : rrstsi Mediationes hebraicae in artem grammati- 
cam per integrum librum Ruth explicatae, una cum aliarum rerum nonnuHis 
oixessioüjhns, hnjus linguae tjronibus cum primis utilibus ac necessariis. 



Nachträge. 137 

Authore Johanne Isaac, amplissimi Senatus Coloniensis publico Professore . . . 
Adiecta sunt quaedam . . . contra confusissimum D. Johannis Fürsten, qaan- 
doque Professoris Wittenbergensis Lexicon . . . Coloniae ex officina typogra- 
phica Jacobi Soteris. Anno MDLVIII. 52 S. in 40. Die Bemerkungen gegen 
Forster beginnen S. 41. Er habe sein Buch schon beendet gehabt, da sei 
ihm F.'s Lexikon zugekommen. Cuius etiam frontispicio adiecta praefatio 
miris quibusdara convitiis tarn Christianos omnes qui in hoc genere studiorum 
excelluerunt, quam Judaeos onerabat, quorum omnium in rebus perquirendis 
solertiam, in adinventis aestimandis fidem atque artificiosam industriam 
hactenus in Hebraea lingua nihil quicquam laude dignum präestitisse, sed 
per solum Fursterum hanc linguam esse et a sordibus repurgatam et quasi 
postliminio Cristianorum commodis restitutam praedicabat, aliaque multa non 
sine multorum ignominia gravissima iactabat. Er habe sich zuerst gegen- 
über dieser Frechheit kaum massigen können und sofort eine Gegenschrift 
veröffentlichen wollen; als er aber gehört. Forster sei gestorben, habe er 
diesen Plan aufgegeben, ne vel cum larvis certare (quod dici solet) vel mor- 
tuum mordere videremur. Aber ganz schweigen wolle er auch nicht, denn 
Forster zähle Anhänger: sein Sohn und Lorenz Humfrid erklären, in hoc 
studiorum genere unum Fursterum omnes a tergo reliquisse. — Die Wider- 
legungen beschränken sich auf Einzelheiten : Thh sei nicht gen. fem., sondern 
raasc; nT^J'TÖ sei kein sing., sondern plur.; TTTin Gen. cap. 4 sei nicht fut„ 
sondern praet ; pf^ sei nicht von p\Ti abzuleiten u. s. w. ; bei jedei* einzelnen 
Gegenbemerkung wird die freche Unwissenheit Forster's gegeisselt. Dieses 
Bemühen tritt namentlich am Schluss hervor : Quaenam est igitur in Furstero 
tarn insölens eruditionis ostentatio? quod non tarn incredibile hominis iudi- 
cium quod se absque Rabbinorum subsidio consecutum gloriatur? Illene sibi 
Rabbinorum scripta undequaque perspecta in Judaeorum synagogis se versatum, 
domi Judaeorum multa consuetudine non sine rei familiaris singulari iactura 
usum fatetur, quam ne vidisse quidem Rabbinorum (praeter unius aut alterius) 
scripta argumenta certissima docent? quem nunquam feliciter in hisce studiis 
versatum sua ipsius monumenta declarant? quae mihi quidem prorsus hanc 
suspicionem afferunt, ut existimem, si quisquam fuit, qui linguam Hebraeam 
iudicio suo conturbavit, Fursterum fuisse; si quisquam fuit, qui sua inter- 
pretatione linguae integritatem laesit, Fursterum faisse; si quisquam fuit, 
qui horum studiorum fundamenta errore convulsit, firmamenta audacia labe- 
factavit, Fursterum fuisse . . . Die Schrift enthält sonst den hebräischen Text 
und die lateinische Uebersetzung des Buches Ruth und u. d. T. Hebraicae 
Meditationes kurze Erklärungen und längere Bemerkungen nachKimchi gegen 
Castalio. 

Zu S. 107. Schon 1521 wurde in Freiburg Johannes Lonicerus 
auf vorübergehende Zeit Lehrer der hebräischen Sprache, ihm folgte 
Michael Däle von Aach 1522 — 1531. Nach ihm kam Johannes Moli- 
toris, der aber, durch sein Amt als Vierherr am Münster in seinen Vor- 
lesungen gehindert, die Professur an Johann Härtung abgiebt (1546). 
H., eigentlich Professor des Griechischen, erklärt zwar, er habe sich lange 
nicht mit dem Hebräischen beschäftigt, liest aber doch. Indess mass er sich 
bald, obwohl die philosophische Fakultät alle Diejenigen, die Magister wer- 
den wollen, auf die Nothwendigkeit des Hebräischen aufmerksam macht (1548j, 
über den geringen Besuch der Vorlesungen beklagen; ein Mangel, der wol 

Geiger, Studium. 10 



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